Dortmunder Projekt-Erfolg: „Die Leute kommen zur Ruhe“
Im Hotel schlafen
Was vor Corona für viele noch unvereinbar geklungen hat, bot sich in der Pandemie an: Die Unterbringung von Obdachlosen in leerstehenden Hotelzimmern könnte zumindest kurzfristig Menschen von der Straße holen und würde den krisengeplagten Hotels Einnahmen verschaffen. In Dortmund haben bodo, das Gast-Haus und das Team Wärmebus im Januar ein Modellprojekt gestartet – und überraschend schnell Erfolge bemerkt.
Die Lobby wirkt verwaist, so fast ohne Menschen. An einem normalen Tag wäre hier ein ständiges Kommen und Gehen. Gerade ist aber wenig normal. Weil aber derzeit kaum „normale“ Gäste da sind, ist Platz für solche, die man in Hotels eher selten sieht. In zehn Einzel- und Doppelzimmern wohnen seit Mitte Januar Menschen, die ansonsten auf der Straße leben.
Rückzugsort benötigt
Der Gedanke dahinter ist einfach: Wer kein Dach über dem Kopf hat, ist in der Pandemie ungeschützt vor Ansteckung und Kälte. Trotzdem gibt es Menschen, die Notschlafstellen meiden oder für die die Angebote nicht passen. Zugleich stehen im Lockdown Hotels zu großen Teilen leer. Können in diesen Zimmern Menschen leben, lassen sich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Die Hotels haben Gäste und Einnahmen, und obdachlose Menschen bekommen einen Rückzugsort, der gerade so dringend nötig ist.
Initiative gestartet
In einigen Städten wird das – mal mit kommunaler Finanzierung, mal aus Stiftungs- oder Spendengeldern – umgesetzt. In Dortmund sind es das Gast-Haus, das Team des Dortmunder Wärmebus und bodo, die mit Eigenmitteln und Spenden jetzt das Modellprojekt gestartet haben. Zehn Einzel- und Doppelzimmer in der vierten Etage bekommen die Organisationen zum Sonderpreis, dazu ein eigenes Zimmer für Beratungsgespräche.
Zwei Jahre draußen
Michael ist einer der elf Menschen, die gerade hier leben. Zwei Jahre hat er vorher draußen geschlafen, auch im Winter. Bis Corona sei das auch gegangen, sagt er. „Ich war tagsüber in der Bibliothek, hatte es warm und trocken, hab gelesen und gearbeitet. Aber das geht ja jetzt nicht mehr.“ Statt in der Bibliothek versorgt er sich aus den Bücherschränken im Union- und im Kaiserviertel mit neuen Büchern. „Ich bin der Mann mit den Büchern, so kennt man mich.“ Auf seinem Nachttisch liegt ein Stapel, „Das Parfum“ und eins über die Beatles, gerade liest er „Das Foucault‘sche Pendel“, sagt er.
Glücklich, drin zu sein
In der Männerübernachtungsstelle war er nicht. „Zu viele Verrückte, zu viele Knastis. Das hab ich gar nicht erst ausprobiert. Ich bin glücklich, dass ich jetzt hier bin, gerade bei dem Wetter. Und zum ersten Mal, seit ich von Zuhause raus bin, hab ich einen Fernseher – und weiß, warum ich keinen brauche.“
Autor:Lokalkompass Dortmund-City aus Dortmund-City |
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