Die anderen Katholiken
Mehr Mitbestimmung, die Aufhebung des Zölibats, mehr Teilhabe auch für Frauen in der Kirche, Pfarrerinnen im Amt – viele Katholiken in Deutschland wünschen sich solche Reformen auch für ihre Kirche.
Dabei – all das gibt es schon, sogar in einer katholischen Kirche. Aber nicht in den römisch-katholischen, sondern in den alt-katholischen Gemeinden. Die
alt-katholische Kirche ist, entgegen ihres traditionell erscheinenden Namens, fortschrittlich: Der Zölibat ist für ihre Pfarrer nicht verpflichtend, die Gemeinden wählen ihren Priester selbst, und seit 1996 gibt es auch Priesterinnen. Die Struktur ist bischöflich-synodal, bildet also in etwa einen Mittelweg zwischen der Organisation der evangelischen und der katholischen Kirche. Bischöfe werden gewählt. Lange vor der katholischen Kirche führten die Alt-Katholiken die Landessprachen in die Liturgie ein.
Wenn jetzt alle Welt nach Rom blickt, wo gerade der neue Papst Fransziskus gewählt wurde und sich in sein neues Amt einfinden muss, ist das für die Alt-Katholiken zwar wichtig, aber nicht maßgebend: Ihr Oberhaupt ist der Papst nicht, obwohl er als Bischof von Rom für sie eine Sonderstellung einnimmt. Überhaupt: Erst der Streit um die Unfehlbarkeit des Papstes sorgte für die Abspaltung der Alt-Katholiken von der Mutterkirche.
Auf dem ersten Vatikanischen Konzil von 1870 wurde die Unfehlbarkeit des Papstes zur verbindlichen Lehre erhoben, zusätzlich bekam der Papst die oberste Leitungsgewalt als Lenker und Leiter der Kirche. Da die Gegner der Beschlüsse, hauptsächlich Laien und einige Geistliche, aus der römisch-katholischen Kirche ausgeschlossen wurden, mündete die Widerstandsbewegung in die Gründung einer eigenständigen, alt-katholischen Kirche. 1873 wurde mit Josef Hubert Reinkens der erste alt-katholische Bischof gewählt. Seit 1889 bilden die Bistümer mit der Kirche von Utrecht die Utrechter Union. Mit der Anglikanischen Kirche gibt es eine volle Kirchengemeinschaft.
Soweit zur Geschichte. Aber wie wird man Alt-Katholik, wie alt-katholischer Pfarrer? Rudolf Geuchen ist der Pfarrer der Dortmunder Gemeinde. 226 Mitglieder hat die Gemeinde, sie umfasst das Gebiet des Regierungsbezirks Arnsberg. „Ich bin oft mit dem Auto in der Gemeinde unterwegs. Viele Gemeindemitglieder können nicht jeden Sonntag in die Messe kommen“ erklärt der Pfarrer. Der Weg ist einfach zu weit. Bis zum Zweiten Weltkrieg hatte die
alt-katholische Gemeinde in Dortmund eine eigene Kirche – die sogenannte „Krimkirche“ in der Krimstraße hinter dem Bahnhof.
Das Gotteshaus wurde im Krieg zerstört, nach dem Krieg war kein Geld für einen Neubau da. Seit Ende des 70er residiert die Gemeinde nun an der Weißenburger Straße/Ecke Lübecker Straße. Aus einem Ladenlokal wurde eine kleine Kapelle: Ein Kreuz, ein Pult, ein kleiner Altar, ein paar Reihen Bänke: Platz für rund 80 Menschen. Das Pfarrhaus ist in Kley. In Hagen gibt es einen Gemeindeableger, hier werden zweimal im Monat Gottesdienste angeboten – in Räumen des ökumenischen Zentrums in Hagen-Helfe.
Rudolf Geuchen war einmal katholischer Priester – bis zwei Dinge geschahen, die dazu führten, dass er sein Amt in einer katholischen Gemeinde in Aachen aufgab: „Das eine war die immer konservativere Ausrichtung der Kirche, das war für mich ein langer und schwieriger Prozess, ich bekam immer mehr Probleme mit der Amtskirche.“ Viele Amtsbrüder von Rudolf Geuchen und auch er selbst waren im Geiste des liberalisierenden zweiten Vatikanischen Konzils ausgebildet worden, nun saß mit Karol Wojtyla ein extrem konservativer Papst in Rom.
Das zweite Ereignis: „Ich lernte eine Frau kennen und wollte auch öffentlich mit ihr zusammen leben“ - als römisch-katholischer Priester war das nicht möglich. Auch in der Gemeinde gab es einen ähnlichen Fall: Die Leiterin der Kindergartens war geschieden und hatte einen neuen Partner gefunden - sie sollte entlassen werden.
All das führte dazu, dass Rudolf Geuchen 1982 alt-katholischer Pfarrer wurde. Kein Einzelfall – auch heute noch wählen katholische Pfarrer diesen Weg. „Natürlich war mir die alt-katholische Kirche schon bekannt. Ich hatte in Bonn studiert, wo auch der Amtssitz des alt-katholischen Bischofs ist, ich hatte im Studium die Kirchengeschichte des 19. Jahrhunderts gehört.“ Leicht war der Abschied von der katholischen Gemeinde, die er drei Jahre lang betreut hatte, nicht, dennoch: bereut hat Geuchen diese Entscheidung nicht. „Die Gemeinde hat große Entscheidungsmöglichkeiten. Abgeordnete der Gemeinden wählen die Bischöfe, alle zwei Jahre gibt es eine Synode.“
Doch die Alt-Katholiken sind eine sehr kleine Gemeinschaft, was Vor- und Nachteile in der Gemeindearbeit mit sich bringt: „Wir haben weitgehend überzeugte Gemeindemitglieder, das sind „Entscheidungschristen“ die bewusst in der Gemeinde sind und sehr bereit sind, etwas mitzugestalten. Es gibt eine große Hilfsbereitschaft untereinander, und für mich als Pfarrer natürlich die Freiheit im ganz persönlichen Leben. Ich muss nicht darauf schielen, was ich sagen darf, ich kann auch kritisch mit Entscheidungen umgehen.“ Schwierig sind Bereiche wie die Kinder- und Jugendarbeit: Es gibt manchmal nur ein paar Kinder in der Gemeinde, die sich auf die Kommunion oder Firmung vorbereiten, da muss man dann gemeindeübergreifend arbeiten. Wir machen viele Freizeiten für Jugendliche und für Erwachsene, das sind alles sehr kleine Gruppen. Einen Religionsunterricht in den Schulen zum Beispiel können wir nicht anbieten.“
Was die Entwicklung der Gemeinde betrifft, da ist Rudolf Geuchen sehr vorsichtig optimistisch: „Die Tendenz bei den Neuzugängen ist ganz leicht steigend, so dass zumindest die Sterbefälle und Wegzüge kompensiert werden. Meist sind es römisch-katholische Christen, hin und wieder auch evangelische, die zu uns kommen.“
Die alt-katholische Kirche finanziert sich aus Kirchensteuern. In ganz Deutschland hat sie rund 20.000 Mitglieder. Verwaltet wird das Bistum von Bonn aus. Es gibt rund 50 Pfarreien und etwa 70 Filialgemeinden, verteilt mit einem deutlichen Süd-Nordgefälle. Die nördlichste Gemeinde ist übrigens in Nordstrand bei Husum, wo sie von holländischen Deichbauern gegründet wurde. Theologen werden an der Uni Bonn am alt-katholischen Seminar ausgebildet. Es gibt viele Gespräche und Zusammenarbeit mit anderen Kirchen, eine Kommission lotet Gemeinsamkeiten und Unterschiede aus. Seit Ende der 80er Jahre gibt es ein Abkommen mit der evangelischen Kirche, Angehörige der Gemeinden sind jeweils zu Abendmahl und Kommunion eingeladen, was zu einem guten Austausch geführt hat. Anders als in den katholischen Gemeinden bietet die alt-katholische Kirche auch die Kelchkommunion an.
Ganz zum Schluss fasst Rudolf Geuchen seine persönliche Daten zusammen: „Verheiratet, Vater einer Tochter – sie ist 25 Jahre alt und macht ihr Referendariat als Grundschullehrerin“- der Stolz darauf ist nicht zu überhören.
Autor:Lokalkompass Dortmund-City aus Dortmund-City |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.