Linke & Piraten: Kritik am endgültigen Kirchentagsbeschluss

- Carsten Klink
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Angesichts des endgültigen Beschlusses des Präsidiums des Kirchentages, den Evangelischen Kirchentag 2019 in Dortmund stattfinden zu lassen, kritisiert die Fraktion DIE LINKE & PIRATEN einmal mehr die hohen Kosten, welche auf die Stadt zukommen. „Es ist indiskutabel, dass eine solch wohlhabende religiöse Gesellschaft eine solch klamme Stadt mit Millionenkosten belastet", so der finanzpolitische Sprecher Carsten Klink (DIE LINKE).
Auch zweifeln Linke & Piraten die angeblichen wirtschaftlichen Vorteile für die Stadt an. Die noch in Hamburg (2013) und Dresden (2011) erreichte Zahl von über 115.000 Dauergästen des Kirchentages, die auch die Basis des Dortmunder Ratsbeschlusses gewesen ist, wurde dieses Jahr in Stuttgart mit 97.127 deutlich unterschritten. „Die von der Kämmerei schöngerechneten Zahlen werden schon jetzt von der Realität um 16 Prozent unterschritten", so Klink. Nicht umsonst seien die subventionskritischen Anfragen seiner Fraktion wohl von der Stadtverwaltung bis heute nicht schriftlich beantwortet worden.
Ratsmitglied Klink kritisiert auch den designierten Kirchentagspräsidenten Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier: „Selbst die SPD-Linke sagt, Steinmeier säht in der Flüchtlingsdebatte Ängste und Zweifel. Das müsste ihn doch eigentlich für dieses kirchliche Amt disqualifizieren."
Autor:Claudia Behlau, DIE LINKE+ aus Dortmund-Ost |
4 Kommentare
Lieber AndreN,
als Dauergast vergleichbarer Feste haben Sie als Nutznießer der städtischen Subventionen natürlich verständlicherweise ein großes Interesse daran, dass die Stadt Dortmund 2,7 Millionen Euro plus Sachleistungen in Höhe von rund 700.000 Euro einer religiösen Gesellschaft zu Verfügung stellt.
Die grundsätzliche und nie von der Kirche beantwortete Frage lautet: Warum muss eine Stadt, die stets im sozialen Bereich kürzt und am Rande der Haushaltsicherung steht, einer religiösen Gesellschaft, die jährlich 10 Milliarden Euro (!) an Einnahmen verbucht, das Glaubensfest bezahlen? Lediglich 0,3 Prozent der jährlichen Einnahmen würden ausreichen, um den Kirchentag selbst zu bezahlen.
Ihre dargestellte Milchmädchenrechnung ähnelt übrigens der der Stadtverwaltung. Dort wurden offensichtlich auch Umsatz und Gewinn verwechselt. In Bremen lag der Umsatzeinbruch des Innenstadteinzelhandels bei 40 Prozent. Das wird durch Ihre zwei T-Shirts und ein paar Brötchen leider nicht ausgeglichen. Die Stadt hat hier also einen massiven Ausfall an Gewerbesteuer. Die Mehrwertsteuer geht größtenteils an Bund und Länder. Die meisten Dauergäste wohnen tatsächlich nicht im Hotel, sondern in den kommunalen Unterkünften.
Vielleicht lesen Sie sich hier mal etwas ein, um nachvollziehen zu können, warum es sich tatsächlich bei dem Kirchentag um ein weiteres Millionengrab handelt: http://static.kirchentag.de/production/htdocs/fileadmin/dateien/PDF/DEKT32_Regionalauswirkungen_Marktforschungsstudie.pdf
Einen lesenswerten Kommentar von Lukas Meyer-Blankenburg (SWR Religion, Kirche und Gesellschaft) zur berechtigten Kritik an der Kirchentagsfinanzierung finden Sie hier: http://www.swr.de/kirchentag/berechtigte-kritik-an-der-kirchentagsfinanzierung-kommentar-von-lukas-meyer-blankenburg-swr-religion-kirche-und-gesellschaft/-/id=15268800/did=15626186/nid=15268800/1ixo1mv/index.html
Sehr geehrter Herr Klink,
zuerst einmal, ich bin nicht ihr "Lieber" !
zum zweiten, mitnichten bin ich Dauergast, ich bin ein ehrenamtlicher Helfer, welcher seine (Urlaubs-)Zeit und seine Arbeitskraft gern in den Dienst dieser christlichen Sache stellt.
Auch werde ich kein Nutznießer der 2.7Mio Euro sowie der Sachleistungen in Höhe von 700.000 Euro sein, ausser vielleicht mit der Einschränkung, dass ich mit 200 anderen Helfern in einer städtischen Schule schlafen werde.
Zum nächsten Punkt, der Kirchentag ist ein eingetragener Verein, genau genommen ist der Kirchentag eine Laienorganisation, welche den Kirchentag ausrichtet. Um Wikipedia hier zu zitieren:
"Er ist institutionell unabhängig von den evangelischen Kirchen."
Daher kann er auch nicht von den hier von Ihnen angeführten 10 Milliarden Euro Einnahmen profitieren. Hier erhält der Kirchentag nur einen Zuschuss.
(Um es politisch auszudrücken: Die Rosa-Luxemburg-Stiftung kann ja auch nicht über die 3.584.255,81 Euro verfügen, welche die Partei Die Linke in ihrem Rechenschaftsbericht von 2014 ausweist - Und bitte nun nicht die Goldwaage rausholen - es sollte hier nur veranschaulicht werden, dass Kirchentag und evangelische Kirche nicht das gleiche ist! )
Wie schön, dass sie hier vom "Innenstadteinzelhandel" sprechen. Nehmen wir hier doch einmal an, dass nicht jeder Mensch während des Kirchentages Urlaub nehmen kann und wie Sie es sagen, aus der Stadt fliehen kann.
In diesem Fall muss der (hier Bremer) Bürger natürlich auch weiter Essen und Trinken. Entweder erledigt er die Einkäufe dann im "Aussenstadteinzelhandel" oder hat sich schon vor dem Kirchentag reichlich eingedeckt und damit die von Ihnen angesprochenen 40% Einbußen doch ausgegeben. Und selbst wenn er während des Kirchentages nicht zu C&A, Peek und Cloppenburg usw. geht. Die Hose, die er in der Kirchentagswoche kaufen wollte, die wird er dann in der Woche danach kaufen und das Geld dann doch ausgeben.
Ich kann Ihnen auch von meinen bisherigen Erfahrungen seit 2005, beginnend mit dem Weltjugendtag in Köln berichten, dass die Hotels, Pensionen der Stadt, zu 95% belegt waren und es sehr schwer war für Gäste, während des Kirchentages noch eine Unterkunft zu kriegen.
Woher wissen Sie, dass die meisten Gäste in den kommunalen Unterkünften wohnen? Beispiel Stuttgart: Bei 100.000 Dauerteilnehmern (wovon ~20.000 in Privatquartieren einquartiert wurden müssten dementsprechend 80.000 in kommunalen Einrichtungen, also in Schulen untergebracht werden. In Stuttgart weist der Schulbericht im übrigen 45.000 Schüler aus. Diese sind in 171 Schulen. Im reinen Mittelwert müssten entsprechend 467 Teilnehmer in einer Schule untergebracht worden sein. Bis auf einige Ausnahmen lag diese Zahl bei rund 200-300 Dauerbesuchern.
Es wurden 2567 Besucher von 100.000 befragt. Was natürlich (durch ein Quotenverfahren) repräsentativ sein soll.
Wenn Sie in Ihrem Beitrag den Ausfall durch Umsatzeinbußen hervorheben, möchte ich hier einmal den Satz davor und danach zitieren:
"Die wirtschaftlichen Effekte durch die auswärtig en Besucher, die mehrheitlich wegen des Kirchentages für mehrere Tage nach Bremen gekommen waren, betrugen hochgerechnet rund 20. Mio. Euro. Hinzu kommen die Effekte durch die Ausgaben der Organisatoren während der zweijährigen Vorbereitungszeit. "
[...]
Neben den kurzfristig wirksamen wirtschaftlichen Effekten spielen aus Sicht der Stadt Bremen die Imageeffekte eine mindestens ebenso große Rolle. Ein Drittel der Besucher war zuvor noch nicht in Bremen gewesen, insbesondere Teilnehmer unter 30 Jahren. Die Stadt wurde vor allem als lebendig, gastfreundlich und interessant wahrgenommen.
[Ergebnis Kurzfassung Seite 10]
Ihre angeführte Studie weist aus (damit alle mitlesenden auch wissen, woher die ~20Mio kommen:
Abbildung 9-14 branchenspezifische Umsätze von Auswärtigen, die wegen des DEKT kamen: (S.52)
Übernachtungsquartier 4.053.728 € (Hotels, Pensionen??)
bremische Gastronomie 5.490.244 €
Verpflegung - Stände des Kirchentages 4.025.253 €
Einkäuf 2.702.522 €
Markt der Möglichkeiten 2.349.556 €
Kulturelles 673.256 €
Sonstiges 1.468.343 €
Hier möchte ich aber der Fairness betonen, dass aus "Verpflegung - Stände des Kirchentages und dem "Markt der Möglichkeiten" ein großer Teil der Einnahmen nicht dem Bremer Umsatz zugerechnet werden kann, da hier sowohl der Kirchentag, als beim Markt der Möglichkeiten auch andere (kirchliche) Stände das Geld eingenommen haben. Aber da kann man sich auch sicher sein, dass die Lebensmittel direkt vor Ort oder im Umland gekauft wurden, da niemand frische Lebensmittel z.B. aus Berlin oder Bayern mitnimmt.
Nun muss ich einen kleinen Rücksprung machen zu den 40% Verlust des Innenstadteinzelhandels. Wenn Sie sich die Studie aufmerksam durchlesen würden, hätten Sie auf S.52 unter "Verdrängungseffekte" lesen können, dass andere Teile des Bremer Einzelhandels (Weserpark, Waterfront) "die Umsatzverluste der Innenstadt aufgesaugt haben. Damit hat der stark mit öffentlichen Mitteln geförderte Kirchentag unmittelbar die Innenstadt geschwächt und die Standorte auf der "Grünen Wiese" gestärkt.
Hier kann man also mit Fug und Recht sagen, dass die Stadt Bremen durchaus ein großes Umsatzplus für diese Woche hatte. Solange man nicht nur den Innenstadteinzelhandel sieht. Wäre der Kirchentag nicht in Bremen gelandet, wären diese 20 Mio. nicht erwirtschaftet worden! (oder sehe ich das falsch?)
So, nun noch einmal zurück zum eigentlichen Kern, Dortmund. Auch wenn in Stuttgart in diesem Jahr weniger Dauergäste als in Hamburg und Dresden waren, so wird Dortmund doch als Stadt mitten in NRW, welches das bevolkerungsreichste Bundesland ist, dann noch im Ballungsgebiet "Ruhrgebiet" ein Besuchermagnet sein. Also wird der Umsatz hier noch höher sein.
Wie dem auch sei, für mich ist hier erst einmal Feierabend,
piratigst! Mite
@ AndreN
Vielleicht sollten Sie mal vom Baum der Erkenntnis naschen.
Der "Verein zur Förderung des Deutschen Evangelischen Kirchentages e.V." hat gerade mal
rund 20 Mitglieder und ist quasi der Lenkungsausschuss für den Kirchentag, der ja wohl
ohne die Zustimmung der Amtskirche nichts entscheiden kann. Mit welcher Berechtigung wird sonst ein Verein von 20 Leuten mit mehreren Millionen Euro gefördert? Warum wurden dann auch die Fraktionsspitzen von SPD, CDU, Grünen sowie Linken&Piraten nicht vom Trägerverein, sondern von der Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche von Westfalen zum Gespräch über den KT eingeladen? Der auch von der Kirche vorgetragene Hinweis auf den kleinen Trägerverein,der letztlich eine Vorfeldorganisation ist, betrachte ich als Taschenspielertrick. Ich empfinde es auch angesichts der ständigen Kürzungen im sozialen Bereich von einer derart wohlhabenden religiösen Gesellschaft als unanständig, eine derart klamme Stadt anzubetteln.
Wie bereits bemerkt, haben Sie offensichtlich das selbe Problem mit Umsatz und Gewinn wie die Stadtverwaltung Dortmund. Von vermeintlichen 20 Millionen Euro Umsatz auf der Basis von 115.000 Dauergästen, obwohl in Stuttgart zuletzt keine 100.000 gezählt wurden, bleibt aber nur die Gewerbesteuer in der Stadtkasse. Selbst bei einem Umsatz von 25 Millionen Euro fließen maximal rund 340.000 Euro durch die Gewerbesteuer zurück.
Bezüglich des Umsatzrückganges beim Innenstadteinzelhandel argumentieren Sie wie der ehemalige Siemensmanager und aktuelle Finanzfachmann Herr Kopicz vom EDKT, dass diese ins Umland abfließen würden. Der Innenstatdeinzelhandel in Dortmund ist hochwertig, damit können die Nebenzentren leider nicht mithalten. Das Umland ist hier bei uns in Dortmund dann Bochum, Essen, vielleicht noch Unna oder für die fahrbereiten Münster. Der Umsatz ist also weg.
Die Information, dass die deutliche Mehrheit nicht in Hotels schläft, stammt übrigens ebenfalls vom EDKT.
Das einzige Argument, welches ich auch anerkenne, ist das des Imagegewinns. Dieser ist aber nicht wirklich messbar. Wie hoch wäre wohl der Imagegewinn, wenn man diese insgesamt 3,4 Millionen Euro (Zuschuss plus Sachleistungen) nicht für fünf Tage Glaubensfest aus dem Fenster werfen würde, sondern dafür dauerhaft auf Jahrzehnte soziale Einrichtungen fördern würde, wie zum Beispiel das mal wieder auf den Kürzungslisten stehende Cafe Berta in der Dortmunder Nordstadt?
Wie Sie hoffentlich sehen, hat die Kritik der Linken und Piraten also nichts -wie sagten Sie- mit Geschrei zu tun, sondern mit Mathematik, wirtschaftlichen Sachverstand und einem sozialen Gewissen.
Trotzdem wünsche ich Ihnen und Ihren Glaubensbrüdern und -schwestern einen schönen Kirchentag und hoffe, dass sich ihre Kirche endlich durchringt, diese zukünftig auch komplett selber zu bezahlen. Alles andere empfinde ich angesichts des Milliardenvermögens schlicht als peinlich.