Heinrich-Schmitz-Preis 2024
"Der Standpunkt des Anderen"
Um zum Heinrich-Schmitz-Preis 2024 nominiert und von einer Jury gewählt zu werden mussten Jugendliche sich mit dem Thema: "Der Standpunkt des Anderen" auseinandersetzen. Sie mussten eine 180°-Wende machen.
Einer der Preisträger ist Saleh Talalini.
Er hat sich als junger Mann in ein krankes Mädchen im Krieg eingedacht und bewusst keine Orte und Namen genannt, da er meint, dass sich das überall auf unsere Erde abspielen könnte. Viel wichtiger als der Ort des Krieges oder die Identität der Leidenden ist, dass es Krieg gibt und Menschen leiden, unabhängig von ihrem Herkunftsland oder ihrer Religion.
Saleh Talalini - Gedanken zum Heinrich-Schmitz-Preis 2024„Der Standpunkt des Anderen"
Im folgenden Text geht es um einen Tagebucheintrag eines Mädchens, das an einer tödlichen Atem Krankheit leidet und auf Medikamente und medizinische Geräte angewiesen ist Diese stehen jedoch aufgrund der Folgen des Krieges nicht zur Verfügung.
Ich lebe in Deutschland und bin kerngesund, aber...:
Jeder Atemzug ist für mich ein innerer Kampf. Ein weiterer Tag, indem Papa vergeblich nach meinem Medikament sucht, aber irgendwie war es klar, denn mein eigentliches Medikament wurde für die anderen Kriegsverwundeten benutzt, habe ich heute erfahren. Mein Beatmungsgerät ist defekt, kein Ingenieur traut sich hier rein zufahren, um es zu reparieren, obwohl mein Beatmungsgerät versichert ist. Das einzige Krankenhaus in unserem Dorf ist total überlastet. Mein Arzt, der auf meine Krankheit spezialisiert ist, ist seit Tagen nicht erreichbar, ob er noch lebt.
Und ich?
Ich sitze hier und hoffe darauf, dass eines Tages wieder Frieden herrscht. Doch wie lange soll das noch weitergehen, wenn nicht beide Seiten vergeben können? Ich kann über meine Schmerzen, obwohl ich leide, nicht sprechen, weil ich mich schäme. Ich habe nur eine Atemkrankheit, die anderen sind verwundet, verlieren Blut oder sind bereits gestorben" rede ich mir ein, während ich mit aller Kraft versuche Luft einzuatmen. Papa sagt ich soll trotzdem dankbar sein und mir diese Sätze einprägen:
Den anderen geht's schlimmer und morgen wird's besser.
Den anderen geht´s schlimmer, den anderen geht´s schlimmer.
Aber das sagen die anderen, denen es schlimmer geht auch.
Aber morgen wird´s besser, morgen wird´s besser, aber heute war gestern morgen und heute ist morgen gestern und es wird nicht besser. Wieso? Wieso ist alles gegen uns?
Vielleicht sollten wir sagen: morgen wird´s schlimmer damit sich die Lage vielleicht doch verbessert. Aber was, wenn morgen nicht das Gegenteil geschieht und es wirklich schlimmer wird? Meine Hände zittern, während ich diese Worte schreibe und mein Herz schlägt wild vor Angst und Verzweiflung.
Ein Raketenhagel, was ich so nur in Filmen gesehen habe, das ist auch der Grund, wieso ich das alles nicht realisieren kann. Der Gedanke, dass jede einzelne Rakete mein geliebtes Dorf treffen wird, macht mich kaputt:
Ich frage mich, ob es meine Krankheit ist, die mir den Atem raubt, oder das Leid um mich herum.
Wieso lassen wir es zu, dass der Hass siegt?
Wieso kostet Frieden so viel Krieg?
Und wieso bekommen wir es nicht, wenn wir zahlen?
Krieg war nie gut. Wieso lernen wir nicht aus der Geschichte? Immer war am Ende des Krieges auf beiden Seiten nur Leid und Trauer und vielleicht siegt auch eine Seite, aber auf welche Kosten?
Diejenigen die für Kriege sind, wissen nicht, was es heißt im Krieg zu sein. Sie wissen nicht, wie es ist sich wochenlang nicht waschen zu können.
Sie wissen nicht, wie es ist ständig in Angst zu leben, schon gar nicht wissen sie, wie es ist, wenn man nicht weiß ob die eigenen Familien Mitglieder noch leben oder nicht. Für die Menschen da draußen sind wir doch nur Zahlen und Statistiken, doch wir sind mehr als das! Wir sind Menschen mit Träumen, wir sind Menschen mit Gefühlen, wir sind Menschen mit Geschichten, wir sind Menschen, die nicht mal wissen, was die Interessen dieser Kriege sind, wir sind Menschen, die nicht Sterben wollen und das aller wichtigste:wir sind Menschen!
Jeder sagt er führt Krieg, um sich zu verteidigen, weil die anderen die Feinde sind, aber wo sind die Feinde, wenn sich doch alle nur verteidigen?
Vielleicht sind wir alle die Feinde, die Feinde des Friedens, weil wir zugelassen haben, dass der Hass uns spaltet. Obwohl mein ganzes Dorf brennt, ist in mir ein Funke, ein Funke voller Hoffnung, dass wir eines Tages wieder friedlich beisammen leben. Vielleicht bin ich eine Träumerin, vielleicht bin ich naiv, aber ich weigere mich diesen Funken zu löschen.
Mögen diese Zeilen ein Zeugnis meiner Standhaftigkeit sein. während ich mit großer Hoffnung auf Frieden meine letzten Sätze schreibe, spüre ich wie meine Lunge den letzten Atemzug erdrückt...
Saleh Talalini
Autor:Bettina Brökelschen aus Dortmund-City |
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