„Den Kindern mal eine Freistunde gönnen!“

Wenn der Lehrer krank ist, fällt die Schule aus. Sind Ausfallstunden ein ständiges Problem oder ein unvermeidliches Ärgernis? | Foto: Schmitz
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Die Grundschullehrerin geht in die Elternzeit, der Mathelehrer liegt mit einer schweren Krankheit monatelang im Krankenhaus, die Englischlehrerin muss die Abiturprüfung beaufsichtigen oder ist auf Klassenfahrt.

All das sind Fälle, in denen normaler Unterricht ausfällt - mehr zum Ärger der Eltern als der Schüler. Wieviele Stunden das im Jahr sind, das wird in NRW nicht genau erfasst, Schätzungen gehen von Zahlen zwischen 2.3 und 5,8 Prozent aus.
Offen ist dabei auch die Frage, wie Stundenausfall definiert wird: „ Wenn die Schüler in eine Stunde, in der der Lehrer krank ist, fachfremden Unterricht haben, also zum Beispiel Erdkunde statt Mathe, dann ist das Unterricht, sagen die Schulen“, erklärt Werner Volmer, Vorsitzender der Stadteltern in Dortmund. Leisten aber gerade ältere Schüler in einer Ausfallstunde unbeaufsichtigte Eigenarbeit, dann sei das kein Unterricht, so Volmer.

„Unterrichtsausfälle sind ein Thema, das immer wieder nach oben kommt, gerade jetzt mit den vielen Feiertagen und Brückentagen und den Abiprüfungen gibt es das Gefühl der Eltern, dass sich die Ausfälle häufen.“ Dabei bewege sich der Unterrichtsausfall in Dortmund aber durchaus im normalen Rahmen, erklärt der Elternvertreter. „Die Schulen handhaben das unterschiedlich. Besonders an den Grundschulen gibt es so gut wie keine Unterrichtsausfälle“, erklärt Volmer. „Die Grundschulen sind alle bemüht, das aufzufangen, in Notfällen können die Schulen auf einen Vertretungspool von Lehrern zurückgreifen.“ Doch erst, wenn eine Lehrkraft länger als sechs Wochen fehlt, kommt ein Lehrer aus dem Vertretungspool, trotzdem reicht die Anzahl der vorgehaltenen Vertretungslehrer nicht aus.

Viele Stundenausfälle ließen sich nicht vermeiden, meint Volmer und rechnet vor: „Wenn bei einer durchschnittlichen Belegschaft von rund 80 Lehrern an einer Schule in der Grippesaison acht bis zehn Lehrer gleichzeitig erkranken, dann ist es eben unvermeidlich, dass Stunden ausfallen. Zwar darf die Schule nicht zusammenbrechen, man muss als Eltern aber auch einmal dafür Verständnis haben, dass etwas ausfällt, und den Kindern auch mal eine unvorhergesehene Freistunde gönnen. Manche Eltern reagieren da einfach extrem.“

Ein Extremfall waren auch die Unterrichtsausfälle in der Steinhammer-Grundschule, in der durch die Krankheit einer Klassenlehrerin nicht nur mehr als 50 Prozent des Klassen-Unterrichts ausgefallen war. Sogar die Versetzung der Klassenmehrheit war gefährdet.

„Derzeit ist mir keine Schule in Dortmund bekannt, an der es einen eklatanten Unterrichtsausfall gibt“, erklärt Werner Volmer. Besonders bei den kleineren Schülern in den Klassen fünf bis sieben versuchen die Schulen, keine Stunden ausfallen zu lassen und auch immer die Eltern zu informieren, wenn es krankheitsbedingt zu Freistunden kommt.“

Verbesserungsmöglichkeiten sieht Volmer aber bei der Art des Vertretungsunterrichts: „ Wenn mehrfach in der Woche einfach nur Spielchen mit den Kindern in den Vertretungsstunden gemacht werden, hat das für die Kinder keinen Lernwert mehr. Hier könnte man die Qualität der Stunden durchaus verbessern.“ Auch bei der selbstständigen Beschäftigung besonders der älteren Schüler sieht Volmer Optimierungsbedarf: „ Zurzeit fehlen hier oft die Qualitäts- und Arbeitskontrollen. Es ist frustierend für die ehrlichen und fleißigen Schüler, wenn ihre Arbeit, die sie in den Stunden selbst erbracht haben, nicht überprüft und kontrolliert wird. In der nächsten Stunde machen sie das dann sicher nicht mehr so gewissenhaft.“

Für eine Erfassung der Ausfälle setzt sich der Landesverband NRW Bildung und Erziehung ein: „ Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) NRW erwartet von der Landesregierung, dass sie den Unterrichtsausfall an den Schulen endlich aussagekräftig erfasst – und zwar in Form einer zuverlässigen Stichprobe. „Wer eine gute und verlässliche Schule will, darf nicht im Trüben fischen“, sagt der NRW-Vorsitzende Udo Beckmann.

Nur eine verlässliche Stichprobe würde ein klares Bild über den tatsächlichen Unterrichtsausfall liefern, so Beckmann, darunter müsse aber ausnahmslos jede Art von Unterrichtsausfall erfasst werden: „Wenn ein Lehrer gleichzeitig zwei Klassen beaufsichtigt, sieht es auf dem Papier so aus, als würde kein Unterricht ausfallen. Diese Art der Erhebung kaschiert aber die Realität.“

Die regelmäßige Erfassung ist für den VBE allerdings nur ein erster Schritt, erklärt Beckmann: „Aus den Zahlen, die das Land erhebt, muss es anschließend die Konsequenzen ziehen: Unterrichtsausfall kann nur mit mehr Personal vermieden werden. Deswegen muss eine Vertretungsreserve von mindestens acht Prozent an jeder Schule vorhanden sein.“

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) dagegen begrüßt den Ansatz, Ressourcen nicht in die Erfassung, sondern in die Vermeidung von Unterrichtsausfall zu investieren. Die Ursachen für Unterrichtsausfall seien hinlänglich bekannt.
Als kontraproduktiv nennt die GEW die Kürzung der flexiblen Mittel für Vertretungsstellen.„Effektiv lässt sich Unterrichtsausfall an unseren Schulen nur mit ausreichend Personal vermeiden“, sagt GEW-Landesvorsitzende Dorothea Schäfer. „Deshalb benötigen wir eine Vertretungsreserve an den Schulen und mehr Mittel für die Kompensation von krankheitsbedingten und anderen Ausfällen.“

Autor:

Lokalkompass Dortmund-City aus Dortmund-City

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