Erst der Mensch und dann der Storch
Heiße Eisen muss man vorsichtig anfassen. Also, um es vorweg zu sagen: Ich finde es rührend, dass sich die Heimatvereine in Rhade und Hervest um die Störche kümmern und sie quasi zu gefiederten Gemeindemitgliedern erheben. Die Tiere, die längst nicht mehr so selten sind, wie sie es einmal waren, haben einen Namen und genau da bekommt die Sache eine Schieflage. Es sind und bleiben Tiere. Was passiert, wenn ich die beiden dicken Spatzen auf meiner Dachrinne Hans und Franz taufe? Wird dann mein Fensterplatz zum Biotop erklärt? Im Hervester Bruch habe ich an der Stelle, von der aus man den Adebars Werner und Luise ins Nest schauen kann, einen Eiswagen beobachtet, der die "Naturfreunde" mit einer Kugel Stracciatella erfreute. Kein Kommentar. Noch einmal: Artenschutz ist wichtig, aber so lange wie es einen Werner und eine Luise in unserer Stadt gibt, die unter einer Brücke hausen, sich ihr Essen an der Barmherzigen Tafel holen müssen, oder vergeblich auf einen Platz in einem Hospiz warten, um in Würde zu sterben, müssen die Störche ihre Kreise in der Warteschleife drehen. Erst der Mensch und dann der Storch. Mich stimmt es nachdenklich, wenn zu den Störchen der Tierarzt kommt und der Berber unter der Brücke seine zerschundenen Beine mit Mullbinden aus dem Müll wickelt. Arten- und Umweltschutz ja, aber nicht um den Preis der Menschlichkeit. Meine Meinung, und für die lasse ich mich gerne beschimpfen.
Autor:Jo Gernoth aus Dorsten |
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