11. Februar ist 112-Tag
Hinter den Kulissen der Feuerwehr-Kreisleitstelle
Kreis. Ein melodisches Klingeln ertönt. Nur wenige Sekunden, schon ist Markus Terwellen am Apparat: „Notruf Feuerwehr und Rettungsdienst. Aus welcher Stadt rufen Sie an?“ Er ist einer von 46 Disponenten in der Feuerwehrleitstelle des Kreises Recklinghausen. Zielgerichtet und mit ruhiger Stimme leitet der 39-Jährige den Anrufer durch das Telefonat. Eine Frau hat schwere Blutungen, meldet der Mann am anderen Ende der Leitung.
„Atmet die Frau?“ Mit wenigen Fragen versucht der erfahrene Feuerwehrmann, ein Bild von der Lage zu bekommen, um genau die Maßnahmen einzuleiten, die notwendig sind. „Unser Ziel ist, immer die passenden Einsatzmittel zu schicken“, sagt Markus Terwellen hinterher. In diesem Fall einen Rettungswagen und einen Notarzt – mit Sondersignal, also mit Martinshorn und Blaulicht.
Was aus der Person wird, erfahren die Disponenten üblicherweise nicht. In einem Fall aber weiß Markus Terwellen, dass alles gut ausgegangen ist. Es war eine Geburt, die er am Telefon begleitet hat: „Der Vater des Kindes hatte eigentlich nur angerufen, um zu fragen, in welches Krankenhaus in Marl sie fahren könnten. Eigentlich wollten sie nach Datteln, aber er wusste, dass die Fruchtblase schon geplatzt war. Das Köpfchen schaute auch schon raus. Da gab es keine Alternative mehr, der Vater musste vor Ort als Hebamme einspringen, ich bin per Telefon dabei geblieben bis die Kollegen vom Rettungsdienst am Geburtsort übernommen haben. Da war das Baby allerdings schon gesund und munter auf der Welt.“
Es gibt Fälle, in denen die Disponenten am Telefon bleiben bis die Rettungskräfte vor Ort eintreffen. Wie in dem Fall der Geburt. Aber auch, wenn sie ein Reanimation anleiten.
Während der Leitstellen-Mitarbeiter telefoniert oder funkt, leuchtet die „Ampel“ an seinem Arbeitsplatz rot. Das Signal für alle anderen, dass er gerade nicht für andere ansprechbar ist. Geht ein neuer Anruf ein, leuchten an allen Arbeitsplätzen die orangefarbenen Lampen – bis einer der Disponenten den Anruf übernimmt. Braucht ein Kollege Unterstützung, kann er ein Blitzlicht aktivieren. „Dann kann sich jemand zusätzlich in das Telefonat einklinken und beispielsweise Kontakt zu Polizei oder Krankenhaus aufnehmen – oder ganz simpel helfen zu verstehen, was der Anrufer sagt, wenn er kein Deutsch oder nur sehr schlecht Deutsch spricht“, berichtet Markus Terwellen aus dem Alltag eines Leitstellen-Mitarbeiters.
Wenn alles planmäßig läuft, sind sieben Disponenten und ein Wachabteilungsleiter auf einer Schicht. Kurzfristige Erkrankungen machen aber auch vor Feuerwehrleuten nicht halt. „Das ist aber alles machbar“, sagt Claas-Marvin Erwig. Er ist heute verantwortlicher Wachabteilungsleiter und plant gerade den Personaleinsatz für die nächsten Tage. „Morgen und übermorgen sieht es gut aus, aber für Donnerstag haben wir noch einen Engpass“, sagt der 38-Jährige.
Heute gibt es keinen Engpass. Alle sechs Plätze sind an diesem Morgen besetzt. Doch die Telefone klingeln gerade erfreulich selten. Zeit für die Kollegen, die Stühle zur Mitte zu drehen und auch mal ein bisschen miteinander zu sprechen. Die „Pause“ hält nicht lange. Nur wenige Minuten später sind fünf Leitungen belegt, schauen die Mitarbeiter wieder aus dem Rund heraus auf ihre sechs Bildschirme. Einer zeigt, welche Stationen in welchem Krankenhaus frei oder belegt sind. Einer ist für die Erfassung der Einsatzdaten. Gleich daneben erscheint automatisch eine Karte, die den eingegebenen Ort zeigt. Auf der anderen Seite steht zusätzlich ein Display für die Kommunikation. Nur ein Fingertipp und schon steht die Leitung zu einer Feuerwache, einer anderen Leitstelle im Umfeld, dem Giftnotruf, Krankenhäusern oder zu der Zentralen Verteilungsstelle für Verbrennungsbetten in Hamburg.
Wieder werden Rettungssanitäter und Notärzte auf die Reise geschickt, um vor Ort Hilfe zu leisten. Eine Tür muss an diesem Morgen aufgebrochen werden, in einem Supermarkt ist ein Kunde zusammengebrochen. Eine Brandmeldeanlage an einer Schule hat Alarm geschlagen. Ein ganz normaler, ruhiger Morgen für die Wachabteilung.
„Das ist es, was den Reiz an dieser Arbeit ausmacht: Man weiß nie, was einen erwartet, wenn das Telefon klingelt. Aber wir sind Ansprechpartner in der Not und können in den allermeisten Fällen dafür sorgen, dass den Menschen geholfen wird. Für die richtige Einschätzung der Lage ist die praktische Einsatzerfahrung aus der Arbeit von Feuerwehr und Rettungsdienst eine wichtige Grundlage“, sagt Markus Terwellen.
360 Notrufe gehen im Schnitt pro Tag bei der Kreisleitstelle ein, 130.000 in einem Jahr. Hinzu kommen jährlich 37.000 Anrufe für den Krankentransport und 115.000 Anrufe über die Amtsleitung, beispielsweise von anderen Behörden. Die Disponenten können auf fast 700 Feuerwehreinsatzkräfte zugreifen, die in unterschiedlichen Schichten an den Feuerwehrwachen rund um die Uhr einsatzbereit sind. Diese werden von 1.900 ehrenamtlichen Feuerwehrfrauen und –männern aus den unterschiedlichen Löschzügen unterstützt. Alles für die Sicherheit der über 620.000 Menschen im Kreis Recklinghausen.
„Die Größe des Kreises ist vor allem bei Unwetterlagen eine besondere Herausforderung, weil dann hunderte Anrufe gleichzeitig eingehen. Für diese Fälle haben wir sechs sogenannte Überlaufplätze, an denen ebenfalls Notrufe entgegen genommen werden können. Über die WarnApp NINA und die kreiseigenen Kommunikationskanäle informieren wir in solchen Situationen die Menschen im Kreis“, sagt Brandamtsrat Lars Jesse, stellvertretender Leiter der Kreisleitstelle.
Er lässt seinen Blick in die Runde schweifen. Vier rote Lampen zeigen, dass seine Mannschaft einiges zu tun hat. Wie an jedem Tag. 365 Tage im Jahr. 24 Stunden am Tag.
Die Kreisleitstelle in Zahlen:
- 52 Mitarbeiter (48 Stunden arbeiten Disponenten im Schnitt pro Woche)
- 130.000 Notrufe / Jahr
- 37.000 Anrufe Krankentransport / Jahr
- 115.000 Anrufe jährlich über die Amtsleitung (Zusammenarbeit mit anderen Behörden und Organisationen)
- 10.200 Einsätze für die Feuerwehren im Kreisgebiet
- 114.000 Einsätze für den Rettungsdienst
- 33.000 Einsätze für den Krankentransportwagen
- 698 Brandmeldeanlagen sind in der Leitstelle aufgeschaltet
- 1600 mal haben die Brandmeldeanlagen im letzten Jahr ausgelöst
- mit 15 Krankenhäusern steht das Leitstellenteam in ständigem Kontakt
- Die Leitstelle koordiniert und alarmiert im Kreisgebiet
- 10 Feuerwehren
- 24 Rettungswagen
- 10 Notarztwagen
- 22 Krankentransportwagen
- Rettungshubschrauber
Autor:Olaf Hellenkamp aus Dorsten | |
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