Das Ende des Baukunstarchivs
Lange wurde geplant und gekämpft, jetzt hat der Rat entschieden: Das ehemalige Museum am Ostwall kann abgerissen werden - zugunsten wahrscheinlich eines Investors, der dort Seniorenwohnungen plant. IM Vorfeld der Entscheidung hatte derFörderverein für das am Standort geplante Baukunstarchiv dazu in einem offenen Brief geschrieben:
"Sehr geehrte Damen und Herren,verehrte Mitstreiterinnen und Mitstreiter,liebe Mitglieder des Fördervereins, die nachfolgenden Ausführungen geben einen Überblick über die aktuelle Situation des Projekts „Baukunstarchiv NRW“.
In einem Schreiben der Architektenkammer NRW vom 19.4.2013 wurde der Stadt Dortmund dargelegt, dass die Architektenkammer und die Ingenieurkammer Bau NRW den Betrieb des Baukunstarchivs nicht als gesichert sehen und sie ein negatives jährliches Betriebsergebnis errechnet haben. Des Weiteren wurden in dem Schreiben die Einrichtungskosten als nicht gesichert definiert. Die Argumente einer Gegenrechnung der Stadt Dortmund auf der Grundlage der seit Jahren gemeinsam von allen Beteiligten inklusive der Kammern ermittelten Zahlen, die einen gesicherten Betrieb ausweist, wurden von den Kammern nicht akzeptiert. In einem Gespräch im Ministerium mit Herrn Minister Groschek Mitte Februar 2013 sahen die beiden Kammerpräsidenten die Betriebskosten als gesichert an.
Für das Projekt wurden in den letzten Jahren zahlreiche Unterstützungen zugesichert und Leistungen erreicht, die nun alle auf dem Spiel stehen. Hierzu die wesentlichen Fakten:
• Die Förderungsmittel des Landes zur Herrichtung des Baus von rund 3 Mi llionen Euro können nicht abgerufen werden.
• Der zugesagte Baukostenzuschuss des Fördervereins in Höhe von 350.000 Euro kommt nicht zur Auszahlung.
•Die in Aussicht gestellten Förderungsmittel für die Einrichtung des Archivs vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe von maximal 200.000 Euro können nicht in Anspruch genommen werden.
• Die einmaligen Unterstützungszusagen von Stiftungen, Institutionen etc. in Höhe von zur Zeit 150.000 Euro würden verloren gehen.
• Die eingeworbenen Projekt- und Forschungsmittel von 200.000 Euro für den Nachlass Prof. Josef Paul Kleihues, die von der LWL-Kulturstiftung unter der Bedingung der Realisierung des Baukunstarchivs NRW zugesagt wurden, verfallen.
• Weitere Projektmittel von 450.000 Euro die sich bei der DFG in Beantragung finden, können nicht in das Projekt einfließen.
• Weitere Projektmittel von 3.200.000 über eine Laufzeit von 15 Jahren, die sich beim Forschungsprogramm der Deutschen Akademien der Wissenschaften in Beantragung befinden, können nicht in das Projekt einfließen.
•Diverse zugesagte Sachspenden für Einrichtungen, Beleuchtungsanlagen etc. werden nicht mehr benötigt.
• Die Architektur- und Ingenieurkosten zur Vorbereitung des Projektes (Kostenschätzung, Brandschutz, technische Aufrüstung etc.), die von der Städt. Immobilienwirtschaft, von freien Planern sowie von der Architektenkammer geleistet wurden, werden selbst Archivgut.
• Die Personalbereitstellungen für das Baukunstarchiv durch die TU Dortmund, die Architekten- und Ingenieurverbänden, die Stiftung Deutscher Architekten und das ehrenamtliche Engagement von Pro Kultur Dortmund etc. in einem Gegenwert von jährlich 250.000 Euro können nicht in Anspruch genommen werden.
•Die Verhandlungen zum Einsatz von akademischen Archivreferendaren brauchen nicht mehr fortgesetzt zu werden (die Ausbildungsvergütung wird von den jeweiligen Ländern getragen). Die von den Kammern zugesagten jährlichen Beträge von 25.000,-- € verfallen.
•Die von der Stiftung Deutscher Architekten zugesagten jährlichen Beträge von 25.000 Euro verfallen.
• Betriebszuschüsse des Fördervereins von jährlich 25.000 Euro kommen nicht zum Einsatz.
• Ausgleichszahlungen der im Haus ansässigen Kultur-, Verbands- und Wissenschaftseinrichtungen von min. 40.000 Euro entlasten nicht mehr die Instandhaltungs- und Energiekosten des Hauses.
• Die fachliche wissenschaftliche Leitung des Baukunstarchivs durch die TU Dortmund kann nicht genutzt werden.
• Die vorhandene Sammlung des Archivs für Architektur und Ingenieurbaukunst NRW der TU Dortmund, die das architektonische, bauingenieurtechnische, städtebauliche und landschaftsplanerische Schaffen in NRW dokumentiert, kann nicht die Grundlage des Baukunstarchivs werden. Forschung und Lehre mit diesem Sammlungsgut sowie dessen öffentliche Präsentation wird nicht befördert.
•Weitere wichtige Nachlässe wie Helge Bofinger, Josef Paul Kleihues, Walter Brune etc. sowie wichtige Bibliotheksnachlässe werden in andere Bundesländer abwandern und gehen damit für NRW verloren.
• Viele weitere Nachlässe aus dem Land NRW werden vernichtet werden, da für sie keine Institution bereitsteht. Die Flächenpotenziale des Altbaus am Ostwall für ein Wachstum des Archivs am gleichen Ort über Jahrzehnte können nicht genutzt werden.
• Die Ausbildung von Archivfachkräften in diesem Bereich wird dann auch nicht in NRW möglich sein. Die Veranstaltungs- und Ausstellungsräume in diesem Gebäude kommen den vielfältigen Nutzern nicht zu Gute.
• Das ehemalige Museum am Ostwall wird als bedeutendster innerstädtischer Kulturbau der Stadt keiner angemessenen Nutzung zugeführt, sondern abgerissen. Die Verantwortung zur Baukultur und zur nachhaltigen Gebäudenutzung wird damit nicht wahrgenommen.
• Die Erwartungen und Hoffnungen zahlreicher bereits in den Prozess eingebundener Partner und Unterstützer auf die Realisierung dieser wichtigen Kultureinrichtung des Landes NRW werden enttäuscht. [...]
• Für das Land Nordrhein-Westfalen bietet das Gebäude am Ostwall die Erfüllung seiner Vorstellungen an die seit langem geplante Einrichtung zur Archivierung von Architektur und Ingenieurbaukunst in NRW durch ein ideales Raumangebot und einen zentralen Standort.
• Für die Stadt bietet das so entstehende Dokumentationszentrum für das baukulturelle Schaffen in NRW die einmalige Chance, eine zentrale Infrastruktureinrichtung des Landes mit bundesweiter und europäischer Ausstrahlung an einem exponierten Ort in Dortmund besucherfreundlich zu beherbergen.
• Für die Technische Universität Dortmund ergibt sich, ein lang diskutiertes Vorhaben mit der öffentlichen Präsentation des Archivgutes an einem prominenten Kulturort in der Stadt Wirklichkeit werden zu lassen. Mit Lehre, Forschung und öffentlicher Zugänglichkeit wird die Präsenz der TU im Stadtzentrum sichtbarer.
• Für die Standesorganisationen des baulichen Schaffens wird dieses Haus ein Zentrum für die geschichtliche Sicherung der Bau- und Handwerkskunst werden. Zudem bieten die vorgesehenen Ausstellungs- und Veranstaltungsflächen die Gelegenheit der Präsentation aktueller Bau- und Handwerkskultur.
Aus dieser Aufstellung ergeben sich ca. 4 Mio. Euro einmalige Gelder, die nicht dem Wirtschaftskreislauf zugeführt werden, sowie jährlich über 350.000 Euro für den Betrieb und das Personal, die nicht zur Entfaltung kommen können. Auch haben wir bei dieser Aufstellung nicht die Mittel berücksichtigt, die bis zur Inbetriebnahme des Baukunstarchivs und danach eingeworben worden wären. Hierfür liegen bereits Zusagen von bedeutenden Institutionen vor.
Das bisher Erreichte hat eine Größenordnung in Geld, Geist und institutioneller Bindung, die nicht leichtfertig und ohne erhebliche Schäden aufs Spiel gesetzt werden darf.
Die unterschiedlichen Interpretationen der Förderungsfähigkeit, der Auskömmlichkeit der Betriebsmittel, die Diskussion über die Personalkosten, die juristische Absicherung von möglichen weiteren Unterstützern etc. sollen auf ein Ziel ausgerichtet werden: Die Verwirklichung des Baukunstarchivs jetzt und heute ist auf dieser Grundlage möglich, wenn alle konsequent und konstruktiv an dem jetzt Erreichten weiterarbeiten. Die Überlegungen neuer Kooperations- und Institutionsformen für den Betrieb, die den Sicherbedürfnissen aller beteiligten Institutionen entspricht, sollten bei diesem positiven Projektstand überlegt werden. Wenn diese Chance jetzt nicht genutzt wird, wird es auch in den nächsten Jahrzehnten kein Angebot dieser Art in NRW mehr geben und das größte Bundesland wird weiterhin kein Baukunstarchiv besitzen. Zu dem facettenreichen Begriff der Baukultur gehört auch ein eigenes Haus.
Wir danken ihnen herzlich, dass Sie sich die Zeit genommen haben, unseren offenen Brief zu lesen, und bitten um Ihre Reaktion und Unterstützung."
Für den Vorstand (Walter Brune, Walter von Lom, Holger Pump-Uhlmann, Richard Schmalöer, Regina Wittmann) und den Beirat (Klaus Fehlemann, Wolfgang Schäfer, Wolfgang Sonne) des Fördervereins für das Baukunstarchiv NRW"
Autor:Lokalkompass Dortmund-City aus Dortmund-City |
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