Ist Mario Draghi wirklich der Sündenbock für die Krise in Europa?

Bekowerdo findet es zum Haareraufen: Trotz massiver expansiver Geldpolitik will sich entgegen der ökonomischen Theorie einfach keine Inflation einstellen.
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Die Westfälische Rundschau titelt am 29.10.16 "Der Dompteur der Finanzmärkte - Seit fünf Jahren bekämpft EZB-Präsident Draghi die Finanzkrise. Seine Waffen werden zum Bumerang".

Auch dieser Artikel von Redakteurin Brigitte Scholtes zeigt wieder einmal wie gleichgeschaltet die deutschen Medien argumentieren, ohne eine saubere Ursachenanalyse zu erstellen. EZB-Präsident Mario Draghi wird permanent zum Buhmann erklärt, weil er wie ein bockiges Kind einfach nicht die Zinsen erhöhen will.

Politiker, Ökonomen und die Medien sind sich einig, dass die Niedrigzinspolitik die Ursache für die Krise ist. Aber stimmt das wirklich oder ist die Niedrigzinspolitik bereits die Folge eine verfehlten deutschen Wirtschaftspolitik? Das Problem in Europa ist eine massive Nachfrageschwäche und eine daraus resultierende Deflation. Aber dieses Problem wird in der Öffentlichkeit nicht diskutiert, weil die deutsche Wirtschaftspolitik diese Krise maßgeblich mit verursacht hat. Wer seit Beginn der Währungsunion Lohndumping betreibt und schwarzen Nullen im Staatshaushalt hinterherläuft, darf sich nicht über Niedrigzinsen aufregen.

Brigitte Scholtes wundert sich in ihrem Bericht, dass trotz einer Geldflutung der Märkte durch die EZB die Inflation nicht "anspringen" will. Aber das ist die Denkweise der Monetaristen, die leider falsch ist und auf deren Grundlage jedoch die europäische Währungsunion aufgebaut wurde. Wie man feststellt hat Inflation mit der Geldmenge offensichtlich nichts zu tun, denn sonst müssten wir derzeit eine galoppierende Hyperinflation haben. Aber wir haben genau das Gegenteil, nämlich Deflation. An den meisten deutschen Hochschulen wird Monetarismus aber immer noch gelehrt. Jeder Student der Volkswirtschaftslehre lernt diesen Unfug bereits im zweiten Semester unter dem Arbeitstitel "Quantitätstheorie des Geldes".

Mario Draghi kann mit seiner expansiven Geldpolitik und seiner Niedrigzinspolitik nur die Rahmenbedingungen schaffen, er kann damit aber nicht die Nachfrage erhöhen, die für eine Belebung der Wirtschaft nötig ist. Hierzu bedarf es parallel einer expansiven deutschen Fiskalpolitik einhergehend mit Lohnsteigerungen, die dem vorgegebenen Ziel der EZB entsprechen, nämlich 2% über der gesamtwirtschaftlichen Produktivität.

Erst dann wird die Inflation "anspringen", wie es Brigitte Scholtes formuliert hat. Inflation ist nämlich nicht von der Geldmenge abhängig sondern von den Löhnen im Vergleich zur Produktivität, d. h. von den sog. Lohnstückkosten. Diesen Zusammenhang, der von vielen neoliberalen Ökonomen konsequent ignoriert wird, kann man in allen Ländern empirisch nachweisen.

Wenn Deutschland allerdings an seiner bisherigen Politik des Lohndumpings festhält und somit die Binnennachfrage weiter zerstört, wird es keine Lösung in Europa geben und die Zinsen werden weiterhin auf niedrigstem Niveau verharren.

Autor:

Rüdiger Beck aus Dortmund-City

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