Nur der erste Schritt ist schwierig: Andrea Leitner hat sich eine Auszeit vom Job genommen und ist jetzt ganz allein auf dem Weg um die Welt
Wahrscheinlich sitzt sie gerade im Zug. In irgendeinem Abteil der Transsibirischen Eisenbahn und lässt die Steppenlandschaft an sich vorbei ziehen. „Das ist mein Kindheitstraum“, sagt Andrea Leitner.
Die Erfüllung von Träumen wird im Leben der Bottroperin gerade ganz groß geschrieben. Anfang 2008 hatte sie sich für fünf Jahre vom Job beurlauben lassen. Bis Ende Februar war die 48-Jährige als Kommunikationsberaterin der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit in Mosambik tätig. Dann packte Andrea Leitner einen Rucksack und machte sich auf den Weg, Ziel: einmal um die Welt.
Los ging dieser Weg im südlichen Afrika: Mosambik, Swaziland, Lesotho, Südafrika, Namibia, Sambia, Kenia, Tansania mit der Insel Sansibar, Malawi... In fünf Monaten hat Andrea Leitner rund 15.000 Kilometer zurück gelegt. „Meistens war ich per Bus oder im Zug unterwegs“, erählt sie. Ganz allein, blond - dafür braucht es schon etwas Mut. „Man muss auf Fragen sagen, dass man seine Familie besuchen geht“, verrät die Bottroperin einen ihrer Tricks, um von den Einheimischen respektiert zu werden. „Manchmal hatte ich jeden Tag eine andere Familie“, erzählt sie und grinst. Und da man als Globetrotter schnell Anschluss findet, sei man auch nie wirklich ganz allein, fügt sie hinzu. „Ich bin ein geselliger Eremit.“ Auch die Sprach-Hürden nimmt Andrea Leitner ziemlich gelassen. In Afrika hat sie sich mit Englisch, Portugiesisch und etwas Swahili verständigt, auf der Tour rund um die Welt wird es auch irgendwie gehen. „Ich habe immer alles bekommen, was ich wollte“, ist die Bottroperin zuversichtlich.
Eine große Herausforderung stellt da schon eher das Gepäck dar. Am Anfang schleppte Andrea Leitner noch 17 Kilo mit sich herum, doch schnell war klar: das funktioniert nicht auf Dauer. „Jetzt habe ich nur noch einen Rucksack dabei, der fünf Kilio wiegt. Aber da sind zwei Lippenstifte drin!“
Zwischenstopp bei den Eltern
Nach dem fünfmonatigen Trip durch Afrika trudelte Andrea Leitner erstmal wieder in ihrer Heimatstadt ein - doch mehr als ein Zwischenstopp war das nicht. Vier Wochen lang quartierte sie sich wieder bei den Eltern ein, ließ sich beim Arzt durchchecken, die Waschmaschine laufen und besuchte endlich mal wieder ihre alten Freunde. „In den vier Wochen haben wir bestimmt 30 bis 40 Abschiede gefeiert“, erzählt sie.
Vor allem aber hat Andrea Leitner trainiert, denn der nächste Abschnitt ihrer Weltreise gehörte ganz sicher nicht zu den erholsamsten. In zwei Monaten wollte die 48-Jährige auf dem Jakobsweg von Frankreich nach Santiago de Compostella pilgern. „817 Kilometer, das braucht schon ein wenig Vorbereitung“, weiß sie. In Mosambik hatte sie zum Einschlafen Hape Kerkelings „Ich bin dann mal weg“ als Hörbuch dabei - so entstand die Idee.
Inzwischen ist der östliche Teil der geplanten Reiseroute dran. Nach dem erfolgreichen Abwandern des Jakobsweges steht für Andrea Leitner die sibirische Steppe und die Mongolei auf dem Programm. „Das wollte ich schon immer sehen. Eine Landschaft, die nicht überbevölkert ist. Diese Weite - und außerdem liebe ich den Schnee und die Kälte.“ Kaum zu glauben.
Wer Andrea Leitner kennt, sagt auch „Kaum zu glauben“ bei einem ihrer weiteren Pläne: ein Aufenthalt in einem indischen Schweigekloster. Dort ist nicht nur das Reden, sondern jegliche Aktivität untersagt. Der Blick soll sich nach innen richten, der Mensch allein mit seinen Gedanken sein. „Ob ich das schaffe, weiß ich nicht“, räumt Andrea Leitner ein, „aber ich will es mal probieren.“
Wenn sie wieder daheim eintrudelt, will Andrea Leitner ihre Erfahrungen in einem Buch verarbeiten, Arbeitstitel „Blond .. im südlichen Afrika“ (in der Mongolei, auf dem Jakobsweg, in Indien und so weiter). Damit verweist sie nicht nur augenzwinkernd auf ihre helle Mähne, sondern spielt mit der Doppeldeutigkeit des Wortes „Blond“. „Blond auch deshalb, weil ich im Vorfeld wenig über das Land lese, in das ich reise“, erklärt Andrea Leitner. „Meine Infos ziehe ich lieber aus Gesprächen mit den Einheimischen oder aus meinen eigenen Beobachtungen. So bin ich vorurteilsfreier.“
Was nimmt Andrea Leitner von ihren Reisen mit, außer jeder Menge von Bildern, die nicht nur auf der Festplatte des Computers, sondern vor allem in ihrem Kopf gespeichert sind? „Man muss keine Angst haben“, sagt sie nach vielen, vielen Erfahrungen und Begegnungen. „Schwierig sind immer nur die ersten Schritte, und mit jedem Schritt wird es leichter. Jede Kultur bereichert mich. Ich werde nicht wieder so nach Hause kommen, wie ich jetzt bin.“
Autor:Judith Schmitz aus Bottrop |
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