Verkehrskonzept für Dortmund: Mehr Radler, Fußgänger und E-Autos

Auch an dieser Meßstelle zur Luftbelastung an der B1 nahe der Kreuzung Märkische Straße wurden die Grenzwerte oft überschritten. | Foto: Schmitz
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  • Auch an dieser Meßstelle zur Luftbelastung an der B1 nahe der Kreuzung Märkische Straße wurden die Grenzwerte oft überschritten.
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Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im Februar hat unter den Dieselfahrern für Unruhe gesorgt. Angesichts drohender Fahrverbote sind die Preise für neue und gebrauchte Dieselfahrzeuge eingebrochen.

Während die Bundesregierung als Mittel zur schnellen Senkung der Emissionen in den Städten ein Modellprojekt kostenloser ÖPNV in einigen Großstädten ins Spiel brachte, verabschiedete der Rat der Stadt Dortmund jetzt ein Verkehr- und Mobilitätskonzept, das auch im Jahr 2030 noch taugen soll.
Unterdessen verklagte die Deutsche Umwelthilfe deutsche Großstädte wegen Nichteinhaltung der Grenzwerte. Neben Dortmund sind auch Bochum, Düren und Paderborn Klage betroffen. In diesen Städten gäbe es weiterhin besonders hohe Stickstoffdioxid-Belastungen von durchschnittlich mehr als 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft, so die Umwelthilfe in der Klageschrift.

Schlechte Luft in Dortmund

15 Messstellen zur Ermittlung der -Luftbelastung gibt es in Dortmund, die dickste Luft gibt es regelmäßig an der Messstation an der Brackeler Straße. Offenbar sinkt dort auch kontinuierlich, wenn auch nur leicht, der Stickstoffdioxid-Wert.

Zur Einhaltung der Grenzwerte sind laut Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Februar 2018 beschränkte Fahrverbote für bestimmte Dieselfahrzeuge in Städten möglich. Dazu schreibt die Stadt auf ihrem Nachrichtenportal :“Auf Grundlage dieses Urteils ist davon auszugehen, dass die Bezirksregierung Arnsberg zusammen mit der Stadt Dortmund für die Brackeler Straße sowie die B1 (Rheinlanddamm und Westfalendamm) zwischen B236 und Schnettkerbrücke über Luftreinhaltepläne Maßnahmen ergreifen muss, um den Grenzwert für Stickoxid schnellstmöglich einzuhalten. Die Stadt Dortmund prüft alle Möglichkeiten, um flächendeckende Fahrverbote dennoch zu verhindern. Angesichts einer Verpflichtung zur schnellstmöglichen Einhaltung der NO-Grenzwerte erscheint dies jedoch schwierig.“

Mobilitätskonzept

Doch was kann man tun, wenn man Fahrverbote vermeiden will? Schon seit einigen Jahren erarbeitet die Verwaltung das Mobiltätskonzept 2030. Nun wurde das Konzept im Rat der Stadt und vorher in den Gremien diskutiert.

Schon dort hatte sich herauskristallisiert, dass es eine Mehrheit für den Masterplan Mobilität 2030 und damit für den Ausbau des nicht-motorisierten Nahverkehrs in Dortmund gibt.

Auf Grundlage des Ratsbeschlusses werden in den kommenden Jahren thematische Teilkonzepte konkretisiert. Den Anfang sollen im Wesentlichen drei Teilkonzepte machen, die vom begleitenden Arbeitskreis sowie von den Bezirksbürgermeistern als besonders wichtig vorgesehen sind der Fußverkehr und Barrierefreiheit, der Radverkehr sowie der ruhender Verkehr.

Stadt und Gutachter arbeiten zusätzlich an zwei Teilkonzepten, zur Elektromobilität in Dortmund und zu Mobilitätsmaßnahmen zur Luftreinhaltung. Hier bieten sich Möglichkeiten, Fördermittel für Maßnahmen zu nutzen.

Parallel dazu hat Dortmund den Wettbewerb um Fördergelder des Wirtschaftsministeriums NRW im Bereich kommunaler Klimaschutz, Sonderförderbereich Emissionsfreie Innenstadt gewonnen. Gefördert werden Anreize und Alternativen, die ein Dieselfahrverbot verhindern. Maximal 10,5 Millionen Euro könnten hier bereitgestellt werden.
Das Bundesverkehrsministerium hat als Sofortmaßnahme den betroffenen Kommunen die Möglichkeit eingeräumt, sich die Erstellung von Masterplänen fördern zu lassen. Auch die Stadt Dortmund hat einen Förderantrag gestellt und einen Förderbescheid über 100.000 Euro erhalten.

Masterplan für E-Mobilität

Der Dortmunder Masterplan soll auf den bereits vorliegenden Zielen und Ideen aufbauen. Er soll bis Ende Juli 2018 abgeschlossen werden. Der Schwerpunkt soll im Bereich der Digitalisierung und der Elektromobilität liegen.

Doch was könnte außer der Stärkung des Rad- und Fußverkehrs und der Elektromobilität noch getan werden? Und muss die Idee des kostenfreien ÖPNV schon ad acta gelegt werden? Die Grünen schreiben dazu: „Die Idee der Bundesregierung, in verschiedenen Städten im Rahmen eines Modellprojektes einen kostenfreien ÖPNV einzuführen, klingt auf den ersten Blick ganz verlockend. Aber es bleiben viele Fragen offen, die zum einen die Finanzierung betreffen, zum anderen aber auch, ob es sinnvoll ist, in einer so vernetzten Region wie dem Ruhrgebiet eine Insellösung für einzelne Modellstädte anzubieten.“

Ingrid Reuter, Fraktionssprecherin der GRÜNEN im Rat: „Die Vorstellung, gratis oder zumindest deutlich preiswerter mit Bussen und Bahnen durch die Stadt zu kommen, ist verlockend. Angesichts der weiterhin viel zu hohen Luftbelastungen in Dortmund sollten auch hier unkonventionelle Ideen durchdacht und geprüft werden, denn mehr Fahrgäste in Bussen und Bahnen statt im Pkw sind für saubere Luft in jedem Fall die richtige Zielrichtung.“

Verkehrsplanung

Skeptisch betrachtet Prof. Christian Holz-Rau die Idee des Bürgertickets. Er beschäftigt sich als Verkehrsplaner an der TU Dortmund täglich mit dem Thema Mobilität und Verkehr und hat besonders Bedenken mit der Struktur des ÖPNV in Dortmund im Zusammenhang mit einem kostenfreien ÖPNV: „Besonders die U- und Straßenbahnen stoßen ja zu bestimmten Tageszeiten an ihre Grenzen. Zwar ist die Kapazität in den letzten Jahren gewachsen, doch gerade bei den U-Bahnen kann man ja nicht beliebig viele Züge hintereinander auf die Schienen setzen.“ Auch die Tarifstruktur im Ruhrgebiet spräche gegen ein kostenloses Ticket für den Bürger.

Deutlich mehr Fahrgäste aufzunehmen erfordere Planungen von 20 Jahren und mehr, so der Verkehrswissenschaftler. Um kurzfristig etwas zu verbessern solle man Busse und Bahnen barrierefreier gestalten, fordert er. „Das ist ja auch gesetzlich so vorgeschrieben. Bessere Zugänge für Behinderte, mehr Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit bei Bus und Bahn, mehr Fahrer“ - das würde schon helfen. „Kostet aber auch alles Geld“, gibt er zu bedenken.

Als erste Maßnahmen solle man den Radverkehr stärken, auch über konsequenteres Vorgehen gegen Falschparker in den Innenstädten „könnte man nachdenken. Die wichtigste Aufgabe eines Verkehrsplaners bleibt es, im Bestand nach Lösungen zur Verbesserung zu suchen.“

Beispiele für kostenfreien Nahverkehr (lt. Wikipedia):

Hasselt, Belgien, 70.000 Einwohner, seit 1997. Die Kostenfreiheit wurde nach 17 Jahren auf Kinder und Senioren eingegrenzt. Erwachsene zahlen ein geringes Entgelt (50 Cent). Als Grund der Modifikation werden eine Vervielfachung der Fahrgastzahlen, bzw. ein Regierungswechsel genannt.

Templin, Deutschland, 16.000 Einwohner, 1998–2003. Steigerung der Passagierzahlen von 41.000 auf 350.000. Aufgrund des Fahrgastzuwachses 2003 Umwandlung in ein freiwilliges Bürgerticket-System. Kofinanzierung über Kurgäste.

Tórshavn, Färöer, 20.000 Einwohner, seit 2007 in den Bussen des Stadtverkehrs

Aubagne, Frankreich, 45.000 Einwohner, seit 2009. Steigerung der Passagierzahlen von 1,9 Millionen (2008) auf 4,9 Millionen (2012). Finanzierung überwiegend über eine Arbeitgeber-Abgabe

Vitré, Frankreich, 17.500 Einwohner. Seit der Errichtung im Jahre 2001 haben sich die Passagierzahlen bis 2010 versiebenfacht

Tallinn, Estland, 420.000 Einwohner, seit 2013: Nach einer Volksabstimmung mit einer Drei-Viertel-Mehrheit führte die estländische Hauptstadt einen Gratis-Nahverkehr für Bewohner Tallinns ein. Kofinanzierung durch Zuzugseffekte. Mittlerweile wurde das Angebot auf Regionalzüge ausgedehnt

Auch an dieser Meßstelle zur Luftbelastung an der B1 nahe der Kreuzung Märkische Straße wurden die Grenzwerte oft überschritten. | Foto: Schmitz
Wenn mehr kurze Wege mit dem Rad statt mit dem Auto zurück gelegt werden, sorgt dies für bessere Luftqualität. Denn gerade beim Radverkehr ist viel Luft nach oben. Hier an der Großen Heimstraße Ecke Kreuzstraße soll mit der Planung des Radschnellweges das Radlen zukünftig erleichtert werden. | Foto: Schmitz
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Lokalkompass Dortmund-City aus Dortmund-City

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