Den Schutz vor Hochwasser und Überflutung will die Emschergenossenschaft weiter ausbauen
Forderung an Städte: Regen zurückhalten

Vollgelaufen wie noch nie waren die Emscherauen zwischen Ickern und Dortmund Mengede nach den Unwetter. Das Foto unten zeigt das große Areal mi dem Emscherhof vor den Fluten.    | Foto: EGLV/ Hans Blossey
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  • Vollgelaufen wie noch nie waren die Emscherauen zwischen Ickern und Dortmund Mengede nach den Unwetter. Das Foto unten zeigt das große Areal mi dem Emscherhof vor den Fluten.
  • Foto: EGLV/ Hans Blossey
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Auch wenn die Emscher und ihre vielen Regenrückhaltebecken das Schlimmste beim Unwetter im Ruhrgebiet verhinderten, will die Emschergenossenschaft den Schutz vor Überflutung und Hochwasser weiter ausbauen. Gestern zog sie in Dortmund Bilanz am Phoenix-See und an den Emscher-Auen, stellte Pläne vor und auch Forderungen an die Städte. Sie müssen auch als "Schwammstädte" funktionieren. 
Die Hochwasserrückhaltebecken haben ihre Aufgabe erfüllt, die Deiche haben gehalten, es kam zu keinen extremen Überflutungen. Das Emscher-System musste sich in der vergangenen Woche mit den teils extremen Niederschlagsereignissen einem bislang noch nicht da gewesenen Härtetest unterziehen. Obwohl die Bilanz positiv ausfiel, will die Emschergenossenschaft den Hochwasserschutz für die Region weiter verbessern.

Schutz geht sogar über Vorgaben hinaus

„Die Wasserwirtschaft hält alle gesetzlichen Vorgaben zur Hochwasservorsorge ein und geht mit dem Schutzniveau zum Teil deutlich über diese Vorgaben hinaus. Aufgrund des Klimawandels und der zunehmenden Intensität der Starkniederschläge reicht das aber zukünftig nicht aus“, fasst Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft, zusammen. Aufgrund der besonderen Situation im Ruhrgebiet mit einer hohen Bevölkerungsdichte, dem hohen Grad an versiegelten Flächen, einem enormen Schadenspotential und der Belastung durch Bergsenkungen, sieht der Chef des Wasserwirtschaftsverbandes weiteren Handlungsbedarf.

Noch mehr Rückhalteflächen schaffen

„Wir müssen deutlich mehr Retentionsflächen schaffen, die im Hochwasserfall kontrolliert geflutet werden können. Neben Finanzierungsfragen ist hierbei besonders die Flächenknappheit ein Problem. Hier gilt es, über neue Formen der gemeinsamen Nutzung von Landwirtschaft und Wasserwirtschaft nachzudenken“, so Dr. Emanuel Grün, Technischer Vorstand der Emschergenossenschaft.

Städte müssen zu Schwämmen werden

In den Städten müsse sich eine neue Form des Städtebaus etablieren, die dem Prinzip der „Schwammstadt“ folgt: Entsiegelung von befestigten Flächen, die Schaffung „multifunktionaler“ Flächen, bspw. Sportplätzen, die im Bedarfsfall geflutet werden können oder der Bau von Gründächern und Fassadenbegrünungen. Die Erschließung von zusätzlichen Stauungsräumen in der Kanalisation durch eine optimierte, einheitliche Kanalnetzsteuerung und die Verringerung von Schnittstellen sei ebenfalls ein wichtiger Beitrag. „Im Ruhrgebiet hat die Ruhrkonferenz mit dem Projekt ‚Klimaresiliente Region mit internationaler Strahlkraft‘ ein leistungsfähiges Netzwerk der Wasserverbände und der Kommunen gegründet und bereits erste Projekte umgesetzt – für mich ein Modell mit Vorbildcharakter“, so Uli Paetzel.

Renaturierung verbessert Schutz

Im Emscher-Gebiet verhinderten in der vergangenen Woche auch die 22 Hochwasserrückhaltebecken der Emschergenossenschaft, die ein gesamtes Rückhaltevolumen von 2,8 Mio. m³ Volumen haben, Schlimmeres. Die Renaturierung der Gewässer nach der Abwasserfreiheit wird den Hochwasserschutz weiter verbessern: Oberflächen- und Abwasser werden getrennt abgeführt, eine Aufweitung der Gewässer bietet mehr Raum und begrünte Ufer werden dafür sorgen, dass Wasser langsamer ablaufen kann.

Extrem-Regen bringt Systeme an die Grenzen

Aber: „Die dramatischen Hochwasserereignisse im Bergischen Land und in linksrheinischen Katastrophengebieten zeigen, dass langsam ziehende Starkniederschlagsgebiete Niederschläge auch über 200 mm am Tag verursachen. Auch die besten technischen Systeme können derartige Niederschläge nicht aufnehmen und abführen“, so Emanuel Grün.

Im Emscher-Gebiet stellten sich die Niederschlagsereignisse so dar, dass „Tief Bernd“ sehr ergiebigen Dauerregen mit sich brachte, der durch lokalen Starkregen dann noch verstärkt wurde. Der Boden, oberflächlich bereits gut gesättigt durch vergangene Niederschläge, nahm kaum noch Wasser auf.

Chronologie zur großen Flut:

In der Nacht vom 13. Juli ab circa 20 Uhr geriet das Emscher-Lippe-Gebiet unter Einfluss des Tiefs. Bis zu einer vorübergehenden Niederschlagspause ab circa 11 Uhr wurden punktuell bereits über 40 mm registriert. Die Pegel an der E​mscher stiegen an, am Pegel Bottrop Süd wurde die Warnstufe zur Aktivierung des HW-Einsatzes kurzzeitig überschritten. In der folgenden Niederschlagspause begannen die Pegel wieder zu fallen. Am Nachmittag zogen dann aus nordöstlicher Richtung Starkniederschlagszellen mit Schwerpunkt über dem östlichen Lippe-Gebiet und dem Raum Dortmund. Diese verlagerten sich zunehmend in die Mitte des Verbandsgebietes und zogen schließlich in südlicher Richtung ab. Sie waren ausschlaggebend für den extrem schnellen Anstieg der Emscher-Pegel.

Niederschläge in Dortmund am stärksten

Flächendeckend wurden im Emscher-Gebiet in 24 Stunden rund 64 mm gemessen, davon fielen rund 40 mm in 12 Stunden. Am Niederschlagsschwerpunkt im Raum Dortmund wurden in der Spitze 113 mm registriert. An der Station Dortmund Scharnhorst wurden in einer Stunde 55,8 mm registriert und in 24 Stunden 107 mm. Zum Vergleich: Der mittlere Juli-Niederschlag im Emscher-Gebiet beträgt 83 mm!

Im gesamten Emscher-Gebiet gab es Starkregenzellen mit lokalen Niederschlägen, die statistisch gesehen seltener als einmal in hundert Jahren wiederkehren. Im Oberlauf der Emscher wurde ein „HQ 100“ überschritten, also ein Hochwasser, das statistisch gesehen alle 100 Jahre auftritt.

Maximaler Wasserstand: 7,13 Meter

Die Hochwasserrückhaltebecken erfüllten ihre Funktion und trugen zur Reduktion der Abflüsse bei. Im Mittellauf der Emscher war die Lage unterschiedlich und es kam zu Hochwasserereignissen, die statistisch gesehen alle 25 oder 200 Jahre vorkommen – Letzteres war unterhalb der Mündung des Hüller Bachs der Fall. Am Unterlauf wurde ein 10-jährliches Hochwasser registriert. Den maximalen Wasserstand erreichte die Emscher an der Königsstraße in Oberhausen mit 7,13 Metern – der mittlere Wasserstand beträgt hier 2,93 Meter. Lokale Überflutungen traten an den Nebenläufen auf.

100.000 m3 Wasser fließen in Phoenix-See

Während das Hochwasserrückhaltebecken Emscher-Auen zwischen Dortmund Mengede und Castrop-Rauxel sich zur eindrucksvollen Seenlandschaft verwandelten, kam es am Becken „Nagelpöttchen“, das vor dem Hochwasserrückhaltebecken Phoenix-See liegt, zu einem kontrollierten Notüberlauf: Als das Becken mit einem Einstauvolumen von 89.000 m³ die komplette Einstauhöhe erreicht hatte, lief das Wasser über einen Notauslass zurück in die Emscher.
Dieser Notauslass funktioniert wie der Überlauf bei einer Badewanne und schützt die Becken so vor dem unkontrollierten Dammbruch mit seinen verheerenden Folgen.

Emscher trat über die Ufer

Die Emscher trat zwischen dem Hochwasserrückhaltebecken Nagelpöttchen und dem Hochwasserrückhaltebecken Phoenix See als Folge des hohen Wasserstands über die Ufer.
Der Phoenix See in Dortmund wurde in seiner Funktion als Hochwasserschutzanlage zusätzlich mit über 100.000 Kubikmetern Wasser aus der Emscher geflutet, was seit Inbetriebnahme vor zehn Jahren noch nicht geschehen ist. Die Wasserqualität vor Ort wird seither erfasst und kontrolliert.

Aufräumarbeiten dauern an

„Es sind keine Personen zu Schaden gekommen, das ist das allerwichtigste, und große Schäden an unseren eigenen Anlagen konnten weitgehend verhindert werden. Die Aufräum- und Wiederherstellungsarbeiten insbesondere an unseren Baustellen zum Emscher-Umbau werden uns allerdings noch einige Zeit beschäftigen“, fasst Uli Paetzel abschließend zusammen.

Daten & Fakten:

Das Emscher-Gebiet hat eine Einzugsgebietsgröße von 865 km², von denen 327 km² Polderflächen sind – also bergbaubedingt abgesackte Bereiche, die künstlich entwässert werden müssen. Mehr als die Hälfte des Gebiets, nämlich 62 Prozent sind versiegelt.

Zum „System Emscher“ zählen:

  • 5 Kläranlagen mit einer Gesamtkapazität von ca. 4,8 Mio. Einwohnerwerten
  •  352 km Wasserläufe
  •  384 km Abwasserkanäle
  • 117 km Deiche, davon Rheindeich Duisburg-Beeckerwerth 4,20 km, Emscher-Hauptlauf 60,47 km, Emscher-Nebenläufe 52,25 km
  • 130 Pumpwerke, die 37,8 % der Fläche des Verbandsgebietes entwässern
  • 22 Hochwasserrückhaltebecken 
  • 27 Regenrückhaltebecken

Schwammstadt kann Regenwasser speichern

Die "Schwammstadt" ist ein Konzept der Stadtplanung, anfallendes Regenwasser in Städten lokal aufzunehmen und zu speichern, anstatt es nur zu kanalisieren und abzuleiten. So kann man die Folgen des Klimawandels abschwächen. Dazu zählen begrünte Dächer, begrünte Fassaden, multifunktionale Flächen und Baum-Rigolen, das sind unterirdische Speicherbecken unter Straßenbäumen...

Die Emschergenossenschaft

Die Emschergenossenschaft ist ein öffentlich-rechtliches Wasserwirtschaftsunternehmen, das effizient Aufgaben für das Gemeinwohl mit modernen Managementmethoden nachhaltig erbringt und als Leitidee des eigenen Handelns das Genossenschaftsprinzip lebt. Sie wurde 1899 als erste Organisation dieser Art in Deutschland gegründet und kümmert sich seitdem unter anderem um die Unterhaltung der Emscher, um die Abwasserentsorgung und -reinigung sowie um den Hochwasserschutz.

30 Jahre Emscher-Umbau

 Seit 1992 plant und setzt die Emschergenossenschaft in enger Abstimmung mit den Emscher-Kommunen das Generationenprojekt Emscher-Umbau um, in das über einen Zeitraum von rund 30 Jahren knapp 5,5 Milliarden Euro investiert werden.

Autor:

Antje Geiß aus Dortmund-City

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