Es geschah in Lembeck
Lembeck. Nein, es ist keine Szene aus einem Heimatfilm, die Schießerei vor 75 Jahren in Lembeck, die einem Landjäger und Familienvater das Leben kostete. Walter Lüttringhaus, so hieß das bedauernswerte Opfer, war Oberlandjäger und starb im Dienst.
Was genau geschah damals? In Gesprächen mit Zeitzeugen konnte Licht in das Drama vom 31. März 1933 gebracht werden. Wer war Walter Lüttringhaus? Der verstorbene Förster Karl Müller kannte den Oberlandjäger persönlich und beschrieb ihn als einen sehr geselligen Mann, der sich als Soldat im ersten Weltkrieg bewährt hatte und dann die Laufbahn als Landjäger einschlug.
Jetzt wird zwangsläufig die knochenharte Mettwurst bei dem Begriff Landjäger ins Gespräch kommen: In der Tat waren diese Würste als dienstlicher Proviant für die oft tagelangen Patrouillen der Landjäger in den wenig bewohnten Landstrichen vorgesehen und heißen deshalb bis heute so.
Die Landjäger waren eine Art überregionale Polizei, die Anfang 1934 durch die Gendarmerie ersetzt wurde. Sie hatten polizeiliche und zollrechtliche Kompetenzen und waren schwer mit Karabiner und Pistole bewaffnet. Lüttringhaus hatte 1930 die Tochter des Lembecker Försters Hohmeyer geheiratet und hatte sich am Ortsrand eine Wohnung gemietet.
Müller beschreibt Walter Lüttringhaus als stattlichen Mann, der - stets in Uniform - etwas her machte. Lüttringhaus war ein moderner Oberlandjäger, denn er fuhr seine Streifen mit dem Fahrrad. Seine Kollegen waren oft noch beritten und durchstreifen die Gegend per Pedes, um in erster Linie den Schmugglern Einhalt zu gebieten, die mit Hehlerware nach Holland zogen und mit Kaffee, Alkohol und anderen Luxusprodukten zurück kehrten.
Am Vormittag jenes 31. März war Lüttringhaus mit dem Fahrrad zur Streife aufgebrochen. Seine vor 20 Jahren verstorbene Witwe Irene Schürholz erinnerte sich an den Tag genau. Lüttringhaus entdeckte nach kurzer Fahrt ein verdächtiges Auto in einem Gebüsch in Höhe der Gabelung der Rekener Straße und dem Große Vorholt-Weg. Er entschloss sich zur Personenkontrolle und ließ sich von zwei jungen Männern die Ausweispapiere zeigen. Er entdeckte auffällige Gegenstände im Auto und schon drückte ihm einer der beiden Männer eine Armeepistole auf die Brust und riet ihm, zu verschwinden.
Lüttringhaus ging zum Schein auf diese Forderung ein und entfernte sich wenige Schritte von dem Auto, um dann die Waffe zu ziehen und zu feuern. Er traf den Gangster am Oberarm, doch der schoss zurück und Lüttringhaus wurde schwer am Kopf getroffen. Der Landjäger schleppte sich zu einem nahen Wohnhaus und wurde nach ärztlicher Notversorgung durch den Landarzt Vogt in das Michaelis Krankenhaus gebracht. Dort verstarb er dann am 2. April 1933.
Die Gangster rasten in verschärftem Tempo in Richtung Dorsten. In Höhe der ehemaligen Rose-Brauerei konnte der mutige Amts-Chauffeur Wensing mit dem einzigen Dienstwagen des Amtes Hervest die Verbrecher rammen und die Polizei konnte beide verhaften. Wofür war Landjäger Lüttringhaus gestorben? Die Beute der Schmuggler war aus heutiger Sicht lächerlich: Ein paar Koffer, Zigaretten und Kaffee in geringer Menge und ein größerer Posten Maggi-Produkte. Tod für ein paar Suppenwürfel.
Die Nazis inszenierten im Jahr 1934 die Gedenksteinenthüllung zu einem Spektakel und der Landrat Dr. Rieth verstieg sich in seiner Rede dazu, dass Walter Lüttringhaus zu beneiden sei, denn er sei in Pflichterfüllung gestorben. Wem sei das schon vergönnt? Verrückte Welt und Karl Müller sowie Verwandte von Lüttringhaus konnten bestätigen, dass der Landjäger wie viele Protestanten dem NS-Regime ablehnend gegenüber stand.
Was geschah mit den Verbrechern? Der Todesschütze wurde zu lebenslanger Haft und Aberkennung der Ehrenrechte verurteilt und der Fahrer des Fluchtwagens landete für drei Jahre im Zuchthaus. So endete ein Drama auf dem Land, an das bis zum heutigen Tag der Lüttringhaus-Stein erinnert.
Autor:Jo Gernoth aus Dorsten |
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