Lernen Kinder das Richtige? Gymnasien und ihre Unterrichtsinhalte sind in der Diskussion - auch an Dortmunder Schulen

"Schule geht im Elternhaus weiter", meint Werner Vollmer, der erste Vorsitzende der Dortmunder Stadteltern. | Foto: Archivfoto
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  • "Schule geht im Elternhaus weiter", meint Werner Vollmer, der erste Vorsitzende der Dortmunder Stadteltern.
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Was denken Schulleiter und Eltern an Dortmunder Gymnasien über die durch eine Schülerin ausgelöste Debatte, ob Jugendliche in der Schule das Richtige lernen?

Hintergrund der Debatte ist der Tweet einer 17-jährigen Gymnasiastin aus Köln, dass sie zwar durch Schulunterrichtsinhalte eine Gedichtsanalyse in vier Sprachen schreiben könne, aber keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherung habe. Sie hat eine Diskussion um das Lernen am Gymnasien und die schulische Vermittlung von Alltagstauglichkeit ausgelöst.
Der Twitter-Beitrag von @nainablabla wurde 23 000 mal als Favorit markiert und 12 000 mal geteilt, Bundesbildungsministerin Johanna Wanka bezog Stellung, die Teenagerin wurde von der Zeitung sowie im fernsehen interviewt.

Signale aus einer komplexen Wissensgesellschaft

„Die Diskussion ist ein Zeichen für die wachsende Komplexität unserer Wissens- und Informationsgesellschaft“, meint Schulleiter Christoph Weishaupt vom Mallinckrodt-Gymnasium und ergänzt, dass „die Ansprüche an die Schulen in den letzten Jahren enorm gestiegen sind, man es aber nicht überziehen sollte.“
Dr. Dirk Bennhardt, Direktor am Helmholtz-Gymnasium, bekundet: „Natürlich ist ein Gymnasium auch für die Alltagsverträglichkeit der Schüler verantwortlich. Eine alleinige Verantwortlichkeit besteht aber nicht.“

Orientierung finden

Das weiß auch der erste Vorsitzende der Stadteltern Werner Volmer: „Wenn ich an die Kritik der Kölner Schülerin denke, dann glaube ich, dass nicht in der Schule, sondern woanders etwas schief gelaufen ist, ein Mangel besteht. Der Tweet ist doch eine recht normale Äußerung einer Jugendlichen, die sich versucht zu orientieren, die sich auch mal alleine fühlt - wie wir das alle durchgemacht haben. Da sind die Eltern und das Umfeld in der Mitverantwortung.“
Es stellt sich die Frage, wie berufsmäßig Schule überhaupt sein kann. „Der Anteil am Arbeitsleben ist in der Schule immer gering. Ein Praktikum in der zehnten Klasse ist da fast schon alles. Aber das muss auch nicht der Anspruch an Schule sein“, wirft Elternsprecher Volmer ein.
Helmholtz-Direktor Dr. Bennhardt erklärt, dass „die Lehrpläne sich in einem regelmäßigen Anpassungsprozess an die Lebenswelt der Schüler befinden, damit das Richtige gelernt wird.“

Beruf oder Studium?

Unklar in der Diskussion scheint, was denn das Richtige sei. Soll das Gymnasium eher auf Studium und Weiterbildung oder sich auf das Leben allgemein konzentrieren?
„Über dem Abizeugnis steht ‚allgemeine Hochschulreife‘, also soll es eine allgemeine Vorbereitung auf Wissensbereiche sein. Eine Spezialisierung erfolgt erst später. Was das Studium betrifft: der Großteil unserer Schüler studiert - und das sollen sie auch erfolgreich machen“, meint Weishaupt.
Der Leiter des Mallinckrodt-Gymnasiums versucht an seiner Schule den Unterricht, aus seiner Sicht, möglichst lebensnah zu gestalten: „Wir haben eine Berufswahl- und Informationsbörse, holen für Vorträge externe Spezialisten an die Schule, bemühen uns um Kompetenzen in der Erziehung zu Nachhaltigkeit, Achtsamkeit und Frieden, arbeiten in Projekten mit der FAZ und dem Initiativkreis Ruhr und machen beim Aktienplanspiel einer Bank mit.“

Neue Fächer?

In Bayern wird an den Gymnasien das Unterrichtsfach Wirtschaft unterrichtet. In NRW ist die ökonomische Ausbildung an Fächer wie Politik, Erdkunde und Geschichte gekoppelt.
„Zwar lernen die Schüler Wichtiges über Verbraucherrecht, aber ein Fach, das die Jugendlichen betriebswirtschaftlich und juristisch auf das Leben vorbereitet hätte auch der Kölner Schülerin geholfen. Wir sollten über eine Einführung des Wirtschaftfachs nachdenken“, resümiert Christoph Weishaupt.
„Aber auch Gedichtanalysen in vier Sprachen schreiben zu können, ist eine starke Kompetenz, die man in einer vernetzten Welt nicht unterbewerten sollte. Literatur, Theater, Kunst - vielleicht hat man später keine Zeit mehr im Beruf, um diese Welten kennenzulernen und hat vielleicht seine Berufung verpasst“, fügt der Direktor des Mallinckrodt-Gymnasiums hinzu.
Man solle auch den Schülern zumuten dürfen, etwas selber zu lernen, sagt Weishaupt ergänzend.

Die Eltern in der Mitverantwortung

„Auch wenn beide Elternteile berufstätig sein sollten, so spielt die Familie eine Rolle bei der Erziehung. Man muss auch lernen eine Waschmaschine bedienen zu können. Das kann nicht die Schule übernehmen“, nennt der Direktor des katholischen Gymnasiums ein Beispiel.
„Eltern sollten versuchen sich dafür zu interessieren, was ihre Kinder tun. Die Schule kann nicht alle Bereiche abdecken“, mahnt Volmer von den Stadteltern. Und schließt kritisch ab: „ Was die Alltagstauglichkeit betrifft, da bin ich mir selbst bei einigen Lehrern nicht sicher, die direkt von der Schule auf die Uni und jung wieder an die Schule zurück sind. Manche Erfahrungen muss man selber machen.“

Autor:

Steffen Korthals aus Kamen

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