"So geht man mit Freunden nicht um!"
Ingeborg Neumann ist traurig - und wütend. Seit ihrer Kindheit geht die 76-Jährige zu Borussia, zuerst mit Vater und Bruder auf Rote Erde, dann ins Westfalenstadion, heute in den Signal Iduna Park.
Doch die Liebe zum Verein hat in der letzten Woche einen tiefen Knacks bekommen.
"Am Mittwoch (14. Mai) gegen 17 Uhr bekam ich einen Telefonanruf, in dem mir mitgeteilt wurde, dass meine Dauerkarte gekündigt würde. Diese Nachricht hat mich mitten ins Herz getroffen."
Am Tag darauf folgte die schriftliche Kündigung per Einschreiben. Besonders erbost ist Ingeborg Neumann über den Zeitpunkt der Kündigung: "Als ich den Anruf bekam, hatte ich einen winzigen Moment lang gehofft, dass es doch noch eine Karte für Berlin, für das Pokalendspiel für mich gibt."
Die Kündigung hat sie nicht nur regelrecht „aus den Schuhen gehauen", sie hat ihr auch das Finale vermiest, und auch das letzte Bundesligaspiel war ja schon gelaufen:"Ich konnte mich nicht mal von meinen Sitznachbarn verabschieden. Das war eine so schöne Gemeinschaft dort." Die 76-Jährige braucht für die letzten Stufen zu ihrem Platz Hilfe, denn die Treppe hat kein Geländer, „da hat man mir immer geholfen."
Jahrelang hatte sie auf diesem Platz im Block 25 gesessen, kennt das Stadion aus allen Ecken und Blickwinkeln. Nicht nur die Art der Kündigung, auch den Zeitpunkt der Kündigung hält sie für „total daneben. Das Timing war wirklich schwach - ein regelrechtes Eigentor für den BVB."
Rund 200 Dauerkartenbesitzern ergeht es in diesen Tagen so. Ihr angestammter Sitzplatz ist weg.
Der Verein teilt dazu mit: „Zur neuen Saison erweitert und optimiert Borussia Dortmund die Stammtischebene im Signal Iduna Park. Im Zuge dieser Maßnahmen musste der BVB knapp 200 Dauerkarteninhabern, deren Sitzplätze in diesem Bereich liegen, formell kündigen. Alle Dauerkarteninhaber wurden zuvor persönlich kontaktiert und darüber informiert, dass allen betroffenen Stadionbesuchern in den kommenden Wochen ein Alternativangebot persönlich und individuell vorgestellt wird. Dabei werden die bis Ende der Umtauschfrist nicht in Anspruch genommene Plätze in den Unterrängen auf der West- und Osttribüne zunächst ausschließlich den, von der vorstehenden Umbaumaßnahme betroffenen Zuschauern angeboten.
Auf der Osttribüne ist aus Sicherheitsgründen eine kleine Baumaßnahme vorzunehmen, die zu einem Wegfall einiger weniger Plätze führt. Auch hier werden den Dauerkarteninhabern in den nächsten Wochen alternative Plätze angeboten."
Auch auf Nachfrage war der Verein nicht zu weiteren Statements bereit.
Was die Kündigung ihrer Dauerkarte betrifft, da macht sich Ingeborg Neumann keine Illusionen: "Juristisch ist das wasserdicht, das weiß ich auch." Das Verhalten des Vereins findet sie aber peinlich und unsensibel."Das hat doch was mit Image zu tun, ich möchte hier nicht den Bayernweg gehen." - und meint damit die Umwandlung der Dauerkartenplätze in die "Stammtischebene", wie der BVB das nennt. "Das sind schöne Plätze für die Oligarchen", die obendrein gerne mal noch vor Beginn der Pause essen gehen und verspätet wieder zurück kommen und so den ganzen Ablauf stören.
Im Juni soll es persönliche Gepräche mit den gekündigten Dauerkartenbesitzern geben: "Ich warte erst mal ab, was die mir anbieten", sagt Ingeborg Neumann. Über 700 Euro zahlt sie für ihre Dauerkarte, "das ist für mich eine Menge Geld." Doch das BVB-Motto "Echte Liebe", das passt nicht mehr, sagt sie: "Echte Liebe sieht anders aus."
KOMMENTAR:
Echtes Eigentor
Der BVB pflegt das Image eines Traditionsvereins mit Arbeiter-Stallgeruch. „Echte Liebe“ und „Ohne euch kein wir“ wird gern zitiert. Und tatsächlich verfügt der Verein ja über einige Bausteine, die andere gerne hätten: Eine erstklassige und sympathische Mannschaft, einen beliebten Trainer, ein wunderschönes Stadion und treue Fans.
Warum ausgerechnet diese allertreuesten Fans, nämlich die Dauerkartenbesitzer, vom BVB derart instinktlos vergrätzt werden, ist unverständlich.
Vielleicht liegt es daran, dass im organisatorischen Mittelbau des Vereins ein Erfolg verwaltet wird, an dem man selbst in seiner Mediokrität keinen Anteil hat? Fans und Insider kennen viele Geschichten, die eine Überheblichkeit im Umgang mit den Fans illustrieren, die man sonst eher im Süden der Republik verortet hätte.
Dass die Dauerkartenbesitzer, die nun ihren Platz räumen müssen, das ausgerechnet vor dem Finalspiel und nach dem Ende der Saison erfahren, grenzt schon an Dummheit, denn im fußball-leeren Raum dieser Tage hallt das nach.
Über die Umwandlung der Sitzplätze in ein hochpreisiges Angebot kann man diskutieren, doch die Art und Weise wie man damit umgeht, ist enttäuschend. In München ist man schon einen Schritt weiter: 5000 Dauerkartenbesitzer wurden dort angeschrieben, weil sie nicht oft genug im Stadion waren. Ist das die Zukunft in Dortmund?
Autor:Lokalkompass Dortmund-City aus Dortmund-City |
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