Ein kleiner Ausflug in den "Sozialstaat Deutschland"
Stellen Sie sich einmal vor, Sie sind aufgrund einer Erkrankung nicht mehr arbeitsfähig und haben in den letzten Jahren Arbeitslosengeld 2 (weitläufig bekannt als Hartz IV) erhalten. Sie leben am Rande des Existenzminimums, müssen jeden Cent zweimal umdrehen und am Monatsende bleibt dann doch nichts mehr übrig.
Da eine Wiederaufnahme einer beruflichen Tätigkeit in den nächsten Monaten aufgrund der Krankheitsentwicklung sehr unwahrscheinlich ist, beantragen Sie einen Wechsel von Hartz IV in die Grundsicherung des Sozialamtes. Man erhält monatlich die gleiche Summe wie im ALG 2, steht aber dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung.
Da Sie früher schon einmal gearbeitet haben und in die Rentenversicherung eingezahlt haben, ist das Sozialamt primär gar nicht für Sie zuständig und Sie werden an den Rentenversicherungsträger weiter verwiesen. Dort stellen Sie einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente. Diese wird bewilligt, der Betrag beläuft sich aber auf deutlich weniger als 600 Euro und so müssen Sie beim Sozialamt eine Aufstockung auf Hartz IV-Niveau beantragen.
Wer an dieser Stelle schon den Überblick verloren hat, seien Sie nicht enttäuscht: Das ist normal. Aber es kommt noch besser.
Sie teilen dem Jobcenter korrekterweise Mitte Februar mit, dass die Rente bewilligt wurde. Nur einige Tage später (unfassbar, wie schnell da plötzlich gearbeitet wird) bekommen Sie schriftlich vom JobCenter Dortmund mitgeteilt, dass ab dem 1. April kein ALG 2 mehr gezahlt wird. So weit so gut.
Am 1. März müssen Sie allerdings feststellen, dass die Zahlung des ALG 2 bereits zum 1. März eingestellt wurde, und Ihnen kein Geld überwiesen wurde. Die Rente wird Ihnen aber erst am 30. März gezahlt.
Natürlich hat der JobCenter nach Vorschrift gehandelt, so wird es Ihnen mitgeteilt. Und natürlich verfügen Sie über magische Kräfte, die Ihnen für den Monat März 900 Euro in die Hände zaubern, so dass Sie völlig problemlos einen ganzen Monat ohne Transferleistung auskommen. Haben Sie die Ironie bemerkt?
Natürlich konnten Sie am Monatsersten weder die Miete, noch die Kosten fürs Sozialticket, noch Strom, Telefon, etc. bezahlen.
Aber zum Glück gibt es ja noch die wohltätige DSW21, die Ihnen, damit Ihnen zu Hause nicht langweilig wird, umgehend ohne vorherige Mahnung das Sozialticket kündigt. Sie kommen in den Genuß, zusätzlich zu dem normalen Ticketpreis noch einmal 6 Euro Verzugskosten zahlen zu dürfen. Natürlich werden Sie in dem Kündigungsschreiben auch darauf hingewiesen, dass bei Nichtzahlung ein Inkassounternehmen eingeschaltet wird. Die Sache ist wirklich gut durchdacht.
Und schließlich freuen Sie sich auf nichts so sehr, wie darauf, in den nächsten Tagen von einer Behörde zur Nächsten zu laufen. Zu laufen, wohlgemerkt, nicht zu fahren.
Schön, wenn alles so unkompliziert und menschlich abläuft.
Danke Deutschland !
Aber jetzt haben Sie doch die Ironie bemerkt, oder!?
Autor:Stephan Schumann aus Dortmund-City |
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