Den Opfern einen Namen: Verlegung von Stolpersteinen für Dortmunder Auschwitz-Deportierte Familie Neugarten
Am ehemaligen Wohnort Rheinische Straße 29 wurden für die deportierte Familie Neugarten personalisierte Steine in den Gehweg zur Erinnerung an ihr Schicksal, die Nazi-Verbrechen und ihre vielen Opfer eingearbeitet.
Mit der Aktion des Künstlers Gunter Demnig soll den Vergessenen des Nazi-Terrors ihren Namen zurückgeben und die einzelnen Lebens- und Leidensgeschichten nachvollziehbarer gemacht werden - auch für die nachfolgenden Generationen.
Die Steine wurde im Rahmen einer Gedenkfeier im Auftrag des Westfalen-Kollegs verlegt. Sie erinnern an die vier Neugärtners, die 1943 nach Auschwitz deportiert wurden.
In Dortmund sind bereits über 230 Gedenksteine in Gehwege eingelassen worden. Die Idee zur Stolpersteinverlegung an der Rheinischen Straße kam Schülern des Westfalen-Kollegs 2013 im Vorfeld einer Studienfahrt ins ehemalige Konzentrationslager Auschwitz.
Eine Studierende hatte den Wunsch eine Familie aus Dortmund ausfindig zu machen, die nach Auschwitz transportiert wurde, um das Gedenken an die Shoa-Opfer ‚greifbarer‘ zu machen.
Mithilfe des Dortmunder Historikers Rolf Fischer stieß man auf die Familie Neugarten, deren letzter freiwilliger Wohnort in der Rheinischen Straße 29 war. Weitere Quellen ließen sich im Stadtarchiv Dortmund und im Institut für Zeitungsforschung ermitteln. Aus den Informationen ließ sich die Geschichte der Familie Neugarten rekonstruieren:
Max Neugarten (geboren am 19.07.1896 in Mengede) und Johanna Stern (geboren am 18.02.1902 in Unna) heirateten am 14.02.1933 in Dortmund. Am 25.12.1933 wurde die Tochter Liesel geboren. Das Paar wohnte ab 1933 an der Rheinischen Straße 29, ebenso Johannas Mutter Frieda Stern.
Frieda Stern wurde nach Theresienstadt deportiert, überlebte das Lager und starb am 16. November 1946 in Dortmund.
Max, Johanna und Liesel Neugarten wurden am 01. März 1943 von Dortmund nach Auschwitz deportiert. Johanna Neugarten und die zehnjährige Liesel sind höchstwahrscheinlich direkt nach der Selektion am Abend des 3. März ermordet worden.
Max Neugarten wurde als arbeitsfähig selektiert und nach Monowitz (Auschwitz III, Buna-Werke) gebracht.
Trotz Recherche, sogar im Archiv des Lagers Auschwitz, konnten für Max, Johanna und Liesel Neugarten keine genauen Todesdaten ausgemacht werden.
Das Amtsgericht Dortmund erklärte alle drei Menschen als seit dem 08. Mai 1945 verschollen.
Im Anschluss an die Verlegung der vier Stolpersteine sprach Sebastian Seng vom Jugendring einige Worte zur Erinnerung an die Familie Neugarten und Frieda Stern.
Auch Bezirksbürgermeister Friedrich Fuß ergriff das Wort und unterstrich die Bedeutsamkeit des Erinnerns an stille Helden und an Opfer des NS-Terrors.
Die ehemalige Studierende des Westfalen-Kollegs und Teilnehmerin der Studienfahrt nach Auschwitz Christina Bruch las nachfolgend eine Todesanzeige von Verwandten der Neugartens vor, die 1946 in der New Yorker Exilzeitung „Der Aufbau“ veröffentlicht wurde.
Während die Namen verlesen wurden, ließen Studierende des Kollegs als Zeichen des Gedenkens Luftballons für die Familienmitglieder aufsteigen.
Im Anschluss wurde im Westfalen-Kolleg mit einer Ausstellung an die Opfer der Shoa und mit einem Gesprächskreis an Max, Johanna und Liesel Neugartens sowie an Frieda Stern, Johannas Mutter, gedacht.
40 000 Stolpersteine erinnern seit 1996 in 750 Städten Deutschlands und Europas an die Nazi-Verbrechen und ihre Opfer.
Eine Liste der Stolpersteine, ihrer Standorte, Bilder und Namen der Dortmunder Opfer des Nationalsozialismus, derer mit Steinen gedenkt wird, gibt es im Internet unter http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Dortmund.
Autor:Steffen Korthals aus Kamen |
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