Interview mit Danielle Schneider - erste Schaustellerin im Bildungsgang „Abitur-Online für beruflich Reisende“ des Westfalen-Kollegs
Seit 2009 gibt es für beruflich Reisende bzw. deren Kinder am Westfalen-Kolleg die Möglichkeit, in einem besonderen Format des Bildungsgangs Abitur-Online die allgemeine Hochschul-reife zu erwerben. 2012 und 2015 gab es jeweils zwei bzw. drei Absolventinnen, die jedoch alle Zirkusartistinnen waren. Mit Danielle Schneider - die inzwischen mit ihrem eigenen Geschäft „pirates adventure“ in ganz Deutschland unterwegs ist - hat erstmals eine Schaustellerin ihr Abitur am Westfalen-Kolleg erlangt. Im Interview erzählt Sie von ihrem damaligen Entschluss, die allgemeine Hochschulreife zu erlangen und ihren Erfahrungen während ihrer dreijährigen Schulzeit am Westfalen-Kolleg.
Warum haben Sie sich dazu entschlossen, das Abitur zu machen?
Als ich damals mit 16 Jahren meinen Realschulabschluss erreicht hatte, war ich mir nicht sicher, ob ich gleich in den Betrieb meiner Eltern mit einsteigen sollte. Ich fühlte mich noch zu jung, um schon komplett mit der Schule aufzuhören; wollte aber auch nicht das ganze Jahr über getrennt von meiner Familie sein, um mein Abitur zu machen. Trotzdem war und ist es für mich auch einfach wichtig, dass ich mir alle Türen offen halte, eben weil ich immer so unentschlossen war, was meine Zukunft angeht. Ich wollte nie etwas versäumen oder bereuen. Auch die Tatsache, dass in unserem Berufsfeld eine Weiterbildung in vielen Bereichen sehr hilfreich sein kann und eigentlich auch mittlerweile manchmal benötigt wird, bestärkte mich in meinem Vorhaben, das Abitur zu erlangen.
Sie haben sich für den Bildungsgang „Abitur online für beruflich Reisende“ des Westfalen-Kollegs Dortmund entschieden, um Ihr Abitur zu erlangen. Wie ist der Bildungsgang aufgebaut, wie sah Ihr „Schulalltag“ dort aus?
Ich besuchte das Westfalen-Kolleg in Dortmund jeden zweiten Montag. An diesen Präsenztagen hatte ich dann von zehn bis neunzehn Uhr Unterricht, in dem wir Themen besprochen haben, die nicht selbstständig oder übers Internet nur schwierig zu erlernen waren. Der persönliche Kontakt war hier sehr hilfreich. Die restlichen Tage arbeitete ich in einer internetbasierten Lernplattform bzw. einem virtuellen Klassenzimmer, das wie ein normales Klassenzimmer aufgebaut war: Es gab verschiedene Kursräume, in denen Unterricht digital stattfand und meine Lehrerinnen und Lehrer auch Aufgaben für mich eingestellt hatten. Außerdem waren sie rund um die Uhr erreichbar und man konnte sich bei Problemen oder Fragen immer bei ihnen melden.
Gab es Schwierigkeiten, die Herausforderungen in der Schule und im elterlichen Betrieb gleichzeitig zu meistern?
Es erforderte natürlich ein gutes Zeitmanagement: Wann habe ich Zeit für die Arbeit über die Lernplattform? Wann kann ich für die Klausuren lernen? Welche Dinge stehen im Betrieb an? Wie komme ich an den Präsenztagen von unserem aktuellen Platz am schnellsten nach Dortmund?...
Neben dem hohen Koordinierungsaufwand ergaben sich aber auch mehr Freiheiten. Ich konnte selbst entscheiden, wann ich was erledige. Meine Zeit konnte ich so effizienter nutzen und insbesondere sicherstellen, alles unter einen Hut zu bekommen und möglichst nichts zu vernachläs-sigen. Ein wenig Freizeit blieb so auch noch übrig.
Wie bewerten Sie rückblickend Ihre Entscheidung, das Abitur in dieser besonderen Form erlangt zu haben?
Wenn man die Zeit nicht ohne die Familie verbringen möchte, Weiterbildung und -entwicklung aber einem wichtig ist, dann ist dieses „Abitur-online für beruflich Reisende“ sicherlich eine der besten Lösungen. Es ist natürlich eine Zeit, in der man ab und zu an seine Grenzen stößt, mitunter Selbstzweifel entwickelt und sich oftmals auch wirklich dazu zwingen muss, sich an den Laptop zu setzen, um etwas zu tun und auch die Anreisen an den Präsenztagen sind gerade bei mir, da wir überregional reisen, nicht immer lustig gewesen. Durch den häufigen Austausch bzw. Kontakt mit den Lehrerinnen und Lehrern blieb man aber immer „am Ball“, so dass ich glaube, sehr gut auf die Abiturprüfung vorbereitet gewesen zu sein. Trotz der dreijährigen Schulzeit - verbunden mit gewissen Einschränkungen wie der wenigen Freizeit - ist die Zeit allerdings schnell vergangen und ich habe auch für mich - neben dem Fachlichen - sehr viel mitgenommen. Die damalige Entscheidung bereue ich absolut nicht: Ich weiß, dass mir nun alle Wege offen stehen.
Das Westfalen-Kolleg Dortmund ist eine Schule des Zweiten Bildungsweges. Das „Abitur nachholen“ kann man hier zwei Mal im Jahr, zum Sommertermin (gemeinsam mit den Gymnasien) und zum Wintertermin, zu dem nur an Weiterbildungskollegs das Abitur erlangt werden kann. Zum nächsten Semesterbeginn am 1. Februar 2017 sind sowohl in den Bildungsgängen „Kolleg“ und „Abendgymnasium“ als auch in „Abitur-Online“ noch Plätze frei. Informationen finden Sie unter: www.westfalenkolleg-dortmund.de oder 0231/139050.
Autor:Clemens Brust aus Dortmund-City |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.