Die neue Notschlafstelle an der Unionstraße nimmt ihren Betrieb auf

Eine wohnliche Stätte- aber bitte keinesfalls drin wohnen..

Jörg Süshardt, Sozialamt-Leiter, machte beim Dienstag (15.1.) beim Tag der offenen Tür in der neu zu eröffnenden Notschlafstelle an der Unionstraße deutlich, worum es im dreistöckigen Gebäude in Modulbauweise geht: obdachlose Männer sollen hier nur im Notfall übernachten und spätestens nach 14 Tagen bzw. Nächten soll der Einzelfall geklärt sein- die Notschlafstelle trägt deshalb auch den Namen "Clearingstelle". Von der Notschlafstelle soll es bei Bedarf, Anspruch und einigermaßen kooperativem Verhalten in eine der 711 Wohnungen, die im Rahmen des Wohnraumvorhalteprogrammes von der Stadt gemietet werden, gehen, von denen zurzeit 165 nicht belegt seien. Diese Wohnungen, teilweise auch von Wohngemeinschaften zu nutzen, werden ordnungsrechtlich an diese Bewohner übergeben, so Süshardt, und je nach Bedarf auch "ambulant" betreut, d.h. es schaue jemand dort nach dem rechten und gäbe im Bedarfsfall Hilfestellung. Es seien schon 25 Männer, die vorher die Notschlafstelle genutzt hätten, in solche Wohnungen gezogen, bei 10 weiteren stünde das an, so Süshardt.

Verbaute Module wurden bereits als Flüchtlingsunterkunft genutzt

Das Gebäude der neuen Notschlafstelle ist quasi ein Second-Hand-Bau, es wurden Module von einer nicht mehr benötigten Flüchtlingsunterkunft verbaut, um die Baukosten zu verringern. Abriss des alten Gebäudes und Aufbau dieser Unterkunft mit vorgelagerten Verwaltungs- und Einlass/Brandaufsicht-Containern erfolgte in der Rekordzeit von 1 1/4 Jahren, durch die Stadt-Tochter DOLOG, eigentlich auf Abrisse spezialisiert, aber von den Vorgaben der Sozialdezernentin Birgit Zoerner angetrieben, die eigentlich exakt innerhalb eines Jahres die räumliche Zwischenlösung an der Adlerstraße wieder verlassen haben wollte. Thomas Ellerkamp als Leiter des städtischen Fachbereichs Liegenschaften machte deutlich, dass von der Beschlussfassung (Juli 2017) bis zum Neubau inklusive dem Dazu-Erwerb von benötigten Grundstücken nur ein sehr kurzer Zeitraum vergangen sei. Sozialdezernentin Birgit Zoerner dankte ausdrücklich allen, die dazu beigetragen haben, vornehmlich der Bezirksvertretung West und dem Bezirksbürgermeister Ralf Stoltze, die sowohl die Zwischenlösung in der Adlerstraße als auch den zügigen Neubau unterstützt haben. Zoerner nennt die Sozialarbeit vor Ort und die reduzierte Zimmerbelegung sowie die Erweiterung um 15 Plätze als positive Änderungen im Vergleich zur vorherigen Einrichtung.

Die Nutzer sind Selbstversorger

70 Menschen sollen hier künftig ab 12 Uhr mittags bis 8 Uhr Einlass finden (von 8-12 Uhr müssen alle das Haus verlassen), in 2- und 2-4 Bett Zimmern mit Bett, Tisch, Stuhl, Spind und Kühlschrank . Bei Bedarf, beispielsweise bei psychischen Problemen, kann European Home Care als Betreiber auch einzelne Personen in den Mehrbettzimmern übernachten lassen. Wertgegenstände können im Kontrollcontainer zum Einschließen abgegeben werden. Es wird pro Etage eine Küche geben. "Unsere Leute sind Selbstversorger" so die Diplom-Pädagogin Tina Kleßen. Es würden bei Interesse an die Nutzer Kochboxen mit den nötigen Küchenutensilien ausgegeben, dieses System habe sich bewährt. Außerdem gibt es auf der unteren Etage, die besichtigt werden konnte, sanitäre Einrichtungen wie Toiletten, Waschbecken und Duschen und zusätzlich 4 Waschmaschinen und Trockner. Gruppenräume sind auf jeder Etage vorgesehen, sie waren bei der Besichtigung noch nicht eingerichtet, aber bald es dort auch "wohnlicher" werden, zumindest ist die Aufstellung eines Fernsehers in einem Gruppenraum und die Ausgabe von Gesellschaftsspielen geplant. Einmal wöchentlich wird Dr. Feigel vom Gesundheitsamt eine medizinische Sprechstunde anbieten, dazu wurde ein kleiner Raum eingerichtet.

Modulbauweise macht Außentreppen erforderlich

Wie es sich auswirken wird, dass die drei Etagen nicht wie bisher über ein Treppenhaus verbunden sind, sondern nur über Außentreppen an zwei Gebäudeseiten, kann sich die Diplom- Pädagogin Kleßen noch nicht recht vorstellen. Bisher war es so dass etwaiger Lärm oder Besonderheiten auch im Erdgeschoss bei den Sozialbetreuern zu hören waren- nun muss man durch stündliche Rundgänge über die Außentreppen bei jedem Wetter sicherstellen, dass alles friedlich ist. Es werde angestrebt, so Sozialamt-Leiter Süshardt, dass in der Öffnungszeit von 12-8 Uhr zwei Personen von European Home Care anwesend seien. Sie werden Sozialbetreuer genannt, weil sie Schulungen, z.B. in Sachen erste Hilfe und Brandschutz erhalten haben, sind aber keine Sozialarbeiter.Diese entsendet das Sozialamt wochentags in die Container an der Unionstraße.

Notschlafstelle wird zur Clearingstelle

Sozialarbeiter sollen die Nutzer der Notschlafstelle bei der Antragstellung für Sozialleistungen unterstützen, und schauen, wie der Einzelne aus seiner Obdachlosigkeit herauskommen kann, vorausgesetzt, dass die Männer ihnen das Vertrauen schenken, ihre Unterschrift unter die nötigen Anträge zu setzen und die nötigen Angaben machen. Kooperation ist die Voraussetzung hierfür. Wie gut in diesem Rahmen die Arbeit mit Suchtkranken oder Menschen mit multiplen Problemen gelingen kann bleibt abzuwarten. Irgendwann soll es auch für Abhängige eine spezielles Übernachtungsangebot geben, so der Leiter des Sozialamtes, kann aber noch keine konkreten Daten hierzu nennen.

Ansprüche sollen schnell geklärt werden

Menschen, die sich an die Notschlafstelle wenden, dürfen maximal ein Wochenende ohne Klärung ihres Anspruchs die Unterkunft kostenlos nutzen. Entweder gelingt es dann, die Angelegenheiten des Nutzers soweit zu bearbeiten, dass Sozial- und Rentenansprüche anerkannt werden, und das Sozialamt die Kosten der Unterbringung trägt, oder der Nutzer muss die Kosten von 13,10 Euro (Bei Rentnern 6,55 Euro) pro Nacht selbst tragen bzw. das Haus verlassen. Zurzeit, wo die Notschlafstelle noch in der Adlerstraße untergebracht ist, sind von 63-64 Männern, die die Unterkunft nutzen, zwei Selbstzahler, so Einrichtungsleiter und Sozialarbeiter Mahmut Albayrak.

Für eine Nacht darf prinzipiell jeder bleiben

Auch Menschen, bei denen klar ist, dass sie keine Ansprüche auf Sozialhilfe oder Rente haben, wie bei vielen derjenigen, die im Rahmen der EU-Osterweiterung hergekommen sind, aber nicht dauerhaft Fuß fassen konnten, dürfen theoretisch eine Nacht oder sogar ein Wochenende in der Notschlafstelle übernachten. Allerdings bedeutet Clearing in ihrem Fall: die Ermöglichung einer Rückreise in das Heimatland per Busticket, wo Betreffende alles weitere selbst organisieren müssen. Wieviele dieser Menschen in Dortmund leben und obdachlos sind ist laut Jörg Süshardt nicht bekannt.
Für sie gibt es trotz einiger Diskussionen immer noch keine Möglichkeit, in Wintern mit andauernden Minusgraden geschützt unterzukommen. Diese Menschen werden, so sie sich nicht zur Rückreise bereiterklären, auf Dortmunder Stadtgebiet weiterhin ungeschützt im Freien nächtigen und mit den wenigen vorhandenen öffentlich zugänglichen sanitären Anlagen und minimaler Nahrungsversorgung durch Betteln auskommen müssen. Es sei denn, durch private Initiativen oder Hilfsorganisationen werden in harten Wintern Übernachtungsangebote geschaffen, die allen Menschen bedingungslos offenstehen, wie z.B. im März 2018 durch die Öffnung der ehemaligen Disco Spirit geschehen.
Auch Hunde konnten dort mitgebracht werden, wofür es in der neuen Notschlafstelle keine Möglichkeit gibt. Bei Bedarf, der laut dem Sozialamt-Leiter ziemlich gering sei, können Tiere von Nutzern der Notschlafstelle kostenlos im Tierheim übernachten, der Transport dorthin muss allerdings vom Besitzer selbst organisiert werden.