Frühstart ins Leben
![Nur eineinhalb Kilo leicht war Mia bei ihrer Geburt vor fast drei Jahren. | Foto: Schmitz](https://media04.lokalkompass.de/article/2013/01/04/1/3439041_L.jpg?1541306677)
- Nur eineinhalb Kilo leicht war Mia bei ihrer Geburt vor fast drei Jahren.
- Foto: Schmitz
- hochgeladen von Antje Geiß
Etwa einhundert Kinder kommen pro Jahr im Dortmunder Klinikum zu früh auf die Welt - mit einem Geburtsgewicht von weniger als 1500 Gramm. Zum Vergleich: ein normalgewichtiges Baby bringt bei der Geburt etwa 3000 bis 4000 Gramm auf die Waage.
Auch die fast dreijährige Mia ist solch ein Frühchen. Bei ihrer Geburt am 21. März 2010 wog sie 1230 Gramm und war 39 Zentimeter groß. Zehn Wochen kam sie zu früh auf die Welt, der Grund für den vorzeitigen Notkaiserschnitt im Klinikum war eine Schwangerschaftsvergiftung ihrer Mutter.
"Bis zur 25. Woche war es eine ganz normale Schwangerschaft,", erzählt Daniela Beckmann. "Dann bekam ich Wassereinlagerungen in den Händen und Füßen, konnte keine Schuhe, keine Socken mehr anziehen. Der Blutdruck stieg immer weiter, schließlich musste ich ins Krankenhaus." Vor dem errechneten Geburtstermin musste Mia schließlich per Kaiserschnitt geholt werden. Es folgte die Versorgung für Frühchen: Inkubator, Wärmebett. Mia bekam eine Magensonde, über die ihr Medikamente zugeführt wurden.
Daniela Beckmann hat die erste Phase danach gar nicht richtig mitbekommen: "Mir fehlen 22 Stunden nach der Geburt, das ist wie ein Filmriss." Mias Vater, Rainer Beckmann, erinnert sich an die Situation nach der Geburt: "Das Gefühl kann man gar nicht beschreiben, es war erschütternd. In dem Raum im Klinikum lagen ja mehrere Früchchen auch ganz kleine, man wusste gar nicht, welches ist unseres? Man kämpft, und irgendwann fragt man sich, ob das Kind überhaupt überleben kann, weil das so winzig war. Meine Frau wollte unsere Tochter sehen, aber sie war von der Geburt völlig erschöpft, und ich war mir nicht sicher, ob sie das überhaupt psychisch schafft."
Nach fünf Tagen konnten die Eltern Mia das erste Mal auf dem Arm halten. "Ich wusste, dass Mia eine Kämpferin ist", erklärt der Vater, und Mutter Daniela ergänzt: "Das merkt man ihr heute noch an, sie will immer mit dem Kopf durch die Wand."
Nach der Geburt musste Mia noch mehrere Wochen im Krankenhaus bleiben. Dreimal am Tag fährt Daniela Beckmann ins Krankenhaus, bis die Schwestern irgendwann sagen: Bleiben Sie zu Hause, ruhen sie sich mal richtig aus, dem Kind geht es ja soweit gut."
Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus folgten viele Untersuchungen, die Entwicklung des Frühchens wurde engmaschig überwacht. Mit der Zeit zeigte sich, dass Mia entwicklunsgverzögert ist. "Sie spricht nicht viel, auch das Laufen hat sie erst mit 18 Monaten gelernt", erklärt Daniela Beckmann.
Mia bekommt Frühförderung, geht regelmäßig zur Sprachtherapie und zum Logopäden. Nach einem Entwicklungstest zum zweiten Geburtstag hatte sich herausgestellt, dass Mia schlecht hört, nach der Entfernung von Polypen und dem Einsetzen eines Paukenröhrchens ins Trommelfell hat sich das gebessert, Mia spricht jetzt besser, weil sie besser hören kann. Sie muss eine Brille tragen. Weil sie schielt, muss ein Auge immer wieder abgeklebt werden.
Mittlerweile ist Mia selbst eine große Schwester, 16 Monate nach ihrer Geburt kam Schwesterchen Lotta auf die Welt, zwar per Kaiserschnitt, aber ansonsten gesund.
Nun bestimmen Termine den Alltag der Familie: Einmal in der Woche Krabbelgruppe, einmal wöchentlich Spielgruppe für Mia allein, dazwischen Kontroll- und Vorsorgeuntersuchungen. Auch der Besuch im Frühchencafé des Kliniums gehört für Daniel Beckmann zum Standardprogramm. "Das Klinkum hat uns kontinuierlich betreut, die ganze Familie ist begeistert von der Betreuung" erklärt Mias Mutter.
Zweimal musste Mia im Krankenhaus stationär behandelt werden, hatte eine schwere Bronchitis uund einen Fieberinfekt, doch nach der Operation an den Ohren hat sie einen mächtigen Schub getan: "Sie fährt jetzt Laufrad und wächst auch recht schnell, die Größe ist jetzt durchschnittlich. Beim Kinderarzt lässt sie sich ohne Widerstand wiegen, das war vorher immer ein großes Drama."
Doch alles, was sie jetzt neu lernt, verarbeitet sie nachts, mit der Folge, dass sie unruhig träumt und oft nachts wach wird, erklärt die Mutter. Die Eltern hoffen, dass Mia ihren Entwicklungsrückstand irgendwann nachgeholt hat: " Ab dem Sommer geht Mia in einen speziellen heilpädagogischen Kindergarten, dort werden alle Therapien fortgeführt. Mia bekommt alles an Unterstützung, was sie braucht. Wir hoffen, dass sie später in eine ganz normale Grundschule gehen kann."
Die kleine Schwester Lotta entwickelt sich ganz normal, beim Spiele zeigen sich die Unterschiede zwischen den beiden Kindern: Während Lotta schon mit Ausdauer spielt, fällt Mia das noch schwer. Sie kann sich nicht lange auf ein Spiel konzentrieren.
Für die Familie insgesamt ist es eine schwierige Situation: "Im Anfang war Mia sehr im Vordergrund, es war viel Zeitaufwand, da kam Lotta oft zu kurz", erinnert sich Vater Rainer Beckmann. Unterstützung für die Eltern kommt auch vom Klinikum, doch Mitter Daniela hat die ganze Geschichte noch nicht verarbeitet. "Man macht sich Vorwürfe, obwohl man ja gar nichts dafür kann", erzählt sie. Um das zu bewältigen, hält sie Kontakt zu anderen frühchen-Müttern und ist aktiv in einem Internet-Forum zu Thema.
Eine weitere Herausforderung für die Eltern ist die richtige Erziehung - nicht überfordern, aber auch nicht zu behütend: Mia darf viele Sachen ausprobieren. "Man macht sich zu viele Sorgen um das Kind, die sind manchmal unbegründet", erklärt die Mutter. Als Mia mit dem Klettern anfing, war Mutter Daniela ängstlicher als Mias Vater, der seine Tochter eher ihre eigenen Erfahrungen machen lässt. Vor Mia und ihrer Familie liegt noch ein langer Weg - mit einer guten Prognose.
Näheres über die Elterninitiative Frühchen e.V. unterTel: 0231- 5630110 oder auf Frühchen Dortmund
Autor:Lokalkompass Dortmund-City aus Dortmund-City |
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