Ein Hut, ein Stock, ein Weg
Mit Binsenhut und Leinentunika auf schmalen Pfaden unterwegs: Die Wulfener Mittelaltergruppe Furor Normannicus nutzte einen der wenigen schönen Sommertage, um auf ihre ganz eigene Weise Heide und Wald rund um Haltern zu erkunden.
Der Sand knirscht leicht unter den profillosen Sohlen, als die kleine Wanderschar durch die sonnendurchflutete Heidelandschaft zieht. Spaziergänger drehen sich erstaunt nach den sieben Pilgern um, die mit ihrer hellen Tracht, den breiten Hüten und den Wanderstäben aus der Masse der Besucher in der Westruper Heide herausragen. „Sind Sie der Verein der Heidefreunde?“ vermutet ein älteres Ehepaar, als sie von den entgegenkommenden Wanderern mit einem freundlichen Griff an den Hut begrüßt worden waren: „Sie passen so gut in die Landschaft“.
Tatsächlich passt die Heide ganz gut zu der Schar, die an diesem Tag von der Wulfener Gruppe „Furor Normannicus“ nach Haltern gekommen war. „Heidelandschaften haben als alte Kulturlandschaft oft ihren Ursprung im Mittelalter, wo sie durch Rodung und Bewirtschaftung entstanden“, erklärt Oliver Borgwardt. Als einer von mehreren Historikern und Geschichtsbegeisterten, die sich vor über 12 Jahren zu der Gruppe Furor Normannicus zusammengeschlossen haben, ist der Wulfener an diesem Tag mit leinener Kleidung im Stil des 12. Jahrhunders unterwegs. Auch seine Begleiter tragen helle Tuniken und einfache Beinkleider, dazu weiche Lederschuhe und breite Hüte aus Binsen, Stroh oder Filz. „Wir setzen unsere Forschungsergebnisse in Form von lebendiger Geschichte um. Das bedeutet, dass wir Kleidung und Ausrüstung des Hohen Mittelalters so vorlagengetreu wie möglich rekonstruieren und sie dann anziehen und ausprobieren“, stellt Borgwardt das Konzept vor. „Unsere Exkursionen haben wir mit Augenzwinkern Gewanderungen getauft - von Gewand und Wanderung.“
Praxis-Test für die Rekonstruktionen
Seit zwei Jahren stellen die Mitglieder von Furor Normannicus ihre Ausrüstung auf diese Weise auf die Probe, machen Erfahrungen und verbessern so ihre Rekonstruktionen. Sie laufen durch Eis und Schnee, über regennasse Waldwege, bei Hitze und Kälte. „Normalerweise gehen wir querfeldein und nutzen schmale Pfade, die den mittelalterlichen Wegen noch am nähesten kommen“, betont Martin Bruns. „Hier in der Heide allerdings geht das nicht. Obwohl es ursprünglich eine menschengemachte Landschaft ist, müssen wir hier auf den Wegen bleiben, um das Ökosystem nicht unnötig zu stören“, erklärt der Biologielehrer, der seit Anfang an bei Furor Normannicus ist. So müssen die Wanderer auf ihrem Weg immer wieder einmal stehen bleiben und neugierigen Heidebesuchern etwas erklären. „Im Erklären haben wir zwar Routine, da wir seit Jahren auf Museumsveranstaltungen und Schulaktionen auftreten, aber bei einer Gewanderung ist das eher ungewohnt“, schmunzelt Janna Trowe. Die Geschichtsstudentin wird an diesem Tag immer wieder angesprochen, und erklärt gerne ihre Tracht, die der einer einfachen Magd oder Bäuerin entspricht.
Nach einer kurzen Rast, bei der die mittelalterlichen Pilger ganz nach Vorbild zu transportablen Speisen wie Käse, Brot oder Nüssen greifen, geht es dann in die zweite Etappe. Diese führt die Wanderer nun weg von den Besucherscharen in der Westruper Heide und tief in die hüglige Waldlandschaft der Haard. Schon nach den ersten Metern ist die Schar nun scheinbar alleine unterwegs, atmet die kühle Waldluft und spürt den moosigen Boden unter den weichen Ledersohlen. „Zum einen ist es natürlich ein schöne Gelegenheit, in die Natur zu kommen“, sagt Furor Normannicus-Mitglied Thorsten Fritsche, „aber es ist auch eine körperliche Herausforderung und ein Experiment. Wenn irgendetwas mit der Ausrüstung nicht stimmt, dann merken wir das hier am besten.“ So habe er etwa seine Kiepe mehrmals etwas umbauen müssen, weil die Riemen zu schnell rissen oder sich der Tragekorb nach einigen Kilometern in den Rücken bohrte. „Man lernt eigentlich immer was dazu“, betont auch Fritsches Bruder Karsten. Da die Geschichtsfreunde bei ihren Rekonstruktionen oft auf eher ungenaue Bildquellen angewiesen sind, helfen solche Feldversuche dabei, das Wissen über das Hochmittelalter zu vertiefen. „Wir können uns zwar heutzutage nicht mehr in die Gedankenwelt der mittelalterlichen Menschen hineinversetzen“, schmunzelt Borgwardt, „aber immerhin sind wir so schon einmal in ihren Schuhen gewandelt. Das ist schon mal etwas.“
Autor:Olaf Hellenkamp aus Dorsten | |
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