Der Obmann der Nordstadt im Interview
![Pensionierter Pfarrer und Nordstadt-Kind Ubbo de Boer ist seit Januar als Obmann der Ansprechpartner für alle Menschen aus der Nordstadt. | Foto: Schmitz](https://media04.lokalkompass.de/article/2014/02/14/1/5181381_L.jpg?1559939771)
- Pensionierter Pfarrer und Nordstadt-Kind Ubbo de Boer ist seit Januar als Obmann der Ansprechpartner für alle Menschen aus der Nordstadt.
- Foto: Schmitz
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Mit dem Obmann hat Oberbürgermeister Ullrich Sierau ein neues Ehrenamt zur Vermittlung zwischen Bürgern, Politik und Verwaltung geschaffen. Seit Jahresanfang kümmert sich der ehemalige Pfarrer Ubbo de Boer um die Belange der Bürger in der Nordstadt. Mit Steffen Korthals vom Stadt-Anzeiger Dortmund spricht er über seine Aufgabe, Geschichte und die Sorgen der Bürger.
Herr de Boer, seit 46 Tagen sind Sie im Amt. Aber was ist eigentlich ein Obmann?
Ubbo de Boer: Der Begriff des Obmanns stammt aus der Gewerkschaftsbewegung und war die ehemalige Bezeichnung für die Vertrauensleute im Betrieb. Gerade in der Nordstadt haben sich so viele Probleme angesammelt, dass 2013 in einer Bürgerbefragung der Wunsch nach einem Ansprechpartner zwischen den Bewohnern und der Stadt aufkam. Seit Januar agiere ich in dem neuen Amt – parteiunabhängig und weisungsungebunden.
Was reizt Sie an der Nordstadt?
de Boer: Die Menschen. Ich bin in der Nordstadt verwurzelt und möchte seinen Bewohnern nahe sein. Mein Großvater ist 1908 mit der Familie aus Friesland an den Nordmarkt gekommen und ich habe als Kind alle Geschichten gehört, von der Gründung des BVB oder des Nordmarktes. Mein Vater hat auf der Westfalenhütte gearbeitet und zusammen mit meiner Mutter haben wir ihn mit der Lohntüte am Werkstor freitags abgeholt. Im Freibad Stockheide habe ich schwimmen gelernt, habe als Kind auf der Klönnestraße und im Hoeschpark Fußball gespielt.
Beruflich waren Sie dem Norden auch verbunden?
de Boer: Ja, mein Leben lang. Nach meinem Theologiestudium an der Ruhr-Universität Bochum war ich von 1979 bis 1981 Vikar in der Markus Gemeinde. Die Leute im Dortmunder Norden kannten mich noch als Kind aus dem Viertel, so dass die Bindung zu den Gemeindemitgliedern recht eng war. Dort wurde ich dann auch recht früh mit Problemen rund um Integration und Arbeitslosigkeit konfrontiert. Von 1981 bis 2004 war ich dann Pfarrer in Hörde und mir wurde bewusst, dass die Missstände auch dort sehr präsent sind. Hörde ist der Norden des Dortmunder Südens.
Arbeitslosigkeit und Integration machte ich zu meinem Thema, denn für mich gehören Kirche und Soziales generell zusammen. Mehr noch: Die Kirche hat Verantwortung über das Seelsorgerische hinaus. Das schließt auch die Strukturen ein, in denen die Menschen leben. Ich möchte etwas für die Stadt und die Menschen tun.
Was sind die wichtigsten Themen mit denen die Bürger zu Ihnen als Obmann kommen?
de Boer: Ganz oben stehen die Integrationsproblematik in der Nordstadt und der Drogenhandel auf der Straße. Die Arbeitslosigkeit trifft viele Nordstädter hart. Die Wohnungen und die Situation von Jugendlichen ist ebenfalls problematisch. Aber auch Senioren, die in der Nordstadt bleiben wollen, haben es schwer eine geeignete Wohnung zu finden. Auf der anderen Seite klagen Vermieter, dass sie hier ihre Wohnungen aufgrund des schlechten Stadtteilimages nicht belegt bekommen. Viele Bewohner sind verschuldet. Viele fragen auch, was die Ordnungskräfte zur Entspannung der Situation auf den Straßen leisten können.
Was passiert mit den an Sie herangetragenen Problemen?
de Boer: Ich trage die Meinungen weiter in die politischen Gremien oder in die interne Verwaltungsrunde der Stadt. Es geht darum, dass die Bürger ihre Meinung äußern können. Das entspricht meinem Verständnis eines demokratischen Gemeinwesens. Ich versuche alle Seiten zu berücksichtigen. So war ich schon immer ein Befürworter für Religionsfreiheit und für den Bau von Moscheen und bin auch Ehrenmitglied der muslimischen Gemeinde Hörde. Von den Rechten bin wegen meiner Haltung mehrfach angegriffen worden.
Ihre Vermittlung führt dann auch zu konkreten Maßnahmen?
de Boer: Das versuche ich zumindest anzuleiten. Einige neue Projekte entstehen gerade, vor allem im Bereich der Integration und Kommunikation.
Sie übernehmen auch außerhalb Ihrer Obmannfunktion soziale Verantwortung?
de Boer: 1983 habe ich das Arbeitslosenzentrum an der Leopoldstraße mitbegründet und 1985 das Werk- und Begegnungszentrum Hörde, mit dem wir eines der ersten Integrationsfeste gefeiert haben, und das mit Symbolcharakter auf der Hörder Brücke. Nachdem ich als Pfarrer 2004 in den Ruhestand gegangen bin, wollte auch mal etwas anderes machen. Mit einer Zusatzausbildung im Sozialmanagement bin ich schließlich Verwaltungsdirektor und Geschäftsführer der Diakonischen Dienste Dortmund und der Evangelischen Krankenhaus GmbH geworden. Außerdem engagiere ich mich im Vorstand der Auslandsgesellschaft und halte einmal pro Monat den Gottesdienst für einen Kollegen in Iserlohn-Oestrich. Der Norden hat mich aber nie losgelassen.
Sprechstunden mit dem Obmann
finden dienstags und donnerstags von 9 bis 12.30 Uhr in der Auslandsgesellschaft, Steinstraße 48, statt
Vorstellung der Aufgaben des Obmanns und Diskussion am Montag, 17. Februar, von 18 bis 20 Uhr, im Pauluszentrum, Kirchenstraße 25, und am 24. Februar von 18 bis 20 Uhr im Quartiesmanagement Borsigplatz, Borsigplatz 1.
Projekte
Deutschsprachkurs für erwachsene Ausländer im Büro Quartiersmanagement Borsigplatz: keine Kosten für Teilnehmer, praktische Lerninhalte, keine Zugangsbeschränkungen.
Unterstützung der Zusammenarbeit von Auslandsgesellschaft und Wohnungsgesellschaften, die Sprachkurse für ausländische Mieter anbieten.
Sprachvermittlung direkt in den Familien bei alltäglichen Sachen, wie Einkaufen, Lesen, Film.
Zur Person:
Geboren 1955, in der Nordstadt aufgewachsen.
Verheiratet, vier Kinder und drei Enkelkinder.
Wohnhaft in Hörde.
Hobbys: Radfahren, Lesen und Marathonlauf.
Der Name Ubbo kommt aus dem Friesischen.
![Pensionierter Pfarrer und Nordstadt-Kind Ubbo de Boer ist seit Januar als Obmann der Ansprechpartner für alle Menschen aus der Nordstadt. | Foto: Schmitz](https://media04.lokalkompass.de/article/2014/02/14/1/5181381_L.jpg?1559939771)
![Hörde ist der Norden des Dortmunder Südens“, sagt
Ubbo de Boer. | Foto: Schmitz](https://media04.lokalkompass.de/article/2014/02/14/4/5181384_L.jpg?1564159747)
Autor:Antje Geiß aus Dortmund-City |
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