Zu viele Kaiserschnitte in Dortmund?
Für den Deutschen Hebammenverband (DHV) ist die Rate der Kaiserschnitte in Deutschland erheblich zu hoch: Zwar ist sie im Jahr 2015 leicht gesunken von 31,8 auf 31,1 Prozent. Fast jedes dritte Kind kommt aber mittlerweile per Kaiserschnitt auf die Welt.
Als medizinisch notwendig sieht die Weltgesundheitsorganisation WHO aber eine Kaiserschnittrate von bis zu zehn Prozent. Gründe für die mittlerweile häufigen Interventionen in der Geburtshilfe in Deutschland sieht der Verband in der zunehmenden Arbeitsbelastung bei immer weniger Personal in den Kreißsälen, in einem Verlust von Wissen über die normale Geburt sowie in steigender Angst vor Fehlern.
Hebammen zum Kaiserschnitt
„Die Kaiserschnittrate in Deutschland ist zu hoch und muss gesenkt werden“, so Susanne Steppat, Präsidiumsmitglied des Deutschen Hebammenverbands.. Hierfür gibt es vielfältige Gründe. „In den Kreißsälen ist oft zu wenig Personal, um sich intensiv um jede Gebärende kümmern zu können. Mittlerweile gibt es auch zu wenig Wissen über die unterschiedlichen Verläufe einer normalen Geburt. Heute wird häufig schon bei der kleinsten Abweichung von Gynäkologinnen und Gynäkologen eingegriffen“, so Susanne Steppat.
Offenbar fehlen gültige Standards, wann ein Kaiserschnitt geboten ist. Die Entscheidung über seine Notwendigkeit ist deshalb in vielen Fällen subjektiv. Sie erfolge auch aus Angst des mdeizinischen Personals vor Fehlern und folgenden Geburtsschäden, folgert der DHV.
Kaiserschnitte können Leben retten. Sie sollten jedoch nur im Notfall angewendet werden, da sie Risiken für die Gesundheit von Mutter und Kind haben. Die Mütter müssen mit allen Risiken eines chirurgsichen Eingriffs wie Infektion,Thrombose oder gestörter Wundheilung rechnen, für die Kinder besteht ein erhöhtes Risiko für Asthma, Diabetes und Allergien. Woher diese Risiken kommen, ist bisher noch nicht genügend erforscht.
Wunsch-Kaiserschnitte mit medizinischer Indikation sind allerdings in Deutschland recht selten: Sie liegen bei nur etwa 2 Prozent. Die Bundesregierung führt als Gründe für die steigende Kaiserschnittquote einen wachsenden Anteil von Risikoschwangerschaften unter den Schwangeren sowie einer veränderter Nutzen-Risiko-Bewertungen im Einzelfall aufgrund veränderter Operations- und Narkosetechniken an. Der Anteil der Risikoschwangerschaften unter allen Schwangerschaften stieg von 2001 bis 2010 von 68,5 auf 73,4 Prozent.
Rate am Klinikum
Das Dortmunder Klinikum hat mit seiner großen gynäkologischen und neonatologischen Station viele Geburten im Jahr. Pressesprecher Marc Raschke sagt zu den Kaiserschnittzahlen:
"Bezüglich der Kaiserschnitt-Zahlen liegen wir über dem NRW-Trend. Konkrete Zahlen veröffentlichen wir aus einem einfachen Grund nicht: Die Zahl an sich lässt keinen Rückschluss darauf zu, wie sie entsteht. Vor allem, wenn sie zum Beispiel mit einem Krankenhaus 'auf der grünen Wiese' verglichen wird. Denn in unser Klinikum der Maximalversorgung kommen viele Hochrisiko-Schwangere, um hier ihr Kind zu bekommen; wir haben unter anderem eine der größten Neonatologie-Stationen in Deutschland, also im Ernstfall die geballte Kompetenz in Sachen Frühchen-Medizin, und das sowohl auf geburtshilflicher Seite als auch bei den Kinderärzten. Und Frühchen werden in der Regel immer per Kaiserschnitt geholt.Deshalb 'ziehen' wir natürlich auch überdurchschnittlich viele Mütter an, die in die Gruppe der Risiko-Schwangeren fallen. Das muss nicht immer bedeuten, dass sie ein Frühchen zur Welt bringen. Wir versuchen natürlich trotzdem alles, um das Kind möglichst lange im Mutterleib zu belassen, denn trotz aller Fortschritte in der Behandlung von Frühchen ist der Mutterleib immer noch der beste Inkubator. Aber selbst, wenn die Kinder nicht als 'klassisches Frühchen' bei Risiko-Schwangeren zur Welt kommen, so sind sie meist doch per Kaiserschnitt zu holen. Deshalb haben wir eine vergleichsweise hohe Kaiserschnittrate."
Geplante Kaiserschnitte und Notfall-OPs
Der Fernsehsender n-tv berichtete 2015: "Die Krankenhäuser in Deutschland rechnen ihre Kaiserschnitt-Geburten immer häufiger als teure Notfall-OP ab, die günstigeren geplanten Eingriffe werden dagegen seltener. Das zeigt eine Auswertung von Routinedaten der Techniker Krankenkasse."
Von 2005 bis 2008 hätten sich ungeplante und geplante Kaiserschnitte noch die Waage gehalten, so die TK. 2009 öffnete sich die Schere - genau zu dem Zeitpunkt, als bekannt wurde, dass Kliniken für einen Notfall-Kaiserschnitt einen höheren Preis abrechnen können als für einen geplanten Kaiserschnitt.
2014 lag demnach das Verhältnis von ungeplanten zu geplanten Kaiserschnitten bereits bei 56 zu 44 Prozent.. Eine ungeplante Kaiserschnitt-Geburt kann mit fast 3400 Euro abgerechnet werden, eine geplante OP dagegen mit rund 2700 Euro. Vor der Neuregelung 2009 hatten die gesetzlichen Krankenkassen einen Kaiserschnitt einheitlich vergütet.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamts lag die Kaiserschnittrate 2014 bundesweit bei rund 31,8 Prozent, im Jahr 2000 waren es noch 21,5 Prozent.
Autor:Lokalkompass Dortmund-City aus Dortmund-City |
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