Zickzack-Choreografie über der Wasseroberfläche
In Dorsten fliegen Mini-Krawatten

Die Silhouette der Köcherfliegenart erinnert an eine schwarze Miniatur-Krawatte. | Foto: Uwe Gläser / EGLV
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  • Die Silhouette der Köcherfliegenart erinnert an eine schwarze Miniatur-Krawatte.
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Noch kann man sie an der Lippe aber auch am Hammbach, Wienbach und Rapphofs Mühlenbach in Dorsten beobachten: Von Mai bis Oktober schließen sich die Krawatten-Köcherfliegen im Zick-Zack-Flug zu einer auffälligen Choreografie zusammen. Insbesondere die Männchen sind hervorragende „Tänzer“. Einmal gelandet, sehen die zarten Insekten wie schwarze Miniatur-Krawatten aus. Auch anhand ihrer schwarz-weiß geringelten und extralangen Fühler sind sie gut zu erkennen. Die Larven gelten als verlässliche Anzeiger für eine gute Gewässerqualität und sind darum die „Lippeverbands-Bewohner des Monats“.

Der betörend schöne Schwarmflug der Männchen ist allerdings nur Mittel zum Zweck: Die anschließende Paarung geht recht ruppig vonstatten. Nähert sich ein Weibchen, packt das Männchen es mit haarigen, speziell zu diesem Zweck gestalteten Oberkiefern. Die nur wenige Sekunden andauernde Paarung vollziehen sie geschützt in der Vegetation. Dann legt das Weibchen die Eier in der Nähe des Tanzplatzes ab.

„Die Krawatten-Köcherfliegen benötigen nicht nur klares, sauberes Wasser. Auch eine ungestörte Ufervegetation ist enorm wichtig für ihre Entwicklung“, weiß Sylvia Mählmann, Biologisch-technische Assistentin beim Lippeverband. Daher seien naturbelassene Randzonen von entscheidender Bedeutung für die Artenvielfalt und ein funktionierendes Ökosystem.

Seidentapete im Larven-Mobilheim

Die Larven der Krawatten-Köcherfliege wachsen im Wasser auf, sobald sie ihre schützenden Eier verlassen haben. Ihre erste Tat: der Aufbau eines Basislagers, aus einem selbstgesponnenen Fadengerüst auf festem Grund. Danach gehen sie richtig ans Werk. Die Larven lieben eine luxuriöse Behausung, für deren Gestaltung sie sich Zeit lassen. Sie sammeln Sandkörnchen und Pflanzenteile, die sie kunstvoll miteinander verkleben. Der finale Clou: die Auskleidung der Wohnröhre mit gesponnener Seide. Dann kann die Larve die Ankerverbindung zum Basislager abbeißen und mit ihrem Luxus-Mobilheim losziehen.

Mobilheim wächst mit: vorne Anbau hinten Abbiss

Als „Flexitarier“ ernährt sich die Krawattenfliegen-Larve vorwiegend von Pflanzenteilen, verschmäht aber auch kleinere Tiere oder Aas nicht. Während der drei bis vier Wachstumsstadien passt sie ihr Mobilheim kontinuierlich ihrer Größe an. Vorne baut sie an, hinten knabbert sie ab. Der ganze Aufwand hat einen Zweck: Der Köcher dient als Schutzraum und Tarnung gegenüber Fressfeinden, denn für Fische oder größere Insekten wäre die kleine Köcherfliege ein gefundenes Fressen.

Im Frühjahr baut die Larve einen ortsfesten Puppenköcher. Diese Röhre ist mit einer Membran verschlossen. So geschützt, entwickelt sich eine Puppe, die sich nach ungefähr einem Monat aus dem Köcher befreit und an die Wasseroberfläche schwimmt. Pflanzenteile und Steine, die aus dem Wasser ragen, sind dann geeignete Stellen für den weiteren Schlüpfvorgang. Durch kräftige Pumpbewegungen bringen sie eine Nahtstelle auf ihrem Rücken zum Platzen. In wenigen Minuten schlüpft das erwachsene Insekt. Die leeren Hüllen lassen sich noch lange Zeit in der Ufervegetation finden.

Serie: Bewohner des Monats

Fließgewässer sind die Lebensadern unserer Landschaft. Sie bieten Menschen nicht nur Erholung, sondern sind als Ökosysteme unverzichtbar und schützenswert. Ein Großteil der Wasserlebewesen sind wirbellose Tiere (Makrozoobenthos), die häufig am Boden oder Rand des Gewässers leben. Dazu gehören u.a. Wasserinsekten, Krebstiere, Schnecken und Muscheln. Sie sind ein wichtiger Indikator für die Wasserqualität. Denn nur ein natürliches Gewässer weist eine hohe Anzahl und Vielfalt wirbelloser Tiere auf.

Probenahme am Gewässer

Durch das Programm „Lebendige Lippe“ soll sich der längste Fluss in NRW natürlicher entwickeln. Diese Veränderungen erfassen die Lippeverbands-Mitarbeiter-innen und Mitarbeiter des Labors anhand von Probenahmen entlang der Lippe und ihrer Nebenläufe. Dabei untersuchen sie regelmäßig insgesamt 431 Kilometer Wasserläufe im Verbandsgebiet. Ausgewählte Lebewesen, die etwas über die Wasserqualität verraten, stellt der Lippeverband in seiner Serie „Bewohner des Monats“ vor.

Programm „Lebendige Lippe“

Die Lippe ist ein 220 Kilometer langer Nebenfluss des Rheins. Sie entspringt in Bad Lippspringe und mündet in Wesel in den Rhein. Auf der rund 147 Kilometer langen Strecke zwischen Lippborg und Wesel fließt die Lippe durch das Gebiet des Lippeverbandes. Hier hat das Land NRW die Unterhaltung und den Ausbau des Flusses an den Lippeverband übertragen.

Der Lippeverband übernimmt neben der allgemeinen Pflicht der Gewässerunterhaltung auch die Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie an der Lippe. Hierzu hat der Lippeverband im Jahre 2013 das Programm „Lebendige Lippe“ für seinen Zuständigkeitsbereich aufgelegt und neben der Fortsetzung der bestehenden Projekte mehrere neue Projekte begonnen.

Das übergeordnete Ziel ist die langfristige Verbesserung und Wiederherstellung eines intakten Fluss-Auen-Ökosystems mit einer Erhaltung und Entwicklung von fluss- und auentypischen Strukturen und Lebensgemeinschaften. Für das Landesgewässer Lippe werden zu 100 % Landesmittel eingesetzt.

Europäische Wasserrahmenrichtlinie

Mit der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL) wird nicht nur ein „guter Zustand“ für alle Gewässer in den Mitgliedsstaaten der EU bis zum Jahr 2027 gefordert. Seit Inkrafttreten der Richtlinie im Jahr 2000 ist auch die ganzheitliche Betrachtung von Fluss-Einzugsgebieten Allgemeingut geworden. Danach ist der gesamte Fluss von der Quelle bis zur Mündung als Einheit zu sehen. Maßnahmen, die an irgendeiner Stelle des Gewässersystems zu Veränderungen führen, wirken sich auch in anderen Teilen des Einzugsgebiets aus.

Lippeverband

Der Lippeverband ist ein öffentlich-rechtliches Wasserwirtschaftsunternehmen, das effizient Aufgaben für das Gemeinwohl mit modernen Managementmethoden nachhaltig erbringt und als Leitidee des eigenen Handelns das Genossenschaftsprinzip lebt.

Seine Aufgaben sind in erster Linie die Abwasserentsorgung und -reinigung, Hochwasserschutz durch Deiche und Pumpwerke und die Gewässerunterhaltung und -entwicklung. Dazu gehört auch die ökologische Verbesserung technisch ausgebauter Nebenläufe. Darüber hinaus kümmert sich der Lippeverband in enger Abstimmung mit dem Land NRW um die Renaturierung der Lippe. Dem Lippeverband gehören zurzeit 155 Kommunen und Unternehmen als Mitglieder an, die mit ihren Beiträgen die Verbandsaufgaben finanzieren.
www.eglv.de

Autor:

Olaf Hellenkamp aus Dorsten

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