74. Jahrestag der Bombardierung Wulfens
Als der Tod vom Himmel fiel

Die zerstörten Pfarrkirche St. Matthäus im Jahre 1945.
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Während eines Bombenangriffs auf Wulfen am 22. März 1945 fanden 23 Menschen den Tod. Aus Anlass des 74. Jahrestages der Bombardierung Wulfens führt der Heimatverein Wulfen am Freitag, 22. März 2019 um 10 Uhr an der St. Matthäuskirche eine Gedenkveranstaltung in Form eines stillen Gedenkens der Opfer durch.

Der 22. März 1945 wird Wulfens Schicksalstag. Morgens, um 10:10 Uhr, werden bei einem Angriff eines amerikanischen Bomberverbandes vier Bombenteppiche über das Dorf gelegt. Der Erste trifft das Dorf und die Kirche. Der zweite Angriff trifft den Bahnhof, der Dritte den neuen Friedhof und der Vierte die Häuser Auf der Koppel. Insgesamt werden durch etwa 125 Sprengbomben von 5 bis 10 Zentnern Gewicht außer der Kirche auch 15 Häuser total zerstört. Sieben weitere Wohnhäuser müssen sofort geräumt werden und zwölf andere erhalten schwere Beschädigungen. Insgesamt fordert der Angriff 23 Todesopfer. 22 Opfer der Bombenkatastrophe werden unter großer Anteilnahme der Bevölkerung am 25. März 1945 auf dem ebenfalls von Bomben getroffenen, verwüsteten Friedhof gemeinschaftlich in einem als Grab dienenden Bombentrichter beigesetzt.

Hermann Grewer schildert die schrecklichen Ereignisse

Es ist Palmsonntag, 19 Uhr. Hermann Grewer (damals als 12-jähriger Junge im Keller der Familie Stolbrink) schildert das Ereignis in Wulfen im „Beitrag zur Serie „Kriegskinder“ der Dorstener Zeitung im Jahre 2009“ wiefolgt:

"Es war Donnerstag der 22. März1945 ein herrlicher Frühlingstag, der für uns und viele Wulfener Familien schrecklich endete. Meine Eltern (Bernhardine und Herrmann Grewer) und wir fünf Kinder (Alfred, Hermann, Werner, Willi und Hildegard) wohnten direkt an der Matthäuskirche im Hause der Familie Stolbrink. Von unserem Vater, der als Soldat in Südfrankreich war, hatten wir schon seit einigen Monaten keine Nachricht mehr erhalten. So musste unsere Mutter uns fünf Kinder alleine versorgen und sich um alles kümmern. Unterstützung erhielten wir durch Familie Stolbrink. Insbesondere deren 19-jährige Tochter Hilde kümmerte sich immer wieder um uns und unsere Familie. Unser Bruder Alfred ging frühmorgens zu den Nonnen ins Wulfener Schwesternhaus. Ich schob meine zweieinhalb-jährige Schwester Hildegard in einem Handkarren durch das Dorf.

Unsere Mutter hatte uns gebeten, bei Sirenenalarm sofort nach Hause zu kommen. Bei einsetzendem Voralarm bin ich dann sofort nach Hause gelaufen und wir (Mutter, Werner, Willi, Hildegard und ich) sowie weitere Dorfbewohner und Angestellte des Lebensmittelgeschäftes Stolbrink und der Post suchten Deckung im Keller der Familie Stolbrink. Dieser Keller war ein Gewölbekeller und galt bei den Dorfbewohnern als besonders sicher. Bereits häufiger hatten wir dort in der Vergangenheit Unterschlupf gesucht.

Bei Bombenangriffen durch einen amerikanischen Bomberverband wurden an diesem Morgen über Wulfen mehr als 100 Sprengbomben von fünf bis zehn Zentnern Gewicht abgeworfen. Die Matthäuskirche und 15 Wohnhäuser wurden total zerstört. Auch das Wohnhaus der Familie Stolbrink wurde komplett zerstört. Von 22 Dorfbewohnern die im Keller der Familie Stolbrink Zuflucht suchten, starben elf an den Folgen dieser Angriffe.

Im gesamten Dorf Wulfen starben an diesem Morgen 22 Menschen. Unter den Opfern im Hause Stolbrink waren meine Mutter (43 Jahre), und meine Brüder Werner (9 Jahre) und Willi (7 Jahre). Auch die 19-jährige Hilde Stolbrink, die sich in den vergangenen Wochen und Monate sehr liebevoll um uns bemüht hatte, fand den Tod.

Meine Schwester Hildegard überlebte den Bombenangriff, auf dem Schoße unserer Mutter sitzend, mit Verletzungen. Durch Schutt und Geröll wurde der Oberschenkel meines rechten Beines derart gequetscht, dass eine Amputation drohte. Als verletzter Junge kam ich in den Folgewochen zu meinem Onkel Heinrich Grewer zum Surick. Hier wurde mein Bein durch Schwester Lohmeyer vom Roten Kreuz und meinen Tanten täglich gut versorgt. Ich bekam Wechselbäder, sie salbten und massierten mein Bein. Diese intensive Pflege rettete mir mein Bein. In der Zeit von 1945 bis 1948 waren wir drei überlebende Kinder bei Verwandten untergebracht. Mein Bruder Alfred ging ins Elternhaus unserer Mutter zu Familie Franz Brüggemann, meine Schwester Hildegard ging zu unserer Tante Johanna und Cousine Hilde Stöppler, ich kam ins Elternhaus unseres Vaters, zu Familie Heinrich Grewer. Sie alle haben sich um uns drei bemüht, als wären wir jeweils die eigenen Kinder. Unser Vater Hermann kehrte 1947 aus französischer Gefangenschaft zurück, heiratete 1948 erneut und wir kamen nach dieser Heirat wieder alle zusammen."

Die Opfer des 22. März 1945 in Wulfen:

Karl-Heinz Bleser (8 Monate), Johanna Droste (30 Jahre), Anna Feldmann (57 Jahre), Bernhardine Grewer (43 Jahre), Werner Grewer (9 Jahre), Willi Grewer (7 Jahre), Hedwig Pier (21 Jahre), Johann Potthast (68 Jahre), Franz Rößmann (68 Jahre), Wilhelm Rößmann (59 Jahre), Christine Rößmann (59 Jahre), Franziska Rößmann (32 Jahre), Gertrud Rößmann (16 Jahre), Elisabeth Rohlof (34 Jahre), Annette Rohlof (5 Jahre), Karl-Heinz Rohlof (2 Jahre), Toni Schäpers (4 Jahre), Bernardine Stolbrink (21 Jahre), Hilde Stolbrink (19 Jahre), Heinz Stolbrink (16 Jahre), Hilde Wibbelt (15 Jahre), Siegmund Konitzki (29 Jahre) und Carl Henschel (42 Jahre) aus Gelsenkirchen.

Die zerstörten Pfarrkirche St. Matthäus im Jahre 1945.
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Die zerstörten Pfarrkirche St. Matthäus im Jahre 1945. | Foto: Privat
Autor:

Olaf Hellenkamp aus Dorsten

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