Von der Balkanroute in die eigene Werkstatt
"Was ich gesehen habe, hat niemand auf der Welt gesehen", sagt Daniel. Die Realität sieht zwar leider anders aus, diese Einschätzung zeigt aber, welch schrecklichen Dinge der junge Afghane schon als Kind erlebt hat.
Geboren ist Daniel - diesen Namen hat er später angenommen - in einem kleinen Dorf in der Nähe von Kabul. "Wir haben nur die ersten Jahren in Frieden gelebt", erzählt der 33-Jährige. Dann nahmen die Gewalt, der Terror und der Krieg in seiner Heimat immer mehr zu. "Ich habe Dinge in der Realität erlebt, die andere nur aus Filmen kennen", sagt Daniel. "Schlimmer als jedes Kriegsvideo." Viel über diese Zeit reden will Daniel nicht, sagt nur "Es war eine furchtbare Zeit." Sein Vater und sein Bruder sind in Afghanistan umgekommen, die Familie ist nur mit den Kleidern auf dem Leib in den Iran geflüchtet. Über Griechenland und den Balkan ist er nach Österreich gekommen, war tagelang zu Fuß unterwegs.
Heute lebt Daniel mit seiner Frau und zwei Töchtern in Bottrop. Sein Asylverfahren ist abgeschlossen, er spricht inzwischen sehr gut und flüssig Deutsch. "Positiv denken", versucht der junge Familienvater, "wieder von vorn anfangen."
Das hat Daniel getan. Vor kurzem hat der gelernte Schneider eine eigene kleine Werkstatt in Oberhausen-Osterfeld eröffnet: "Daniels Maß- und Änderungsschneiderei" steht über der Tür und auf dem Flyer, den er hat drucken lassen, der Zusatz: "Setzen Sie Ihrer Fantasie keine Grenzen!".
In Afghanistan hat Daniel seine Ausbildung zum Schneider gemacht und verfügt inzwischen über eine 18-jährige Berufserfahrung als Maßschneider. Unter seinen Händen enstehen aber nicht nur Sakkos und Hosen, Daniel hat eine Marktlücke entdeckt: Er schneidert Talare und gehört damit zu den wenigen seiner Zunft in Deutschland, die diesen Service anbieten.
"Es ist wirklich toll, dass sich Daniel in seiner Situation diesen Schritt zugetraut hat", sagt Marina Maltese von der Evangelischen Flüchtlingsberatung, die sich auch um den jungen Mann aus Afghanistan und sein Familie gekümmert hat. "Es wäre schön, wenn er ein Beispiel für andere sein könnte und ihnen Mut machte, auf ihre Fähigkeiten zu vertrauen."
Was wünscht sich Daniel für die Zukunft? Wo will er in fünf Jahren stehen? "Dann will ich meinen eigenen Salon habe und Mitarbeiter beschäftigen", setzt sich Daniel ein ambitioniertes Ziel. Daniel ist einer von wenigen Schneidern in Deutschland, die Talare nähen.
Die Schneiderwerkstatt ist in Oberhausen-Osterfeld auf der Hans Sachs Str. 22 zu finden.
Daniel verfügt zurzeit nur über eine haushaltsübliche Nähmaschine und sucht dringend nach einer gebrauchten, gut funktionierenden Industrie Overlock-Maschine.
Kontakt unter Tel. 0157/51161692 info
Autor:Judith Schmitz aus Bottrop |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.