Zweites Ukraine-Benefizkonzert im domicil Dortmund
Vadim Neselovskyis Odessa Suite: A walk through a legendary city
Nach dem Solidaritätskonzertabend "Zusammen mit der Ukraine" am 14. März diesen Jahres lädt das domicil erneut zu einem Benefizkonzert zugunsten humanitärer Hilfe für die Ukraine ein. Und dies mit einem ganz speziellem Konzertabend: Der aus Odessa stammende Pianist Vadim Neselovskyi hat lange Jahre in Dortmund gelebt und an der damaligen Musikhochschule studiert. Auch in Jazzkreisen war er in den 90er Jahren in der hiesigen Szene sehr präsent. Mittlerweile in den USA ansässig und Professor am renommierten Berklee College of Music in Boston spielt er nun seine "Odessa Suite: A walk through a legendary city", was natürlich vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges in der Ukraine - wenn auch ungewollt - eine besondere Bedeutung erfährt.
Während der Pandemie im domicil geprobt
Die Idee zur Suite entstand bereits im Jahr 2019. Während der Coronazeit in 2020 und 2021 verbrachte der Pianist Vadim Neselovskyi viel Zeit im domicil zum Komponieren und Proben seiner Odesa Suite als Vorbereitung für die anstehende Album-Veröffentlichung.
In Odessa (deutsche Schreibweise), damals noch Teil der Sowjetunion, hatte Vadim Neselovskyi ein klassisches Klavierstudium begonnen. Parallel begeisterte er sich für Jazz, inspiriert von Aufnahmen amerikanischer Koryphäen wie Keith Jarrett, Chick Corea und Thelonious Monk. Mit seiner Familie zog er in den 90er Jahren nach Dortmund, wurde hier schnell ein aktives Mitglieder der Jazz-Szene und ist die Verbindung zur Westfalenmetropole ist trotz seines Umzugs in die USA nicht abgerissen.
Er bekam die Möglichkeit, an die renommierte Berklee School Of Music in Boston/USA zu gehen und wurde Mitglied in der Band des weltbekannten Vibraphonisten Gary Burton und schließlich dort auch Professor für Jazzpiano. Sein Album-Debüt mit eigener Band produzierte der Pianist Fred Hersch. Er komponierte für Antonio Sanchz und Julian Lage. Auch für Komponist John Zorn war der vielseitige Ukrainer, der heute zwischen den USA und Deutschland pendelt, im Studio. Ende April fanden zwei ausverkaufte Aufführungen des musikalischen Spaziergangs im Rahmen der Festivalprogramms der Jazzahead-Fachmesse in Bremen statt.
"Ich bin in Odessa, Ukraine, geboren und aufgewachsen – einer wunderschönen Hafenstadt am Schwarzen Meer. Ich weiß, dass fast jeder schon einmal von Odessa gehört hat, und doch wissen viele Menschen nicht wirklich viel darüber. Einige haben von dieser Stadt durch Eisensteins Film “Panzerkreuzer Potemkin” gehört, andere kennen sie als Geburtsort des Geigers David Oistrach. Viele kennen Odessa als ein sehr wichtiges Zentrum jüdischen Lebens zu Beginn des 20. Jahrhunderts. In meinem neuen Projekt möchte ich meine persönliche Geschichte über diese Stadt erzählen. Mein neues Stück wird den Zuhörer auf eine imaginäre Reise durch meine Heimatstadt mitnehmen, voller Erinnerungen, historischer Bezüge, Rückblenden, Träume …” (Vadim Neselovskyi)
Mussorgsky als Inspiration
Der Pianist ließ sich für das Projekt Odesa von Modest Mussorgskys Bilder einer Ausstellung inspirieren. Er beschloss, die Zuhörer durch sein Odesa zu führen, ausgehend von der Geschichte, die er gelernt hat, seinen persönlichen Erinnerungen und Beobachtungen und seinen Träumen.
Das Programm beginnt mit einer dramatischen Ankunft in der Odesa Railway Station, deren tuckernder Rhythmus Neselovskyis lyrische Melodie mit starken Elementen bittersüßer Ironie untermalt, für die Odesa bekannt ist, und verlangsamt sich zu einer bewegenden einleitenden Rhapsodie, deren Bedeutung eine Zugentgleisung (eine symbolische Unterbrechung der Reise) und schließlich der Versuch ist, sich wieder auf die Spur zu setzen und weiterzufahren. Winter In Odesa fängt die zarte, schimmernde Schönheit der eisbedeckten Stadt ein, während das eindringliche Potemkin Stairs den Eindruck von Odesas bekanntestem Wahrzeichen, die zum aufgewühlten Schwarzen Meer führende Treppe, einfängt, die in Eisensteins Filmklassiker Panzerkreuzer Potemkin zu sehen ist. Das ruhige, lyrische Stück Acacia Trees atmet die Zärtlichkeit eines Maientages in Odesa, durchdrungen vom Geruch des Meeres und dem Duft von Blumen.
Der kapriziöse Waltz of Odesa Conservatory ist ein wehmütiges autobiografisches Klanggedicht, das den Beginn der Studien des sehr jungen Neselovsky am Konservatorium von Odesa und den verschlungenen Weg nachzeichnet, den er in diesen Jahren einschlug. Die nächsten drei Stücke stellen eine Suite innerhalb einer Suite dar und sind der jüdischen Bevölkerung gewidmet, die Odesa zu dem gemacht hat, was es war. October 1941 ist ein düsteres, erschütterndes Stück, das die Empörung über die Ermordung der jüdischen Bevölkerung von Odesa durch rumänische Truppen unter dem Oberbefehl Hitlers zum Ausdruck bringt. Das Thema von Jewish Dance zitiert teilweise ein Wiegenlied, an das sich Neselovskyis Mutter erinnerte und das ihr von ihrem Vater vorgesungen wurde, obwohl Neselovskyi die Quelle nie ausfindig machen konnte. Neselovskyi beschleunigte die Melodie, um einen lebhaften Tanz zu kreieren.
Ein weiteres autobiografisches Stück, My First Rock Concert, erinnert an Neselovskyis aufkeimendes Interesse an populärer Musik während des Zusammenbruchs der Sowjetunion. Er besuchte ein Konzert des legendären russischen Rockstars Victor Tsoy, der in den späten 1980er Jahren eine Stimme und ein Symbol für den Wandel war; Anklänge an Tsoys Hymne Blood Type sind im bewegenden Höhepunkt des Stücks zu hören. Die Aufnahme schließt mit The Renaissance of Odesa, einem wehmütigen Stück, in dem dafür gebetet wird, dass Odessa nach den letzten 80 Jahren des Aufruhrs wieder aufgebaut werden kann und die gegenwärtige Bedrohung übersteht.
Generationen von Bewohnern von Odesa und der Ukraine haben Unruhen und Entbehrungen miterlebt. Vadim Neselovskyi erinnert sich lieber an die Schönheit des Ortes, an dem er geboren wurde, als an die Dunkelheit und die Schwierigkeiten. Odesa: A Musical Walk Through a Legendary City ist eine wirklich wunderbare und einzigartige Hommage an die Perle des Schwarzen Meeres.
Der Eintrittserlös des Konzerts geht angesichts des zu veruteilenden russischen Angriffskrieges und seiner Folgen für die Zivilbevölkerung zu 100% an eine humanitäre Hilfsorganisation in der Ukraine.
Info/Tickets (20 € VVK/AK):
www.domicil-dortmund.de
Autor:Katharina Müller aus Dortmund-City |
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