Frauenpower: Kämpfen wie eine Löwin
Vor 22 Jahren brach eine renommierte Bottroper Ärztin jugoslawischer Abstammung mit zwei Freundinnen und Sachspenden im Wert von 120.000 Mark im Gepäck auf, um in ihrer Heimat die Hilfsbedürftigen mit dem Nötigsten zu versorgen.
Heute organisiert und bepackt Dr. Elisabeth Alemany fast wöchentlich einen LKW, den sie im Auftrag der Osteuropa-Hilfe nach Ungarn, Rumänien oder Kroatien schickt. „Als der rumänische Staatspräsident Ceauescu 1989 hingerichtet wurde, fragte ich mich, wie lang ein Volk wohl eine solche Unterdrückung ertragen kann. Da wurde mir klar, dass ich etwas machen musste“, erklärt Alemany ihre Motivation für den ersten Transporter.
Sie kannte die Leute im ehemaligen Jugoslawien, hatte dort noch Familie, und vor allem – sie beherrschte die Sprachen Osteuropas. Mit der ungarischen Sprache aufgewachsen, lernte sie in der Schule Russisch und Serbokroatisch und durch ihren Mann, der aus Madrid stammt, sprach sie Spanisch und kam so auch in Rumänien gut zurecht.
Also meldete sie sich direkt nach ihrer Ankunft bei der Polizei, bat um Begleitschutz, erhielt beim Rathaus die Liste der Sozialempfänger, bepackte drei Autos und brachte den ärmsten Familien Grundnahrungsmittel, Hygieneartikel und auch Schokolade direkt nach Hause, in die Kindergärten und Altersheime. „Die Verhältnisse waren schrecklich, viele Leute waren schwer krank und es fehlte überall an Medikamenten. Eine solche Hilfsaktion haben die Menschen dort noch nie gesehen“, beschreibt Alemany ihre erschütternden Eindrücke. Von da an war ihr klar: Diese Hilfsaktion muss weitergehen.
Durch den Fall der Mauer wurde sie auf Csilla von Boeselager aufmerksam, die in der ungarischen Botschaft DDR-Flüchtlinge versorgte. Bereits zwei Jahre zuvor hatte die gebürtige Ungarin begonnen, die ersten karitativen Vereine im kommunistischen Ungarn aufzubauen. „Da habe ich diese Frau einfach angerufen und meine Hilfe angeboten“, so Alemany, „und da ich die Balkansprachen beherrschte, war sie ausgesprochen froh, mich in ihr Team aufzunehmen.“
Die Osteuropa-Hilfe trägt seit dem Tod Boeselagers deren Namen und bringt nun schon jahrelang LKWs, mittlerweile 50 bis 60 jährlich, nach Osteuropa zu den verschiedensten Projekten. Elisabeth Alemany ist jetzt zwar nur noch Beirat der Stiftung, kämpft aber an allen Fronten: Sie sammelt Spenden, wählt die Sachen aus, stellt Kontakte mit den Hilfswerken her, kümmert sich um die Logistik und belädt selbst mit nur wenigen ehrenamtlichen Helfern jede Woche einen LKW. „Mich erreichen heute mehr Bettelbriefe als früher. Die Staaten dort sind pleite, die sind schlimmer dran als Griechenland, aber darum kümmert man sich viel zu wenig. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, die Armut sehr schlimm“, bedauert Alemany. Damit sie weiß, dass ihre Hilfe auch ankommt, besucht sie die Einrichtungen, die sie betreut, von Zeit zu Zeit selbst, um sich ein Bild von der Situation zu machen. Eins ihrer aktuellsten Projekte war die Ausstattung eines Mädcheninternats in Fot, nördlich von Budapest, vom ungarischen Sozialministerium in Auftrag gegeben.
Trotz vieler Schikanen an der Grenze, umfangreicher Zollbestimmungen mit ewigen Anmeldeverfahren und jeder Menge Papierkram hat Alemany nie aufgegeben: „Ich sehe die große Not dort, ich weiß ja genau, wo die Sachen hingehen und erkenne, wie sehr sich die Leute freuen. Das gibt mir Kraft weiterzumachen. Ich kann doch nicht ablehnen, wenn die Menschen meine Hilfe brauchen!“
In diesem Jahr hat Elisabeth Alemany mit ihren 75 Jahren bereits den 13. LKW mit Hilfsgütern beladen. Und wie kaum eine andere Organisation kann sie behaupten, dass die gesamten Spenden zu 100 Prozent an die Hilfsbedürftigen gehen. Sie arbeitet nur mit Ehrenamtlichen zusammen, sowohl hier als auch in Osteuropa, die laufenden Ausgaben werden von den Zinsen des Stiftungskapitals finanziert. Besonders fehlt es den Menschen drüben an Bettwäsche, Kinderbekleidung, an Nahrungsmitteln, (vor allem die Kinder freuen sich über Süßigkeiten, die sie zum Teil noch nie gesehen haben), aber auch Geldspenden sind gerade wegen der gestiegenen Benzinpreise sehr willkommen.
Vor 50 Jahren ist die pensionierte Ärztin nach Deutschland gekommen, kurz nach ihrem Medizinstudium, und wollte hier Arbeit finden. Mit ihrem Mann will sie nun auch ihren Lebensabend in der Ruhrgebietsstadt verbringen. Dennoch hat sie den Bezug zu ihrer Heimat nie verloren und möchte dort den Menschen helfen, die vielleicht einen ähnlichen Traum haben wie sie ihn damals hatte. Ihr nächstes Vorhaben soll der Umbau ihres eigenen Elternhauses in Ungarn in ein Altersheim sein – eine Frau, die wie eine Löwin kämpft, um die Welt Stück um Stück ein bisschen besser zu machen.
Autor:Lokalkompass Bottrop aus Bottrop |
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