Deutschlandticket
Menschen mit wenig Geld gucken in NRW vorerst in die Röhre

Die Schlangen vor den Kundenbüros - von Menschen, die sich für das neue, bundesweit geltende Monatsticket zum Preis von 49 Euro interessieren - sind endlos. Der genannte Preis kann durch Unternehmen zudem als Jobticket auf 34,30 € reduziert werden. Schleswig-Holstein bietet seinen Landes­beschäftigten sogar ein Jobticket für nur 16,55 € an.

Da ist es mehr als unbefriedigend, dass es zur Einführung des „Deutschlandtickets“ am kommenden Montag (1. Mai) in NRW noch kein ermäßigtes Angebot für einkommensschwache Personengruppen geben wird.

Das „Bündnis Sozialticket NRW“ hat diese Woche einen Brief an die Landtagsfraktionen geschickt, um noch einmal darauf zu drängen, dass ein ermäßigtes Angebot so schnell wie möglich kommen muss. Das Bündnis verweist darauf, dass laut Paritätischem Armuts­bericht die Armut in NRW mit einer Armutsquote von 19,2 Prozent im Jahr 2022 einen neuen Höchststand erreicht hat. Dortmund liegt mit einer Quote von knapp 25 Prozent zudem fast an der Spitze aller Großstädte.

Immer noch kein ergänzendes Sozialticket-Angebot in Sicht

Wie zu hören war, verhandelt das Land NRW derzeit noch mit den Verkehrsverbünden über die Einführung eines ermäßigten Deutschland-Tickets für Sozialticket-Berechtigte. Nach wie vor ist nicht bekannt, zu welchem Preis und zu welchen Konditionen das Ticket dann erworben werden kann. Angestrebt war ursprünglich eine Einführung ebenfalls zum 1. Mai – wegen den damit verbundenen Umstellungen soll es aber noch etwas länger dauern. Der größte Verkehrsverbund VRR spricht mittlerweile von einer Einführung frühestens im Herbst.

Bis es soweit ist, kostet das Sozialticket als Monatsticket im VRR weiterhin 41,20 € pro Monat (im Abo aktuell 36,22 €) und ist nur kreis- bzw. stadtweit gültig. Es ist schon ein Skandal, dass Menschen mit wenig Geld für ihr vergleichsweise minderwertiges Ticket dann mehr zahlen müssen als normal oder gut verdienende ArbeitnehmerInnen, die in den Genuss eines deutschlandweit geltenden Jobtickets kommen.

Das Land NRW muss endlich beim Sozialticket liefern

Nach den Vorstellungen der Initiativen, aber auch der NRW-Sozialverbände und des DGB, darf das ermäßigte Ticket maximal 29 Euro kosten. Die Stadt Hamburg ist vorgeprescht und wird dafür sogar nur 19 Euro verlangen! Siehe hierzu https://www.hvv.de/de/ueber-uns/neuigkeiten/neuigkeiten-detail/deutschlandticket-und-tarifreform-im-hvv-102868#accordion_103294

In dem Brief an die Landtagsfraktionen in Düsseldorf wurde zudem eine Übergangslösung vorgeschlagen, wonach die bislang von den NRW-Verkehrsverbünden angebotenen lokalen Sozialtickets bis zur Einführung des ermäßigten Deutschlandtickets zumindest landesweite Gültigkeit erlangen.

Nachtrag am 2. Mai

1. Selbstverständlich gönne ich allen Arbeitnehmern den Jobticket-Rabatt. Zumal es darunter ja auch viele gibt, die so wenig verdienen, dass sie und ihre Familien kaum über die Runden kommen – und u.U. sogar berechtigt sind, zusätzlich Sozialleistungen (Bürgergeld) zu beantragen.

2. Die Leserin Miriam Dabitsch hat  recht mit ihrem Hinweis, dass mit den Schülerinnen und Schülern noch eine weitere Kundengruppe vorerst von den Errungenschaften des neuen Mobilitätsangebots ausgeschlossen bleibt. Der VRR erklärte dazu jüngst in einer Pressemitteilung, dass für den Schülerverkehr geplant sei, „ab dem Schuljahr 2023/2024 den Preis für ein SchokoTicket auf Basis des DeutschlandTickets zu reduzieren“ (PM v. 21.4.). Allerdings müssten dazu erst noch verbindliche Vereinbarungen zwischen den Landesministerien und den kommunalen Spitzenverbänden getroffen werden.

3. Andererseits lässt sich von 49 Euro pro Monat und Fahrgast auf Dauer kein leistungsfähiger und verlässlicher ÖPNV finanzieren, das ist meine feste Überzeugung. Und es ist auch nicht davon auszugehen, dass der Bund bereit wäre, auf Dauer die Lücke bei den Betriebskosten zu schließen. Da die meisten Kommunen finanziell viel zu klamm sind, um (noch) mehr Geld einzuschießen, läuft es daraus hinaus, dass es nicht bei dem Einführungspreis von 49 € bleiben wird. Vielmehr dürfte das Ticket im nächsten, spätestens übernächsten Jahr deutlich teurer oder aber das Verkehrsangebot ausgedünnt werden. Was jedoch gar nicht geht, ist, bestimmte Kundengruppen von Beginn an von dem neuen Mobilitätsangebot auszuschließen.

Autor:

Heiko Holtgrave aus Dortmund-City

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