Diskokugel Dortmund
Ausgehen und Clubbing verändert sich ebenso wie die Musik zu der die Partygänger in die Nacht tauchen. Zeit zu schauen, was sich seit GEMA-Tarifreform, Ende des Thier-Partygeländes und dem gesellschaftlichen Trend zum Rückzug ins Private getan hat.
von Steffen Korthals
Sie möchte Teil einer Großstadtbewegung sein und kämpft mit Verwaltungsmühlen und dem eigenen Anspruch und Minderwertigkeitsgefühl. Dabei kann sich die Dortmunder Ausgeh- und Clubkultur in den letzten Jahren einer großen Eigeninitiative und Kooperationsfähigkeit rühmen und hat anderen Städten einige interessante Locations und Projekte voraus - dies besonders abseits etablierter Pfade.
Clubsterben trat nie ein
Die Befürchtungen vieler Partygänger, Discobetreiber und Veranstalter vor einem großflächigen Clubsterben aufgrund höherer GEMA-Abgaben sind nicht eingetreten; die umstrittenene Tarifreform wurde erstmal ausgesetzt. Auch das Ende der Clubs und Bars auf dem Thier-Gelände betrübte das Amüsement der feierwütigen Freunde gemischter, elektronischer Musik nur kurzfristig.
Großes exquisites Clubsegment
Gerade im eher exquisiten Clubsegment bietet die Stadt mit VIEW und MOOG im Dortmunder U und der Achse zu Nightrooms, Village, iRoom! und weiteren Tanzflächen in der City eine Vielzahl von Lokalitäten für Anspruchsvolle. Wer sich etwas vom musikalischen Mainstream weiter entfernt wohl fühlt, gleichzeitig aber auch nicht zu tief in alternative Subkulturen eintauchen möchte, kann auf die etablierten Konzert- und Tanzangebote zurückgreifen, wie etwa vom FZW, Im Keller, Cosmotopia, Daddy Blatzheim, Spirit, Strobels und DOMICIL. Musikalisch ist man hier mal mehr und mal weniger am Puls der Zeit, findet sich aber zum Teil auch in Retrogefilden bei publikumswirksamen Trash-Abenden, Soul-Klassikern, Gitarren-Soli oder altersgerechten Motto-Partys wieder.
Kneipenkonzerte haben's schwer
Klassische Kneipenkonzepte scheinen es hingegen oft schwer zu haben Ihr Publikum zu finden. Der Trend geht seit längerem bereits zur Kombination von Gastronomie und Entertainment, ob durch ergänzende Tanzveranstaltungen, Ausstellungen oder Live-Auftritte von Musikern. Konzepte, die bestens an angesagten Nordstadtorten, wie Sissikingkong, subrosa, Herr Walter, Nordpol, Rekorder oder Salon FINK funktionieren.
Tanz- trifft Kunstszene
Ein Austausch mit der Kunstszene aus der Nordstadt und dem Viertel Rheinische Straße wird gepflegt, Newcomer und Szeneprominenz spielen Seite an Seite für die Nachtschwärmer, Vereine wie Die Urbanisten, TOnbande oder Maschinerie klinken sich ohne große Werbung oder Medienberichterstattung mit ein und erfinden neue Kooperationen und Konzepte. Unter dem öffentlichen Radar spielen sich ebenfalls die meisten Veränderungen in der Subkultur elektronischer Tanzmusik und ihren Veranstaltungen ab.
Fans grooven in den kleinen Clubs
In kleinen und liebevoll neugestalteten Clubs, wie beispielsweise Oma Doris (ehemals Tanzcafé Hösels) und Mad Club (ehemals vrstck) grooven Fans zu Underground House und Techno bis zur Morgenhelle.
Ganz im Zeitstil einer Do-it-yourself-Mentalität und des Netzwerkens haben sich etliche Kollektive und Vereine, wie Kommune 44, All The Time, We Love Electronic Music und Laublauschen, gebildet, die am Wochenende ungenutzte Räume und Flächen in temporäre Clubs umwandeln oder Lokalitäten, wie Schrebergärten, Weinkeller, abgelegene Grünflächen oder Kegelbahnen, für kurze Zeit als Refugium für Partys nutzen.
Mund-zu-Mund-Propaganda
Gerade bei gutem Wetter sind die Partys, die oft nur durch Mundpropaganda oder soziale Medien bekannt gegeben werden, bei einem jungen Publikum sehr beliebt.
Gemeinsam ist den meisten Interessenszusammenschlüssen, dass sie seit 2012 eine Aufbruchstimmung für Veranstaltungen in off-Locations und gesteigertem Publikumsinteresse an elektronischen Beats, wie House, Techno und Drum & Bass, erzeugt haben. Manche Szeneprotagonisten sprechen, in Anlehnung an den Durchbruch elektronischer Tanzmusik 1988 von England aus, vom Dortmunder Summer of Love.
Die selbstgemachte Party
Das Selbermachen von Partys, Kunst- und Musikaktionen oder ganzen Clubs ist auch eine Reaktion auf die Dortmunder Sperrstunde und das Nichtraucherschutzgesetz. "Das macht es den Gastronomen und Veranstaltern nicht leichter weiterhin auf Qualität zu achten. Außerdem wird es dadurch schwierig, wenn dann auch noch viele junge Leute dorthin gehen, wo man viel für wenig Geld bekommt", erklärt Oma Doris Betreiber Ben Bolderson. „Gegenüber dem Ausgehangebot bin ich positiv gestimmt. Wir werden auf jeden Fall die Fahne musikalischer Subkultur mit Fleiß, Geduld und Teamwork hochhalten“, unterstreicht er sein Engagement.
Gemeinschaftserlebnis zählt
Dass das Programm von Clubabenden nicht mehr so sehr im Mittelpunkt steht, meint auch Kommune 44-Macher Aleksandar Dimitrijevic: „Das gemeinschaftliche Erleben ist noch viel wichtiger geworden. Bei den DJs kombinieren wir angesagte Künstler mit ganz neuen. Wir erzielen bei unseren Partys dadurch guten Zuspruch, dass wir besonders auf Themen, Deko, Verkleidungen und Atmosphäre achten. Lange Öffnungszeiten sind für viele aus den Nachbarstädten interessant, aber da hat die Stadt uns mit der Sperrstunde Hindernisse in den Weg gelegt“.
Location und Musik müssen besonders sein
André Rother von All The Time und Maschinerie e.V. ergänzt: „Die Location und die Musik, beides, müssen besonders sein. Wer jetzt ausgeht, der selektiert mehr, springt weniger von Location zu Location und möchte was Spezielles erleben. Draußen an der frischen Luft und mit viel Liebe zum Umfeld einer Party lassen sich besondere Momente zaubern“. Rother ist stolz darauf, dass seine Partys abseits üblicher Pfade noch nie aufgelöst wurden. „Wir sprechen vorher mit den Anwohnern und achten darauf, dass wir nach einer Veranstaltung das Umfeld sauber hinterlassen“, so der All The Time-Veranstalter.
Der Pott kocht sein eigenes Süppchen
Etablierte und alternative Partyformen existieren nebeneinander, wie verschiedene Musikausrichtungen, und bieten jedem Interessierten der Stadt etwas. Die Ausgehmöglichkeiten sind dabei nicht weniger geworden, sondern verlagern sich im Szenebereich teilweise aus den bekannten Clubs heraus. Kooperationen zwischen den Kulturmalochern der Nacht werden gebildet und neue Lokalitäten und Partygestaltungen erforscht. Es bleibt spannend und der Pott kocht sich nachts sein eigenes Süppchen.
Autor:Antje Geiß aus Dortmund-City |
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