Tatort: Straßenstrich
Hautnah am Dortmunder Tagesgeschehen entstand Gabriella Wollenhaupts neuer Krimi. Mitten im Milieu, welches die Stadtspitze lieber heute als morgen loswürde, findet Reporterin Grappa eine Leiche. Wen das an Frauen, die in der Nordstadt von Freiern aus dem Fenster geworfen werden und abgehackte Pferdebeine vor der Haustür einer Roma-Familie erinnert, der liegt richtig: Die schlimmsten Geschichten schreibt die Realität.
Und die ist in der Nordstadt hart. „So etwas kann man nicht erfinden“, erzählt die Dortmunder Autorin von ihrem 22. Grappa-Krimi. „Ich habe mir im Depot mit meinem Mann den Dokumentarfilm aus Bulgarien angesehen“, erzählt sie, wie sie die Armut der Roma nachhaltig beindruckt hat. „Den Anstoß“, sagt sie, „hat die Schließung des Straßenstrichs gegeben.“
In „Grappa lässt die Puppen tanzen“ folgen ihre Leser der engagierten Polizeireporterin Maria Grappa nach einem grausigen Mord in die schwierige Welt der Roma-Frauen in der Nordstadt. Im Morgengrauen, als Polizei und Ordnungsamt den Straßenstrich dicht machen, stößt Grappa auf eine junge Frau: gefoltert, getötet und weggeworfen.
Auf einschlägigen Internetseiten fand Gabriella Wollenhaupt die Bulga-Twins und Ungeheuerliches, das Freier über die Prostituierten schreiben. So spielen die Zwillinge, die Mitternachtsmission, Kober, die Polizei, natürlich die Nordstädter und auch der schicke neue Phoenix-See eine Rolle bei der Mörderjagd.
„Da musste ich gar nicht so groß was erfinden“, meint die Schriftstellerin. Auch, dass es diesmal mit ihrer Heldin nicht so viel zu lachen gibt. Haben die Bulgarinnen, an die Grappa herankommen will, auch nicht. „Das ganze Elend wird drastisch geschildert, von Abtreibungen bis zu Auffangklassen“, legt Wollenhaupt den Finger in die Wunde, „ohne zu verurteilen.“
Wo Väter ihre Töchter auf den Strich schicken
Denn die Autorin weiß, dass Krimis Menschen an Themen heranführen, mit denen sie sich sonst nicht befassen würden. „Und es bleibt auch etwas hängen“, ist sie sicher. Sie schreibt über Roma, die an sich eine starke Moral haben, aber Väter ihre Töchter auf den Strich schicken.
„Alle Klischees sind gar nicht falsch“, so das Fazit der Autorin nach langer Recherche. „Das Elend“, betont sie,“ wurde ja nicht mit der Schließung des Straßenstrichs beseitigt, es wurde nur verlagert.“ Eine Patentlösung für all die Probleme der Nordstadt gebe es nicht. Und es seien in Dortmund auch nie 700 Prostituierte gewesen. „Alles Quatsch!“, wehrt sich Wollenhaupt. Das Thema drohe nach einem Jahr in der Versenkung zu verschwinden. Die Frauen, weiß sie, die sind ja nicht weg, die sprechen in Eving und in Mengede Männer an und prostituieren sich da in Hinterzimmern. Doch die Nordstadt in ein schlechtes Licht rücken, will Wollenhaupt nicht. „Sie hat schöne Ecken und es kommt darauf an, wo man wohnt und wann man nach Hause kommt.“
Aber es habe auch den Überfall der Roma auf die Kleiderkammer gegeben, es gibt Menschen, die im Auto schlafen und auch Paten gebe es. Und immer seien es die Frauen, die ausgebeutet werden. Damals habe die vollbusige Zigeunerin in vielen Wohnzimmern gehangen, doch das romantisierte Bild habe sich komplett gewandelt. Bei Grappa sind die Zigeunerinnen wehrlose Opfer ganz neuer Verbrechensformen. Dabei überprüft ihre Erfinderin alles, was sie erlebt auf Verwertbarkei. Denn derzeit schreibt sie „Blutiger Sommer“ einen historischen Roman.
Neuer Fall dreht sich um Rechtsradikale
Übrigens bewegt sich ihre Reporterin in ihrem nächsten Fall in der rechtsradikalen Szene und gerät in einen Nachbarschaftsstreit. „Damals, als wir den Film an der Mallinckrodtstraße drehten, wo Mehmet Kubasik ermordet wurde, das war etwas, was ich nicht vergessen werde.“ Sie lässt Maria Grappa weiter recherchieren.
Autor:Antje Geiß aus Dortmund-City |
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