Man glaubt es kaum: "So gut geht es Deutschland"

Bekowerdo malt sich Deutschland schön
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So lautete der Titel in der Rubrik "Konjunktur" in der Westfälischen Rundschau vom 07.10.2016. Die Redakteure Björn Hartmann und Kerstin Münstermann erläutern in einem Bericht und in einem Kommentar wie hervorragend es der deutschen Wirtschaft geht. In gewissen Zeitabständen und vor allem vor Wahlen müssen die Medien die Bevölkerung immer wieder daran erinnern, wie gut es ihr doch eigentlich geht.

Da passt der offen ausgetragene Streit zwischen IWF-Chefin Christine Lagarde und Wolfgang Schäuble eigentlich gar nicht so recht ins ökonomische Weltbild. Lagarde fährt schon seit Tagen Angriffe in Richtung Berlin. Die Bundesrepublik müsse mehr tun, um Wachstum anzukurbeln. Sie nannte Deutschland als eines der Länder, das finanzielle Spielräume habe, die es für mehr Investitionen und andere Maßnahmen zur Wachstumsstärkung nutzen solle. Solche Statements hört man in Deutschland natürlich gar nicht so gerne. Christine Lagarde redet Klartext und weist indirekt darauf hin, dass Deutschland einer der Mitverursacher der europäischen Krise ist.

In solchen Situationen kann sich die Politik jedoch auf die Medien verlassen, die dann im Gleichschritt wie ein Mann hinter der deutschen Wirtschaftspolitik stehen und wie im oben zitierten Artikel der Westfälischen Rundschau mit positiver Berichterstattung die herrschende Politk nicht im Stich lässt.

Der WR-Artikel ist in Form einer Frage- und Antwortberichterstattung aufgebaut. Die erste Frage lautet: "Warum läuft die Wirtschaft trotz der schwierigen Weltlage so gut?" Als Grund wird u. a. die steigende Binnennachfrage genannt, weil die Menschen mehr von ihrem Einkommen ausgeben und ihre Ersparnisse aufgrund der Niedrigzinsphase reduzieren. Demnach müsste jedoch die gesamtwirtschaftliche Sparquote gesunken sein. Dies ist aber nicht der Fall - die Sparquote liegt seit Jahren konstant bei ca. 10 Prozent vom verfügbaren Einkommen. Warum soll man auch seine Ersparnisse reduzieren, wenn bei vielen Menschen die Erwartungshaltung auf höhere Einkommen und auf eine Verbesserung der persönlichen wirtschaftlichen Lage gegen Null geht?

Als weiterer Grund für die "florierende" deutsche Wirtschaft wird die Tatsache angeführt, dass Deutschland preisgünstige und auch begehrte Waren herstellt, die trotz schwacher Konjunktur im Ausland gefragt sind.

Daran schließt sich die nächste Frage an: "Werden wir wieder Exportweltmeister?". In Deutschland kann man sich offensichtlich ein Wirtschaftswachstum ohne irrsinnige Exportüberschüsse gar nicht mehr vorstellen. Man muss bedenken, dass diese Überschüsse nicht aufgrund der großen deutschen Wirtschaftskraft oder aufgrund der qualitativ hochwertigen deutschen Produkte entstanden sind, sondern wegen der einmaligen historischen Konstellation innerhalb der Währungsunion. Außerhalb einer Währungsunion würden diese Überschüsse gar nicht entstehen oder lange Bestand haben, weil die D-Mark sofort aufwerten würde. Durch Lohndumping seit Beginn der Währungsunion hat sich Deutschland jedoch einen künstlichen Wettbewerbsvorteil gegenüber den anderen Ländern erschlichen.

Deutschland betreibt eine "Beggar-thy-Neighbor-Politik" und macht seine "Nachbarn zum Bettler". Diese Politik als Erfolg zu verkaufen, ist schon ziemlich absurd, denn der Bumerang kommt irgendwann einmal zurück, wenn die Schuldnerländer ihre Schulden nicht mehr zurückzahlen können. Wir reden von ca. 250 Mrd. Euro. Um diesen Betrag verschuldet sich das Ausland jedes Jahr zusätzlich bei uns, um unsere Produkte nachzufragen. Aber trotz dieser hohen Exportüberschüsse wächst die deutsche Wirtschaft nur um magere 1,5 - 1,7 Prozent. Auch das kann man nicht unbedingt als Erfolg verkaufen.

Die nächste Frage lautet: "Und wie entwickelt sich der Arbeitsmarkt?". Hier wird dann wieder gebetsmühlenartig auf die historisch günstige Situation am Arbeitsmarkt hingewiesen, die 43 Millionen Erwerbstätige hervorgebracht hat. Aber zu welchem Preis? Dass viele Menschen von ihrem Lohn nicht ansatzweise leben können, wird überhaupt nicht erwähnt. Das kann man ebenfalls nicht als Erfolg verkaufen, denn wir haben durch die hohen Exportüberschüsse unsere Arbeitslosigkeit exportiert.

Das deutsche Lohndumping ist allerdings nicht nur ein wirtschaftliches Problem sondern auch der Keim für den Aufstieg von radikalen Parteien in der Euro-Zone. Wir haben in Europa und auch in Deutschland seit 2011 eine Dauerrezession. Diese katastrophale Entwicklung stärkt radikale Parteien. Darin kommt ein Versagen der EU zum Ausdruck, aber es ist Deutschland, das eine völlig falsche Wirtschaftspolitik diktiert und seine eigene Rolle verleugnet.

Autor:

Rüdiger Beck aus Dortmund-City

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