Die Schuldenbremse - ein Verstoß gegen die Logik?
In den Medien wurde im Jahr 2016 darüber gejubelt, dass Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zum dritten Mal in Folge eine „schwarze Null“ im Bundeshaushalt erzielen könnte. Wie ist das bei aller Euphorie ökonomisch zu beurteilen?
Ein Zitat von Prof. Dr. Carl Christian von Weizsäcker fasst das Problem in zwei Sätzen zusammen: "Sparsam und fleißig zu sein ist gewiss eine Tugend für den Einzelnen - über seine Verhältnisse zu leben und hohe Schulden zu machen gewiss ein Laster. Aber es ist gefährlich diese Tugendlehre auf ganze Staaten zu übertragen."
Wenn ein privater Haushalt oder auch ein Unternehmen sparsam wirtschaftet, ist diese Vorgehensweise einzelwirtschaftlich durchaus rational. Wenn aber alle privaten Haushalte und alle Unternehmen nach diesem Prinzip handeln, hat dies negative Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft. Die Volkswirtschaftslehre bezeichnet diesen Zusammenhang als "Sparparadoxon".
Das Sparen der privaten Haushalte bedeutet für die Unternehmen einen Rückgang der Nachfrage. Die Unternehmer reduzieren Produktion und Investitionen und lösen damit einen negativen Multiplikatorprozess aus. Wenn man in dieser gesamtwirtschaftlichen Situation auch noch die Staatsausgaben senkt, so wird die Krise noch weiter verschärft.
Diese grundlegenden Zusammenhänge, die man in allen volkswirtschaftlichen Lehrbüchern findet und im Fall Griechenland empirisch nachgewiesen wurden, werden von der Politik völlig ignoriert.
Der Ökonom John Maynard Keynes hat bereits in den 1920er Jahren vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise erkannt, dass ein ausgeglichener Staatshaushalt in Krisensituationen kontraproduktiv wirkt. Der Staat muss die fehlende Nachfrage der Privaten durch eigene Nachfrage ersetzen und somit antizyklisch handeln. Die Finanzierung der staatlichen Nachfrage erfolgt durch Verschuldung.
In der politischen Diskussion hört es sich jedoch so an, als wenn der Staat den Budgetsaldo durch eisernen Sparwillen nach Belieben selbst bestimmen kann. Dem ist jedoch nicht so, denn der Budgetsaldo wird hauptsächlich von exogenen Faktoren bestimmt. Nur in einer Situation, in der das Ausland in Gestalt der deutschen Exportüberschüsse dafür sorgt, dass die deutsche Wirtschaft nicht noch tiefer in die Rezession abgleitet, ist eine "schwarze Null" überhaupt erst möglich. Man kann, wie in der Physik, auch in der Ökonomie nicht gegen die Gesetze der Logik verstoßen. In der wirtschaftspolitischen Diskussion werden jedoch permanent Positionen bezogen, die aufgrund der saldenmechanischen Zusammenhänge gar nicht haltbar sind.
Die volkswirtschaftliche Saldenmechanik erzwingt jedoch im Gegensatz zum einzelwirtschaftlichen Modell der "schwäbischen Hausfrau" eine gesamtwirtschaftliche Betrachtung, die sich in folgender Formel als Beispiel für ein Staatsdefizit widerspiegelt:
Staatsdefizit = Private Ersparnis – Nettoinvestition – Exportüberschuss
Die vorstehende Gleichung zeigt, dass der staatliche Budgetsaldo von exogenen Faktoren abhängig ist. Die Festlegung einer Schuldenbremse verstößt also gegen die Logik. Das ist keine Theorie oder Ideologie sondern makroökonomische Buchhaltung.
In Deutschland besteht die absurde Situation, dass alle Sektoren sparen, nämlich die privaten Haushalte, die Unternehmen und der Staat - es will sich also niemand mehr verschulden. Das zeigt, dass wir das Schuldenmachen durch die riesigen Exportüberschüsse bisher auf das Ausland übertragen haben. Wenn das Ausland jedoch als Schuldner ganz oder teilweise ausfällt, bleibt nur noch ein Sektor übrig, der in die Verschuldung gehen muss, nämlich der Staat, und zwar egal was in der Verfassung steht. An dieser Stelle verstößt die deutsche Verfassung mit der Schuldenbremse gegen die Logik.
In diesem Sinne müsste die Schuldenbremse viel stärker durch die Politik in Frage gestellt werden. Das funktioniert jedoch nur, wenn breite Aufklärung über die ökonomischen Zusammenhänge betrieben wird.
Autor:Rüdiger Beck aus Dortmund-City |
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