Alles auf Anfang - die Internationale Klasse am Stadtgymnasium

Monika Baumann leitet die Internationale Klasse seit Februar 2015, Henry Brodersen ist in diesem Februar dazugekommen.
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Rund zwei Jahre vor ihrer Pensionierung hat Monika Baumann noch einmal Neuland betreten. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Henry Brodersen unterrichtet die Lehrerin die Internationale Klasse des Stadtgymnasiums.

Seit Februar 2015 gibt es diese Klasse an Stadtgymnasium, dort lernen Kinder und Jugendliche aus den verschiedensten Ländern und mit unterschiedlichen Lebensgeschichten zunächst einmal Deutsch und Englisch. Fächer wie Geschichte, Politik und Gesellschaftskunde fließen in den Unterricht mit ein.

"Natürlich geht es im Fach Politik auch um Aspekte wie Grundrechte oder das politische System in Deutschland und in der EU", erklärt Monika Baumann. "Da gibt es natürlich unterschiedliche Ansichten, doch das wird kontrovers diskutiert", ergänzt Henry Brodersen. "Die Lernbereitschaft dazu ist bei den Schülern vorhanden."

Ganz verschiedene Ansichten und auch Lebensgeschichten treffen hier aufeinander. Das sind zum einen die KInder aus EU-Ländern, die im Rahmen der Freizügigkeit nach Deutschland gekommen sind, wie zum Beispiel die 16-jährige Vivien Magyar aus Ungarn. Im August 2014 ist sie von Budapest zunächst nach Willingen gezogen, kein kleiner Kulturschock: "Willingen, das ist nur eine Straße." - ganz anders als Budapest. Ihre Mutter hatte in Deutschland eine Arbeit gefunden, der Onkel lebte bereits hier. "Ich hab mich nicht so gefreut", gibt Vivien zu. Aber: "Man kann hier leben, nicht nur überleben." Ihr Berufswunsch:"Ich möchte ein duales Studium machen und Flugbegleiterin werden."

Schon sehr anders ist das Leben von Yaseen Haidar verlaufen: Seine Familie stammt ursprünglich aus dem syrischen Aleppo. Der Vater war dort Richter, die Mutter Französischlehrerin. Bereits vor vier Jahren flüchtete die Familie vor dem Krieg, ging zunächst in den Sudan, dann nach Ägypten. Vor eineinhalb Jahren kam Yaseen nach Deutschland.

"Familie, Freunde, Zukunft, alles haben wir verloren" erklärt der 18-jährige in fließendem Deutsch. "Alle paar Wochen kommen schlechte Nachrichten aus Syrien" - dann ist von der Familie wieder jemand ums Leben gekommen. Seine Erfahrungen auf der Flucht und von einer Jugend in einem Kriegsgebiet hat Yaseen in einem Video verarbeitet, im Stadtgymnasium hat er bereits eine Vortrag über die Hintergründe und die politische Situation in Syrien gehalten.

Er träumt von einer "Strahlenden Zukunft", obwohl sein Traum, Medizin zu studieren, hier in Deutschland deutlich weiter weg gerückt ist als in Syrien: "Ich brauche gute Noten und muss besser Deutsch lernen, das ist schwer zu erreichen."

Auch Lana Sulaiman kommt aus Syrien, sie stammt aus der Stadt Qamschlo. Seit fast zwei Jahren ist die 13-Jährige mit ihrer Familie in Deutschland. "Wir sind hier alle glücklich", erklärt sie. Zunächst hatte sie hier die Hauptschule besucht, jetzt geht sie aufs Gymnasium. Über ihren Berufswunsch muss sie nicht nachdenken: "Apothekerin will ich werden", anwortet sie ohne zu zögern. "Und noch einmal Syrien besuchen, um zu sehen, ob es meinen Freunden dort gut geht."

"Meine Mutter hat in Kabul in einem Frauenkrankenhaus gearbeitet, das hat den Taliban nicht gefallen", erklärt der 14-jährige Haris Majid. Frauen, die arbeiten - dafür gab es Druck und Drohungen für die Familie. Über Dubai und die Türkei kam die Familie vor zwei Jahren nach Deutschland. "Hier bin ich in Sicherheit", erklärt Haris. Auch sein Berufswunsch ist ganz klar: "Ich möchte Rechtsanwalt werden, Jura studieren."

Alle vier werden nach den Ferien erfahren, ob sie den Regelunterricht am Stadtgymnasium weiter besuchen können, denn das ist für alle das Ziel: Zum Gymnasium zu gehen und das Abitur zu machen. Entschieden wird das von den übergeordneten Behörden in Köln. Drei Schüler haben das bisher geschafft.

"Ganz zu Anfang haben wir mit Englisch begonnen", erinnert sich Monika Baumann. "Die Schüler haben sich untereinander sehr viel geholfen." Auch moderne Technologie wird eingesetzt: "Wir benutzen viel Online-Übersetzungshilfen, und der Unterricht wird mit Hilfe einer WhatsApp-Gruppe organisiert: " Zum Beispiel wird die Tafel fotografiert und das Foto und die Infos zur Arbeit weitergeleitet."

Wer auf Deutsch fit genug ist, kann den Regelunterricht in verschiedenen Fächern besuchen, zum Beispiel Sport, Englisch, Mathe, aber auch Bio oder Physik." In der Grammatik sind die internationalen Schüler mittlerweile so gut, dass sie die deutschen Schüler berichtigen:" Da ist schon einigen aufgefallen, wie falsch unsere Schüler zum Teil umgangssprachlich sprechen", schmunzelt Monika Baumann.

"Wir haben in der Internationalen Klasse mehr Freiraum für Systemgrammatik", erklärt Monika Baumann. "Ziel ist es, die Schüler in den normalen Unterricht zu integrieren, sie sollen in der Lage sein, zu sprechen und auch Texte zu schreiben." Dabei müssen sch die Schüler auch an ganz andere Unterrichtsformen gewöhnen: "Gruppenarbeit zum Beispiel war für viele sehr ungewohnt."

Insgesamt sind die Schüler der Internationalen Klasse nicht nur sehr wissbegierig und lernbereit: "Beim letzten Tag der Offenen Tür haben unsere Schüler einen ganzen Raum komplett selbständig gestaltet. Sie haben Plakate gemalt, Infos über ihre Länder zusammengestellt und Essen mitgebracht. Wenn man diese Kultur des Engagements weiter pflegt, dann bleibt das auch so", ist Henry Brodersen überzeugt.

Infos:

21 Schülerinnen und Schüler besuchen die internationale Klasse am Stadtgymnasium

Die Fluktuation ist gering

Die Schüler sind 25 Wochenstunden im normalen Klassenverband und 14 Stunden in der Internationalen Klasse

Infos und Hilfen für die Lehrer gibt es sowohl von der Stadt als auch von der Bezirksregierung

Schüler aus den höheren Regelklassen helfen den Schülern freiwillig, zum Beispiel bei Hausaufgaben und bei der Kontrolle des Sprachbildes

Zitate:

"Das war kein Leben in Syrien, das war nur Warten auf den Tod", Yaseen Haidar

"Die Bereitschaft der Schüler sich zu integrieren, ist sehr hoch", Henry Brodersen

Autor:

Lokalkompass Dortmund-City aus Dortmund-City

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