Die Verantwortlichen in Dortmund wollen mit ihrem eigenen Stromtrassen- Messprogramm offensichtlich nichts mehr zu tun haben!

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Wird sich diese Gleichgültigkeit in der neuen Ratsperiode ändern?

Das sehr aufwendige Dortmunder Stromtrassen-Messprogramm ist seit Frühjahr 2014 beendet. Die Ergebnisse liegen vor. Aber die Verantwortlichen in Dortmund wollen damit offenbar nichts mehr zu tun haben.
Die Finanzierung eines involvierten unabhängigen Messexperten durch die Dortmunder Hochspannungs-Initiativen und die Bürgerinitiative "Pro Oespler Lebensraum e.V." scheint vergebens gewesen zu sein.

Es hat ein sehr teures Messprogramm in Dortmund gegeben – die Stadt spricht von einer Summe im siebenstelligen Bereich -, um den Einfluss von Hochspannungs-Magnetfeldern auf die anwohnende Bevölkerung zu ermitteln. Beauftragt war der TÜV-Nord.

Es war ein fortschrittlicher, einstimmiger Beschluss des Dortmunder Ausschusses für Umwelt, Stadtgestaltung, Wohnen und Immobilien (AUSWI) im Jahr 2011, der zu diesen Untersuchungen führte.

Dazu sollte die Anzahl von Bürgern festgestellt werden, die in solchen „Magnetfeldzonen“ im direkten Umfeld von Hochspannungsleitungen lebt.

Grundlage sollten die Kriterien des Umweltausschusses des EU-Parlamentes sein: Welche Effekte haben die Magnetfelder bis 180 m seitlich der Hochspannungsleitungen, wenn ein kritischer Emissions-Grenzwert von 0,3 Mikrotesla (MT) in Anschlag gebracht wird (Der offizielle deutsche Grenzwert liegt seit dem schwarz-gelben Bundestagsbeschluss von 2013 bei 100 Mikrotesla, was von der Opposition aus SPD, Grünen und Linken in Berlin aufs Schärfste kritisiert wurde. Die rot-grüne Landesregierung fordert im neuen Landesentwicklungsplan 400 m Abstand bzw. Erdverkabelung).

Ein beunruhigendes Ergebnis schon 2012: rund 38.000 Menschen, ca. 8 Prozent aller Dortmunderinnen und Dortmunder sind, betroffen.

Nun liegen die Dortmunder Messergebnisse seit zwei Monaten vor. Aber offenbar wollte die Mehrheit der Politiker anschließend damit nichts mehr zu tun haben: Die Initiativen mussten erleben: Geräuschlose Kenntnisnahme in den politischen Gremien, angeblich alles in Butter, deutscher Grenzwert eingehalten. Alles super.

Wirklich alles bestens? Und: Werden auch die neuen Ratsgremien mehrheitlich so gleichgültig urteilen?

Die Hochspannungs-Initiativen und die Bürgerinitiative "Pro Oespeler Lebensraum e.V." haben da ein paar Fragen:

• Reicht es wirklich aus, den deutschen Grenzwert von 100 Mikrotesla (MT) als alleinige Richtgröße für den Elektrosmog heranzuziehen? Dann allerdings hätte man sich das Messprogramm sparen können.
Bei 100 MT Grenzwert ist nämlich ALLES im grünen Bereich – auch z.B. ein Baumhaus für die Kids hoch im Strommasten. Und selbst wenn die Anwohner auf der Terrasse direkt an der Leitung schwer unter Strom stehen und wenn die Hauselektronik schon lange nicht mehr funktioniert – 100 MT werden nie erreicht. Das wusste jeder, der schon einmal ein Messgerät in der Hand hatte, auch vorher.

• Warum werden nicht weitere relevante Kriterien für Hochspannungs-Magnetfelder befragt? Warum werden nicht die Vorsorge-Kriterien der umliegenden Länder, der EU oder des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) berücksichtigt? Dort liegen die Vorsorge-Grenzwerte um das 100-fache niedriger, z.T. um das 300-fache unter dem deutschen offiziellen Grenzwert.
Würden solche Kriterien zu Grunde gelegt, dann wäre allerdings für die meisten Anwohner nichts mehr im grünen Bereich.

• Warum werden nicht die weiteren „Beurteilungsgrundlagen“ im aktuellen Messbericht des Umweltamtes selbst ernst genommen?

Dort weist das Umweltamt der Stadt Dortmund - offenbar etwas hilflos - darauf hin:

* dass schon der NRW-Abstandserlass einen 10-fach niedrigeren Grenzwert fordert als der offizielle deutsche Grenzwert (10 MT statt 100 MT);
* dass das neue „Energieleitungsausbaugesetz“ (EnLAG) einen Abstand von 400 Metern zu Wohngebäuden fordert;
* dass ebenso der neue Entwurf des „Landesentwicklungsplans“ (LEP-NRW) einen 400-Meter-Abstand bzw. Erdverkabelung fordert.

All das Zufall oder Plan?

Das Umweltamt selbst fasst zusammen, dass es schon „bei deutlich geringeren Feldstärken gesundheitliche Effekte“ gibt. „Daher wurden bei den Messungen auch die „Beurteilungswerte“ von 1 Mikrotesla und 0,3 Mikrotesla betrachtet.“

Hatten nicht genau so auch SPD und Grüne 2013 im Bundestag argumentiert?

Hatte nicht das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) schon 2009 ebenfalls solche niedrigen Grenzwerte empfohlen? („Ein statistischer Zusammenhang mit der Leukämierate zeigte sich bei einem Wert von über 0,4 MT…“)

Und warum will jetzt die politische Mehrheit in Dortmund von all dem nichts mehr wissen?
Sähe es zu schlecht aus für die Anrainer und für die Dortmunder Bauleitplanung damals und heute?

In der Tat, es sähe schlecht aus für mehr als 30.000 Dortmunder, wenn etwa die Kriterien des BfS (0,3-0,4 MT) der Bewertung der Messergebnisse zu Grunde gelegt würden. Das gibt der Bericht immerhin her. Und das Bekanntwerden kann niemand von den Verantwortlichen wirklich wollen.
Wundert es da, dass derzeit im offiziellen Dortmund die Devise gilt: „Ball flach halten“?

Und es soll offenbar auch nicht weiter bekannt werden, dass die Dortmunder Hochspannungs-Initiativen und Pro Oespel auf eigene Kosten einen neutralen und unabhängigen Sachverständigen in das Messprogramm einbrachten. Deren Skepsis bestand zu Recht. Denn tatsächlich hatte der Mess-Experte substantielle Kritik am Mess-Verfahren des TÜV-Nord.

Besonders ärgerlich für die Anwohner der Trasse Kruckel-Hörde ist, dass sie, die rund 70 % der Kosten des neutralen Experten aufgebracht hatten, nun erleben mussten, dass „ihre“ hochstrahlende 110.000 Volt-Leitung gar nicht ins Messprogramm aufgenommen wurde.

All das Zufall oder Plan?
Für Zufall eigentlich ein bisschen zuviel an merkwürdigen Ereignissen.

Es wäre tatsächlich ein Skandal, wenn ein derart aufwendiges Messprogramm klammheimlich in den Schubladen verschwände.

Was von verantwortlicher Politik eigentlich zu erwarten wäre:

• Die Bewertung der Messergebnisse auf der Grundlage von ernsthaften Vorsorge-Grenzwerten, siehe exemplarisch die Kriterien des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) oder auch der Weltgesundheitsorganisation WHO („kann im Menschen Krebs auslösen“).

• Das Hochrechnen der Ergebnisse der singulären 6 Messorte auf die ausgedehnte Hochspannungs-Trassenfläche in ganz Dortmund;

• Mut zu grundsätzlichen Konsequenzen bezüglich der Stadt- und Bauplanung.

Autor:

Judith Zimmermann aus Dortmund-West

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