Der Dortmunder Arbeitsmarkt 2020 - Alles andere als normal
Agentur zieht Bilanz

Anhand der Statistiken werden Auswirkungen der Pandemie auf den Arbeitsmarkt in Dortmund deutlich. | Foto: Günter Schmitz
  • Anhand der Statistiken werden Auswirkungen der Pandemie auf den Arbeitsmarkt in Dortmund deutlich.
  • Foto: Günter Schmitz
  • hochgeladen von Lokalkompass Dortmund-City

„Vor genau einem Jahr ahnte noch niemand, was auf uns im März hereinbrechen würde. Im ersten Quartal konnten wir noch an die positive Entwicklung der letzten Jahre anknüpfen. Machten sich auch schon erste Anzeichen einer Eintrübung breit, so wuchs die Beschäftigung noch weiter und eine positive Arbeitsmarktdynamik zeichnete sich ab, die Arbeitslosigkeit entwickelte sich saisontypisch“, blickt Heike Bettermann, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Dortmund, zurück auf die ersten Wochen des vergangenen Jahres.

Mit Ausbruch von Corona wurde dieser Trend auf einen Schlag gestoppt. Alles hat sich zu Beginn des zweiten Quartals verändert. Die Arbeitslosigkeit stieg im April sprunghaft an, ein Anstieg wie es ihn so in dem Ausmaß zwischen zwei Monaten in Dortmund bisher noch nicht gegeben hatte. Auch die Anzeigen von Kurzarbeit schnellten rasant in die Höhe. Durch den Einsatz vieler arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen, allen voran das Kurzarbeitergeld, und eingebettet in eine robuste Wirtschaftsstruktur, ist es gemeinsam mit allen anderen Arbeitsmarktpartnern dennoch gelungen, 2020 gut durch die Krise zu kommen.

Viele Arbeitsplätze konnten so gerettet werden, aber nicht alle. Allein in den zwei Monaten des ersten Lockdowns haben sich rund 4.500 Menschen mehr als im Vergleichszeitraum der Vorjahre arbeitslos gemeldet. In den Folgemonaten zeigte sich der Arbeitsmarkt dann nicht aufnahmefähig. Die Unternehmen hatten mit den Folgen der Pandemie – mit Auftragsrückgängen und teilweise massiven Umsatzeinbußen zu kämpfen. An Personalneueinstellungen war nicht zu denken.

„Erfreulich dann zu sehen, wie die Dortmunder Wirtschaft im Herbst dann Schritt für Schritt wieder angesprungen ist - mehr Menschen Arbeit finden konnten, Einstellungsverfahren verstärkt aufgenommen wurden und auch die berufliche Förderung und Qualifizierung wieder verstärkt in Angriff genommen wurde. Im September konnten mehr Menschen ihre Arbeitslosigkeit zugunsten einer Beschäftigung beenden, und auch weniger Menschen meldeten sich aus einer Beschäftigung arbeitslos. Die Arbeitslosigkeit stieg coronabedingt nicht weiter an, sondern passte sich dem saisonalen Jahresverlauf auf höherem Niveau an. In drei aufeinander folgenden Monaten September, Oktober und November ging sie deutlich zurück. Wir hatten die Hoffnung, das Schlimmste überstanden zu haben. Doch im Spätherbst kam es mit der zweiten Welle zur erneuten Bewährungsprobe für die heimische Wirtschaft und damit auch für den lokalen Arbeitsmarkt. Die Lage hatte sich wieder deutlich im Vergleich zum Sommer verschlechtert. Der zweite Lockdown wurde vor wenigen Tagen noch einmal bis Ende Januar verlängert, seine Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt werden erst in den kommenden Wochen sichtbar“, so Bettermann.

Menschen in der Betreuung des Jobcenters sind weniger von der Pandemie betroffen

„Im Jobcenter Dortmund sind die Arbeitslosenzahlen im Verlauf des Pandemiejahres 2020 um ca. 11 Prozent gestiegen, dies ist jedoch bei weitem moderater als der Anstieg im Bereich der Arbeitslosenversicherung, welcher bei etwa 30 Prozent liegt. Durch die hohe Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld und die Verlängerung der Arbeitslosengeld-Bezugsdauer sind viele Beschäftige bisher nicht auf das Jobcenter angewiesen. Wir hoffen, dass das auch weiter so bleibt. Die Menschen, die im vergangenen Jahr zu uns kommen mussten, waren größtenteils die Solo-Selbständigen ohne freiwillige Arbeitslosenversicherung und die Menschen in der Zuständigkeit der Arbeitsagentur, deren Anspruch zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes nicht auskömmlich ist. Zum Jahresende 2020 wechselten zunehmend auch Arbeitslose aus der Arbeitsagentur in das Jobcenter, deren verlängerter Anspruch von 15 Monaten aufgebraucht war.“, berichtet Dr. Regine Schmalhorst, Geschäftsführerin des Jobcenters.

Mehr Menschen in Langzeitarbeitslosigkeit

„Deutlich wird der Effekt der Coronakrise besonders bei der Langzeitarbeitslosigkeit. Immer mehr Menschen rutschen in die Langzeitarbeitslosigkeit, u. a. weil sie während des Bezugs von Arbeitslosengeld keine neue Beschäftigung aufnehmen konnten und auch weil saisonale Beschäftigungsmöglichkeiten auf Helferniveau, beispielsweise im Weihnachtsgeschäft im Einzelhandel oder der Gastronomie, weggefallen sind. So lag der Zuwachs an Langzeitarbeitslosen im Jobcenter im Dezember 2020 bei etwa 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat“, so die Jobcenter-Leiterin.

Hoffnung auf schnelle Erholung der Wirtschaft

„Im Jahresverlauf beschäftigt hat uns außerdem der Anstieg der jungen Arbeitslosen unter 25 Jahren, welcher zwar auch nach wie vor über dem Vorjahr liegt, in den letzten Monaten des Jahres jedoch erfreulicherweise wieder rückläufig war“, führt sie weiter aus. „Mein Fazit: Die Pandemie hätte uns im Jobcenter viel schlimmer treffen können. Die Entwicklung ist weniger dramatisch als erwartet. Deutlich wird das auch an der geringen Steigerung der Bedarfsgemeinschaften und der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die im Vergleich zu 2019 bei lediglich einem Prozent liegt. Es bleibt nur zu hoffen, dass sich die Wirtschaft im kommenden Jahr rasch erholt und den Menschen der Gang zum Jobcenter erspart bleibt.“

Der Arbeitsmarkt 2020 in Zahlen:

Stabile Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Dortmund

Seit dem Ende der Finanzkrise im Jahr 2010 war die Zahl sozialversicherungspflichtig Beschäftigter kontinuierlich angewachsen. Die Beschäftigung entwickelte sich bis zum Ausbruch der Pandemie sehr positiv. Zum Stichtag 31. März 2020 verzeichnete Dortmund 251.979 sozialversicherungspflichtige beschäftigte Personen. Der Vorjahresvergleich ergibt ein Plus von 2,6 Prozent oder 6.301 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen. Die Zahl sozialversicherungspflichtig beschäftigter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer blieb auch zu Beginn der zweiten Jahreshälfte relativ stabil. Durch die Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus ab März 2020 wurde der Beschäftigungsaufbau zwar zunächst gestoppt, doch Entlassungen im großen Stil blieben bisher aus. Im Vorquartalsvergleich sank die Beschäftigung aufgrund der Pandemie im Juni um 2 Prozent auf 246.840 Beschäftigte. Im Vorjahresvergleich bleibt die Beschäftigung aber auch im Juni stabil und steigt leicht um 0,1 Prozent an.

Dass die Beschäftigung sich trotz aller widrigen Umstände verhältnismäßig stabil entwickelte hängt mit der starken Nutzung der Kurzarbeit durch die Unternehmen zusammen. Dadurch konnten ungeachtet der großen wirtschaftlichen Unsicherheiten viele Arbeitsplätze gesichert werden.

Arbeitslosigkeit ist 2020 gestiegen

Durchschnittlich waren in der Stadt Dortmund 36.213 Menschen von Januar bis Dezember 2020 arbeitslos gemeldet – dies sind 4.343 Personen oder 13,6 Prozent mehr als im Vorjahr. Die durchschnittliche Arbeitslosenquote lag bei 11,4 Prozent und damit 1,3 Prozentpunkte höher als im Durchschnitt des Vorjahres mit 10,1 Prozent. Nach sechs Jahren rückläufiger Arbeitslosigkeit in Dortmund verzeichnet Dortmund damit erstmalig wieder einen Anstieg und liegt aktuell etwas über dem Niveau von 2016.

Anstieg nach dem ersten Lockdown

Durch die Corona-Pandemie stieg die Arbeitslosigkeit in Dortmund in den Frühjahrs- und Sommermonaten besonders deutlich an. Allein im April und Mai, also in der Zeit nach dem ersten Lockdown, haben sich rund 4.500 Menschen mehr bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet. Dies ging einher mit einem deutlichen Rückgang der Abgänge in Erwerbstätigkeit. Das heißt der Arbeitsmarkt war zu diesem Zeitpunkt nicht aufnahmefähig. Unternehmen und Betriebe verzeichneten teilweise massive Umsatzrückgänge und waren intensiv damit beschäftigt, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu halten, beziehungsweise sie Schritt für Schritt aus der Kurzarbeit zurückzuholen. Personalneueinstellungen standen hinten an. Der coronabedingte Höchststand der Arbeitslosigkeit bisher wurde im August 2020 mit 38.828 arbeitslosen Menschen erreicht. Wenn die Arbeitslosigkeit steigt, kann dies zwei Ursachen haben. Entweder wächst der Zugang zur Arbeitslosigkeit an oder der Abgang aus der Arbeitslosigkeit sinkt ab. Vor allem im zweiten Quartal 2020 kamen in Dortmund beide Effekte zusammen. Insbesondere die fehlenden Abgänge haben zur steigenden Arbeitslosigkeit beigetragen. Der Arbeitsmarkt war über mehrere Monate kaum oder gar nicht aufnahmefähig.

Weniger Chancen ohne Qualifikation

Weiter gesunken sind vor allem die Arbeitsmarktchancen für Menschen ohne ausreichende Qualifikation. Während der Arbeitsmarkt für Fachkräfte auch in der Krise relativ stabil geblieben ist, stieg die Zahl der arbeitslosen Menschen ohne berufliche Ausbildung. Gut 60 Prozent der Arbeitslosen sind in Dortmund auf der Suche nach einer Helferstelle. Im Falle wirtschaftlicher Schwierigkeiten eines Unternehmens werden Menschen ohne Berufsabschluss häufiger entlassen, während die Betriebe versuchen, ihre Fachkräfte zu halten.

Jugendarbeitslosigkeit überproportional gestiegen

Der gleitende Jahresdurchschnitt der Arbeitslosigkeit der unter 25-Jährigen lag 2020 bei 3.309 Personen. Gegenüber dem Vorjahr steigt die Jugendarbeitslosigkeit damit deutlich an. 568 mehr junge Menschen meldeten sich bei der Arbeitsagentur arbeitslos. Die durchschnittliche Arbeitslosenquote der unter 25-Jährigen lag im vergangenen Jahr bei 10,0 Prozent (Vorjahr 2019: 8,5 Prozent). Im Rechtskreis SGB III waren 971 Menschen U25 arbeitslos gemeldet, das sind 216 mehr als im Vorjahr. Im SGB II waren im Jahresdurchschnitt 2.338 Menschen U25 arbeitslos gemeldet, ein Anstieg von 352 Personen im Vorjahresvergleich. Bei den Jugendlichen stieg die Arbeitslosigkeit 2020 überproportional zur gesamten Arbeitslosigkeit (+20,7%) Auch für junge Erwachsene war der Ausbildungsmarkt coronabedingt nicht so aufnahmefähig. Es wurden 2020 auch weniger neue Ausbildungsverträge abgeschlossen als im Jahr zuvor.

Hintergrund
Der gleitende Jahresdurchschnitt weist jeweils einen Zeitraum von 12 Monaten aus. Der gleitende Jahreswert Dezember 2020 bezieht somit die Monate Januar bis Dezember 2020. Saisonale Schwankungen werden dadurch größtenteils aus der Betrachtung ausgeschlossen.

Mehr Menschen in Langzeitarbeitslosigkeit

Der Anteil langzeitarbeitsloser Menschen, also solcher Menschen, die ein Jahr oder länger arbeitslos sind, ist gegenüber dem Vorjahr um 16,2 Prozent oder 2.015 Personen gestiegen. Im Jahr 2020 waren im gleitenden Jahresdurchschnitt 14.434 Personen langzeitarbeitslos. Im Versicherungsbereich (SGB III) waren 1.237 (+25,6 Prozent) Personen langzeitarbeitslos gemeldet und in der Grundsicherung (SGB II) 13.197 (+15,4 Prozent).

Zusammenfassung in Kürze
• Arbeitslosigkeit steigt 2020 coronabedingt an
• 36.213 Arbeitslose im Jahresdurchschnitt
• Durchschnittliche Arbeitslosenquote 11,4 Prozent (2019: 10,1 Prozent)
• Beschäftigung stabil, Frühjahrsbelebung blieb aus
• Kurzarbeit sichert viele Arbeitsplätze

Autor:

Lokalkompass Dortmund-City aus Dortmund-City

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

6 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.