Typisch Frankreich: Citroen
Dorsten. Einmal mehr überrascht das Jüdische Museum mit einer ungewöhnlichen Ausstellung: Auf zahlreichen Bildtafeln wird ein Porträt des wohl innovativsten Automobilbauers des frühen 20. Jahrhunderts gezeichnet: André Citroën.
Wer war André Citroën? „Als das fünfte Kind von Masza Amalia Kleinmann aus Warschau und Levie Citroën, einem Juwelier jüdischen Glaubens aus Amsterdam, wurde der Genius 1878 in Paris geboren. Der Eliteschüler Citroën zeigte schon früh sein Talent, zukunftsweisende Technik zu ersinnen. So wurde er bei einem Verwandtenbesuch in Polen auf ein Doppelwinkel-Zahnrad aufmerksam“, sagt Thomas Ridder.
Der wissenschaftliche Mitarbeiter des Jüdischen Museums hat viel über den Autobauer erfahren. So ziert bis heute der Double Chevron, der Doppelwinkel, das Firmenlogo des französischen Autoherstellers. Citroën besuchte Henry Ford unmittelbar nach dem Weltkrieg und er war der Erste, der in Europa Automobile am Fließband fertigte. Mit dem Traction Avant setzte er einen Meilenstein im Automobilbau und versenkte mit diesem kühnen Projekt des Frontantriebes eines Autos sein Vermögen. Revolutionär war die Konstruktion, die das Getriebe vor den Motor setzte und so für Fahreigenschaften sorgte, die bis heute verblüffen. Die Straßenlage und die Geschwindigkeit machten den 11 CV übrigens zum Liebling dunkler Elemente. So kam der Traction Avant zum Spitznamen „Gangster -Citroen“. Der Hauptgläubiger Michelin übernahm die bestens im Markt gesetzte Fabrik und der Genius Citroën starb 1935 nach schwerer Krankheit. Soweit die nüchternen Fakten.
Die Ausstellung, die am Sonntag ab 11 Uhr ihre Pforten öffnet, zeigt viel mehr über Citroën, der in vielen Bereichen fortschrittlich dachte. Das 13. Monatsgehalt für Mitarbeiter ist eine seiner Erfindungen und André Citroën kann getrost als Erfinder des „Branding“ bezeichnet werden: Er wusste sehr genau, wie wichtig Marketing ist. So zeigt die Ausstellung prächtige Prospekte aus den 1920er Jahren, die im Jugendstil für Citroën werben. Spektakuläre Wüstendurchquerungen stellten die Zuverlässigkeit der Automobile aus dem Pariser Werk am Quai de Javel unter Beweis. Citroën ließ nächtens den Eiffelturm mit seinem Logo versehen erstrahlen und erfand nebenbei das Verkehrsschild.
Am Pfingstsonntag werden gegen 11 Uhr rund 30 historische Citroëns das Jüdische Museum ansteuern und mit dabei sein, wenn die 2007 von Dr. Frauke Dettmer geschaffene Ausstellung eröffnet wird. Citroën Deutschland und lokale Händler und Sammler haben die Ausstellung ergänzt. Im Hof des Museums werden Autolegenden wie der 2 CV, der 11 CV Traction Avant und der auch 50 Jahren nach seiner Vorstellung futuristisch anmutende DS 21 zu sehen sein.
Diese Tradition des offensiven Marketings hat sich bis zum heutigen Tag erhalten, denn Thomas Ridder konnte zur Präsentation des Ausstellungskonzeptes mit Stephan Lützenkirchen den Direktor für Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Citroën in Dorsten begrüßen. „Wir sind stolz auf den Gründer und Tradition ist für uns ein wichtiges Segment der Markenbindung“, sagte Lützenkirchen.
Allerdings: In einem Jüdischen Museum muss in diesem Zusammenhang auch an das Schicksal der Familie Citroën während der Nazizeit erinnert werden. Eine Tafel listet die Holocaust-Opfer der Familie Citroën, die in Holland und in Frankreich durch die Nazis deportiert und ermordet wurden, auf. Das Jüdische Museum zeichnet mit der Ausstellung ein faszinierendes Bild eines Menschen, der Visionär und gleichermaßen ein Bankrotteur war. Ansehen lohnt.
Autor:Jo Gernoth aus Dorsten |
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