Furor Normannicus: Geschichte zum Leben erwecken

Ein normannischer Soldat hält Wache, während im Hintergrund ein Katapult aufgebaut wird: Furor Normannicus hat einen sehr lebendigen Ansatz, die Zeit um das Jahr 1200 zu erforschen. In diese Zeit fällt auch die Gründung Wulfens, in dem die Gruppe vor genau 15 Jahren ins Leben gerufen wurde.  Fotos: FN
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  • Ein normannischer Soldat hält Wache, während im Hintergrund ein Katapult aufgebaut wird: Furor Normannicus hat einen sehr lebendigen Ansatz, die Zeit um das Jahr 1200 zu erforschen. In diese Zeit fällt auch die Gründung Wulfens, in dem die Gruppe vor genau 15 Jahren ins Leben gerufen wurde. Fotos: FN
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Furor Normannicus: Das ist der Name für eine rührige Gruppe von jungen Menschen, die bis in das kleinste Detail in das hohe Mittelalter eintauchen. Jetzt feiern die praktizierenden Historiker aus Wulfen ihren 15. Geburtstag.

von Jo Gernoth

Historiker, Informatiker, Biologen, Kunstschmiede, Lehrer, Robotikweltmeister, Studenten und Hausfrauen: Alle Berufe der Neuzeit sind bei den Normannen zu finden. Sie machen aus ihrem Wissen kein Geheimnis, sondern informieren auf Ständen entsprechender Veranstaltungen und Kulturfeste und gehen in die Schulen, um lebendigen Geschichtsunterricht zu bieten.

Wer zu den Quellen will, der muss gegen den Strom schwimmen. Furor Normannicus veranstaltet kein kommerzielles Spektakel, sondern klärt über einen Alltag auf, der nichts mit Ivanhoe-Romanen zu tun hat, sondern hart und beschwerlich war. Dabei faszinieren die Dinge, die in keinem Geschichtsbuch stehen. Oliver Borgwardt und seine Freunde haben sie gelebt und erlebt. Wer mit einem Helm, einer Ritterrüstung und einem Schwert durch die Gegend läuft, ist entweder auf dem Weg zur Karnevalsparty oder lebt in einer anderen Welt. Soweit die Vorurteile, mit denen die Normannen und Oliver Borgwardt regelmäßig konfrontiert werden.

In Wahrheit ist es die Leidenschaft dieser Gruppe, das Hohe Mittelalter und die wissenschaftliche Ergründung dieser Epoche, die gerne als finster bezeichnet wird aber gar nicht so finster war, intensiv zu beleuchten. „Unsere Gruppe nennt sich Furor Normannicus, was so viel heißt wie der Zorn der Normannen. Sie wären bestimmt sehr zornig, wenn sie erleben müssten, welch ein Blödsinn über die Zeit von Richard Löwenherz als historisches Wissen vermarktet wird“, sagt Oliver Borgwardt, der in seiner Gruppe Ares de Borg genannt wird.

Was genau suchen Borgwardt und seine Freunde und welche Ziele verfolgen die Freizeit-Normannen? „Um eines klar zu stellen: Wir glauben nicht daran, in einer Märchenwelt zu leben und wir sind auch keine Kirmes-Ritter, die Mittelalter vorgaukeln und damit einen Haufen Geld verdienen. Wir sind wissenschaftlich interessiert und die meisten Mitglieder unserer Gruppe haben Geschichte studiert oder üben einen technischen Beruf aus. Es ist für uns spannend, zu ergründen, wie ein Mensch zu der Zeit des hohen Mittelalters den Alltag gemeistert hat“, sagt Borgwardt alias Ares. Und dabei weiß der Journalist und Magister der Geschichtswissenschaften gleich etwas zu berichten, was wohl zu allen Zeiten der Menschheitsgeschichte gleich war: Wie es dem Menschen ergeht, ist eine Frage des Standes. Und schon wird es spannend, wenn Ares und seine Freunde ins Detail gehen. Reiche Menschen, also Adlige, lebten besser und auch länger.

So haben die Wulfener Ritter der Neugierde den Speiseplan der echten Normannen erkundet und um 1170 war die Ernährungslage besser als man heute denkt. „Der Speisezettel sah natürlich ganz anders aus als heute. Kartoffeln, Tomaten und viele andere Gemüse gab es nicht. Die Nahrung bestand aus Getreideprodukten und Hülsenfrüchten. Funde beweisen, dass es auch bei den besser gestellten Menschen nicht etwa nur Wild, sondern auch Hausschweinefleisch zu essen gab. Es wurde Wein getrunken oder Wasser. Natürlich war der Tag viel mehr vom Überleben geprägt, als das heute der Fall ist“, sagt Borgwardt. Aber: Es gab erste Agrartechnik in Form von Scharpflügen und Mehrfruchtwirtschaft, die den Bauern gute Ernten bescherten.

Auch mit dem Vorurteil des kurzen Lebens räumt der wissenschaftliche Freizeitritter auf: Wer das Säuglingsalter überstanden hatte, dessen Chancen auf ein gesegnetes Alter waren so schlecht nicht. Allerdings gab es eine Menge Unwägbarkeiten, die einen Strich durch die Aussicht auf ein langes Leben ziehen konnten. „Natürlich war das Leben nicht ungefährlich. Reisen waren ein Risiko. Wir haben im Selbstversuch einmal ein großes Waldgebiet durchwandert. Mit originaler Kleidung, die wir nach wissenschaftlichen Erkenntnissen rekonstruieren. Ein Abenteuer für sich. Jede Flussüberquerung gerät zum gefährlichen Akt und auch wenn es keine Bären und Wölfe mehr gibt: Auch eine Nacht im Frühling ist verdammt kalt“, sagt Borgwardt.

Furor ist in der Dorstener Vereinslandschaft einmalig. Das, was die Wulfener praktizieren, ist kein Klamauk, sondern ein wichtiger Beitrag zur Alltagsgeschichte, die viele Gewohnheiten und Sitten der Gegenwart in ihren Ursprüngen beleuchtet und erklärt. Und Spaß macht das Ganze auch. Infos: www.furor-normannicus.de

Autor:

Lokalkompass Dorsten aus Dorsten

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