Alles echt wahr?
Seit mehr als dreißig Jahren macht Adolf Winkelmann Filme. im Laufe dieser Zeit muss er mit reichlich, sagen wir es vorsichtig, eigenartigen Menschen zu tun gehabt haben.
Doch das war offensichtlich nichts gegen den Kontakt mit Beamten, Poltikern und Kulturbonzen, die ihm auf seiner Arbeit für das U über den Weg liefen.
Offenbar waren diese Erfahrungen so erschütternd, dass Winkelmann zusammen mit dem Dramaturg und Theaterregisseur Jost Krüger aus diesen Erlebnissen, neine keinen Film, ein Buch machten.
Dieses Buch ist eine echte „Räuberpistole“, so hätte man es wohl zur Enstehungszeit des U genannt. Schon die Art des Gebäudes, ein Kellerei-Hochhaus, ist ein Widerspruch in sich, und im Verlauf der abenteuerlichen Geschichte kommen noch reichlich mehr oder weniger unwahrscheinliche Facetten hinzu.
So soll die Attraktion des neuen Museums im U ursprünglich eine gigantische Kopie von Michelangelos „David“, die täglich, oder besser nächtlich, per Aufzug sicher verstaut wird, die Massen nach Dortmund locken. Doch die Idee wird fallen gelassen. Winkelmann ist auf Spur von geheimnisvollen goldenen Folien, die er zu entschlüsseln versucht, er besichtigt die unterirdischen Gewölbe im U und hat konspirative Treffen mit dem Abteilungsleiter des Archivs im Stadtmuseums, Heinrich Schleitzer, der dem Schauspieler August Zirner verblüffend ähnlich sieht.
Die ganze, manchmal leicht verworrene Geschichte wird mit solchen Fotos unterfüttert, die angeblich Gäste des Hotels Bender, einen italienischen Fotografen oder aber einen irgendwie an Dietmar Bär erinnernden Kardinal zeigen. Immer wieder werden angebliche (oder echte?) Tagebucheinträge von Winkelmann und Krüger eingeschoben.
Aus Berichten von Sitzungen (mit dem Running-Gag “Das kommt jetzt aber nicht ins Protokoll“) über die Suche nach dem Schlüssel für die Goldfolien über die Arbeit an den „Fliegenden Bildern“ für das U, bis hin zu der Frage, was der Architekt des Turmes wohl mit den bislang völlig zweckfreien, an eine Stufenpyramide erinnernden Beton-Bauteilen auf dem Dach des Turms bezweckte, aus vielen alten und neuen Fotos entwickeln Jost und Winkelmann ein Vexierspiel wie einen Gang durch ein Spiegelkabinett. Der Leser kann nicht mehr unterscheiden, was Wahrheit, was erfunden ist.
Wen stellen die verschiedenen, teilweise alten Fotos dar? Haben die Betondachteile tatsächlich das Format von hochkantstehenden Fußballtoren? Gab es in den zwanziger Jahren einen Werbekrieg zwischen Dortmunder Brauereien?
Leider wahr ist, was man auch anhand des Augenscheins überprüfen kann, dass der renovierte Brauereiturm inzwischen teilweise von Bürogebäuden umgeben ist, die die Sichtachse auf das Gebäude und die Fliegenden Bilder verstellen. Die Baupläne für die Gebäude sollen freudestrahlende Beamte sichtlich stolz verkündet haben.
„Winkelmanns Reise ins U“ ist ein nicht gerade leicht zu lesendes, aber bis zum furiosen und überraschenden Ende spannendes Buch, für überzeugte Dortmunder, Kultur- und Lokalpolitikinteressierte eine Pflichtlektüre.
Autor:Lokalkompass Dortmund-City aus Dortmund-City |
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