Neue Idee: Dortmund schafft ein Haus der Kunst-Gerechtigkeit

Der Dortmunder Journalist und ehemalige Sprecher der Universität Klaus Commer hat ein Konzept für eine besondere Kunstpräsentation im ehemaligen Museum am Ostwall entwickelt:

"Heute vor 71 Jahren wurden in der Universität München die Geschwister Scholl als Widerstandskämpfer gegen den Faschismus verhaftet. In Berlin verkündete Reichspropagandaminister Goebbels die mörderische Idee des “totalen Krieges”. Der Ungeist der Nazi-Zeit wirkt noch fort. Dortmund ist eine Stadt, deren Bewohner sich dagegen für Frieden, Gerechtigkeit und vielfältige Demokratie einsetzen.

Nachrichten der letzten Monate haben deutlich werden lassen:

Über die aktuellen Beschlagnahme von immensen Kunst-Funden in München und Salzburg hinaus gibt es in Museen und Sammlungen, bei Kunsthändlern und in Privatbesitz zahlreiche Kunstwerke, die während der Jahre des faschistischen “Dritten Reichs” als “entartete” Kunst diffamiert und aus öffentlicher Präsentation entfernt wurden.

Andere Bilder und Objekte mussten aus Privatbesitz - zum Teil weit unter ihrem Wert - verkauft werden, um bedrohten Menschen Flucht und Auswanderung zu ermöglichen. Wieder andere Werke sind durch staatlichen Eingriff aus dem Besitz von Menschen geraubt worden, die enteignet, ins Exil oder gar in Vernichtungslager und den Tod getrieben wurden.

Der aktuellen Ermittlungen finden bislang weitgehend außerhalb der Öffentlichkeit statt. Sie lassen vermuten, dass noch tausende von Kunstwerken unterschiedlicher Genres nicht gefunden sind und dass es für viele Jahre eine Aufgabe bleiben wird, diese Bilder und Kunstobjekte jeder Art neu zu entdecken und ihnen Kunst-Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, Dabei geht es nicht nur darum, ihnen einen würdigen Platz in der Kunstgeschichte zurückzugeben, sondern auch zu prüfen, wer in jedem Einzelfall heute als rechtmäßiger Eigentümer ermittelt werden kann und wo Entschädigungen gezahlt werden müssen.

Dieser Prozess der Rehabilitation einer als “entartet” bezeichneten Kunst, diese Neuentdeckung verloren geglaubter und unbekannter Kunstschätze sowie die Entschädigung beraubter und geprellter Kunstliebhaber kann nicht hinter verschlossenen Türen organisiert werden.

Das Dortmunder Museum am Ostwall kann eine neue Aufgabe bekommen als als Stätte der Organisation und Präsentation dieses Prozesses der Kunst-Gerechtigkeit. Die aktuell gefundenen und vorerst beschlagnahmten Bilder und Plastiken können hier in Ausstellungen gezeigt und von Experten im Gespräch mit Kennern und Anspruchsberechtigten neu bewertet, entschädigt und rechtmäßigen Eigentümern zurück gegeben werden.

Perspektiven öffnen sich:

1. Anspruchsteller erhalten die Möglichkeit, Herkunft, Wert und Eigentum der Kunstwerke in einem öffentlichen Diskurs darzustellen, neu zu begründen und zu bewerten. Sie sollen gebeten werden, ihre Ansprüche mit der öffentlichen Neuentdeckung und Aneignung der Kunstwerke zu verbinden und diese mindestens für die Zeit der notwendigen Klärungsprozesse bereitzustellen.

2. Dies wird manchen der Opfer von “Entartung” und “Beraubung” nicht leicht fallen, ihnen aber auch hohe Wertschätzung eintragen. Ein solches Verfahren trägt nämlich dazu bei, nicht nur Eigentumsrechte zu klären und Schaden wieder gut zu machen. Es ist auch ein unschätzbarer Beitrag zur gesellschaftlichen (Wieder-)Aneignung dieser Kunstwerken aus dem Unrecht früherer Jahre.

3. Kunst-Gerechtigkeit wird so in den notwendigen ersten Schritten nicht beschränkt auf die Frage der Rückgabe von Eigentum, sondern zum kulturellen Diskurs, der sich nicht auf gerichtliche Auseinandersetzungen konzentriert, sondern auf Wahrheitsfindung und gesellschaftliche Teilhabe.

4. Das Museum am Ostwall kann unverzüglich für diesen Prozess der Präsentation, Wahrheitsfindung, Neubewertung und erneuten Zueignung der Kunst genutzt werden, Dortmund wird so ein zentraler Ort der Aufarbeitung von Kunst-Gerechtigkeit. Das Museum wird Kunstfreunde, Experten aus aller Welt anziehen und kann zum Teil dauerhaft, zum Teil wechselnd Ausschnitte aus diesem Prozess öffentlich machen.

5. Es ist denkbar, dass einzelne der Kunstwerke auch zu Recht auf Dauer neu gesammelt und als Leihgaben oder Eigentum öffentlich präsent gehalten werden. Wenn das Museum für die beschriebene Aufgabe, neue Kunst-Gerechtigkeit zu schaffen, einen auch nur geringen Teil der neuen Wertschöpfung erhält, ergeben sich daraus Möglichkeiten zum Erwerb des Museums und der Eigenfinanzierung des Projektes durch die Stadt Dortmund oder die künftigen Initiatoren.

6. Dieser Vorschlag, der von mir in der Berliner “Jüdischen Zeitung” Nr. 12/2013 gemacht wurde, knüpft daran an, dass das Dortmunder Museum am Ostwall bereits in der Vergangenheit mit der Rehabilitation von “Entarteter Kunst” auseinandergesetzt hat, zeitweilig auch als mögliches Zentrum oder neue Synagoge der Jüdischen Gemeinde diskutiert wurde, nun aber laut Ratsbeschluss veräußert werden soll.

7. Die Idee ist aufgegriffen von der Bürgerinitiative “Rettet das ehemalige Museum am Ostwall”, die bereits mehrere tausend Unterschriften für einen Erhalt und eine neue Nutzung des Museums gesammelt hat. Es erscheint möglich, das Ziel dieser Initiative mit dieser neuen, sinnvollen und finanzierbaren Aufgabe zu realisieren."

Dortmund, 18. Februar 2014

Klaus Commer

Autor:

Lokalkompass Dortmund-City aus Dortmund-City

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