Filmtipp: Anna Karenina in der Camera Dortmund: Seht! Staunt!

Man muss sich eingewöhnen: was welche Personen warum tun, ist nicht auf den ersten Blick auszumachen, zumal für Nichtkenner des Romans wie mich. Und: es kommt die Befürchtung auf, dass ein volkstümliches Theaterspektakel im onkelhaften Ton der Bärenbude dargeboten werden soll. Aber das ist ganz und gar nicht so. Nach einigen Minuten Eingewöhnung ist deutlich, dass der Film einen in ein richtig grandioses Lichtspieltheater reisst. Mit großartigen Kulissenbauten - man ist in der Oper, auf dem Bahnsteig (der Zug meterdick in Kunstschnee gehüllt), im Landhaus, im Schloss, im Beaudoir, in der Kaserne, ja sogar beim Pferderennen und beim Ball! Der unglaublichste Ball der Weltgeschichte, denn es wird Walzer getanzt, dass einem die Spucke wegbleibt. Geschmeidiger Walzer, federleicht, mit Wickelfiguren und einer ganz speziellen Choreographie für Arme und Hände. Hände, die sich umschlingen, schmiegen, lösen, umfassen, locken, flüchtig berühren - nie, nie, nie habe ich Paare so betörend Walzer tanzen sehen! In diesem Tanz betören sich Anna und Graf Vronskij mit Haut und Haar und sind hinfort für die Welt verloren.
Manchmal geht eine Kulissentür auf und öffnet sich tatsächlich ins Weite. Dann befinden wir uns auf den Ländereien von Graf Levin. Hier wird richtig ehrlich gearbeitet, gesenst, geschwitzt mit Leib und Seele, hier wird es dann auch eine richtig glückliche Ehe geben.
Bei den Karenins in Petersburg ist daran nicht zu denken, da regiert Etikette, starre Form und Konvention der russischen Adelswelt, ein paar Jahrzehnte vor der Revolution. Keira Knightley ist eine leidenschaftliche, zart-fragile und manchmal hysterische Anna. Jude Law zeigt als Karenin knochenharte Korrekheit gepaart mit dem Schmerz eines ungeliebten Einsamen.
Genug geredet - geht ins Lichtspieltheater, seht, staunt!

Autor:

Christine Lindemann aus Dortmund-City

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