Zwischen den Gleisen

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Dorsten/Rhade Samstag, 07.07.2012, 8:00 Uhr. Eine Tagesreise mit dem Zug beginnt; es geht in das schöne Sauerland. Können Sie sich einen Tag im Zug vorstellen, einfach nur, um wieder einmal etwas anderes zu sehen, als den Ort, indem Sie wohnen? Die Eheleute P. gönnen sich hin und wieder diese Freude. Herr P. sitzt im Rollstuhl, seine Frau schiebt ihn mit Hilfsmotor. Beide haben schon die 75 weit überschritten, er sogar die 80, und ich fragte mich, später Frau P.: „Wie machen Sie das, hier von Rhade aus, über Essen mit dem Zug? Geht das überhaupt?“ „Fahren Sie doch einmal mit. Es geht!“ Ich tat es, und es ging.

Mit einem „SchönerTagTicket“ im Handgepäck machten wir uns auf den Weg zum Bahnhof und schon ging es los, die erste Barriere, siehe Foto. Der Umstieg in Essen verlief prima. Der Zug stand am selben Bahnsteig. Wir mussten nur rasch ein Stückchen laufen, denn Zeit war knapp. Und eigentlich hätten wir jetzt bis zum Ziel durchfahren können, doch in Altena wurden Gleisarbeiten getätigt, und der Schienenverkehr musste umgeleitet werden. So wurde unsere vergnügliche Spontanreise zu einer Stressreise.

Wir mussten in Altena aus dem Zug raus und rein in den Bus. Nur, wie kommt man mit einem Rollstuhl ca. zwanzig Stufen hinunter und am Ende der Unterführung wieder ca. zwanzig Stufen hinauf? Das störte den Lokführer nicht sonderlich, denn es sei schon seit vierzehn Tagen bekannt, dass Gleisarbeiten durchgeführt werden würden und dafür die Strecke gesperrt werden musste! Ein zufällig in der Nähe stehender Gleisarbeiter, der das Gespräch mitbekam, telefonierte, und bald waren fünf kräftige Männer da, die sich den Rollstuhl mit Herrn P. schnappten, ihn die Treppe hinabtrugen. Jedoch, der Schienersatzverkehr, also der Bus, war weg. Ein erster unfreiwilliger Aufenthalt begann. Eine Weile später folgte eine rasante Busfahrt, knapp an den Felsvorsprüngen vorbei bis nach Grevenbrück. Frau P. blieb 1 Stunde und 15 Minuten bei ihrem Mann am Rollstuhl stehen. Sie hatte Sorge, er könnte kippen. Sie hat ihre Erfahrungen!

In Grevenbrück ging es wieder in den Zug, aber wieder mit Hindernissen. Ein zum Teil modernisierter Bahnhof lag vor uns, aber die angefertigte Rampe brachte uns nicht zum Zug, sondern vor einen Zaun ohne Tor; er ließ uns nicht durch. Glücklicherweise standen zwei Herren auf dem Bahnsteig im Gespräch vertieft. Sie erklärten uns den Weg zurück. Es gab eine zweite Rampe, von der der Busfahrer nichts wusste. Die Herren kamen uns vom anderen Ende entgegen, zeigten den Wegverlauf, an den Treppen zur Unterführung vorbei. Dann halfen sie uns, mit zwei weiteren Herren, die ca. Dreißig-stufen-treppe zum Bahnsteig hinauf und in den Zug hinein.

Nachdem wir endlich unser Ziel erreicht hatten, mussten wir unseren Aufenthalt verkürzen, denn wir entschlossen uns über Köln zurückzufahren. Wir hatten die Befürchtung, auf dem Rückweg keine Helfer zu finden, denn es war Samstag.

Im Zug nach Siegen bekamen wir sofort eine Predigt zu hören, weil wir die Fahrt nicht angemedet hatten. Die beiden Damen der DB-Info am Zielort bekamen keine Verbindung zu der Mobilitätsservice-Zentrale, weil überlastet. *14ct/Min. aus dem Festnetz, Tarif bei Mobilfunk ggf. abweichend und samstags bis 16:00 Uhr. Toll!

Und wen rief er an? Wir haben es nicht erfahren. Auf jeden Fall kämen wir ohne seinen angeforderten Hupwagen nicht mehr aus dem Zug heraus und nicht in den nächsten Zug nach Köln hinein!

Es wechselten sehr nette und weniger nette Leute, die uns hilfreich zur Seite standen. Im Hauptbahnhof Köln war dann der Aufzug kaputt und wir mussten über den Lastenaufzug transportiert werden. So verpassten wir den Anschlusszug nach Essen und bekamen wieder eine Stunde Zwangsaufenthalt.

Ups, die beiden Helfer der Bahn, die uns dann halfen, denen wollen wir auf keinen Fall mehr begegnen! Überheblich und dumm, wie sie die beiden betagten Menschen hier veräppelten!!! Da schüttelten selbst die Fahrgäste den Kopf, die das mitbekamen. Am Ende waren wir nicht sicher, ob sie beim Aussteigen noch an uns dachten.

Endlich in Essen angekommen, wurden wir sogleich für all die Strapazen des Tages entschädigt. Zwei ganz besonders entgegenkommende junge Männer der Bahn halfen uns nicht nur in den Zug, sie hielten sogar den Zug in Rhade genau an der Stelle an, an der wir Herrn P. wieder aus dem Rollstuhl hätten nehmen müssen. Sie halfen, mit zwei freundlichen Fahrgästen, die sich schon beim Einstieg anboten, über die steile Rampe aus dem Zug heraus, und flugs wurde die Rampe an die problematische Stelle angelegt und wir hatten den Reisetress hinter uns!

Frau P. war begeistert, sie konnte es kaum fassen. „Ich wusste gar nicht, dass es doch noch so viele nette Menschen gibt“, schwärmte sie. Als der Zug anfuhr, wurde uns aus der Fahrerkabine zugewunken, und wir winkten zurück.

Nach 20 Minuten waren wir an der Haustür; dieTreppe rauf und Tschüß. Mit dem Fahrrad noch fünf Minuten und ich war um 22:45 Uhr zuhause.

Wird es wohl eine nächste Fahrt geben? Im Moment nicht vorstellbar!

Der demografische Wandel ist in aller Munde, und dennoch ...???

Autor:

Annerose Bilzer aus Dorsten

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