„Erst nach dem Zug wird’s offensichtlich“
„Rosenmontag herrscht Ausnahmezustand, da wird auch schon morgens tiefer ins Glas geguckt“, weiß Streetworkerin Doris Golembiewski. In der Tat: Acht Patienten mussten im letzen Jahr im Marienhospital ausgenüchtert werden. Zwei Erwachsene und sechs Leute unter 18 Jahren waren betroffen.
Karneval 2011 gab es von Weiberfastnacht bis Aschermittwoch 136 Verkehrsunfälle in NRW. In 51 Fällen war Alkohol im Spiel. In der Stadt Duisburg kommt der Karnevalszug seit 20 Jahren ohne Alkohol und Zigaretten aus. Auf den Wagen wird weder geraucht noch getrunken. Und alkoholische Getränke werden auch nicht von den Wagen herunter ausgeschenkt. „Bei uns werden auch keine Alkoholika vom Wagen heruntergereicht, das ist verboten“, sagt Günter Körber. Fahrzeugführer und Ordner haben ebenfalls 0,0 Promille.
„Ein Gläschen Bier auf dem Wagen darf getrunken werden - betrunken ist aber bei uns niemand“, so der Präsident des Festkomitees Bottroper Karneval weiter. Er selbst trinkt keinen Schluck, denn er hält nach dem Rosenmontagszug noch eine Rede im Rathaus. Dass Jecken ihrer Feierlaune nachhelfen, ist ihm bewusst: „Während des Zuges fällt es nicht so sehr auf. Wenn man sich aber danach anschaut, was alles auf den Straßen liegt, sieht man, was die Leute so alles geschluckt haben“, so Körber.
Im letzten Jahr wurden bei strahlendem Sonnenschein und Temperaturen von -10 Grad Celsius kaum Angetrunkene beim Zug, sondern später auf der Karnevalskirmes am Rosenmontag gesehen. Zwar herrscht auf der Kirmes ein Mitbringverbot von Alkoholika und Glasflaschen, aber es konnten wohl nicht alle Besucher kontrolliert werden. Es kam hier bereits zu kleineren Rangeleien. Größere Ausschreitungen hat es aber nicht gegeben. Etwa fünf bis sechs Fälle wurden als Rosenmontagsverletzungen in der Ambulanz des Marienhospitals behandelt. Wo sich die Patienten die Blessuren geholt haben und ob sie alkoholisiert waren, darüber gibt es keine Angaben.
Seit drei Jahren gibt es am Rosenmontag auf dem Gleiwitzer Platz eine Anlaufstelle für Jugendliche und junge Erwachsene. Initiatorin ist die Streetworkerin Doris Golembiewski: „Früher waren die Mitarbeiter des Jugendamtes mit erhobenem Zeigefinger unterwegs und führten Kurzgespräche á la ‚Trink keinen Schnaps, wenn, dann lieber Bier‘ und fragten, ob sie denn überhaupt schon etwas gegessen haben. Rosenmontag ist ein ganz besonderer Tag. Da ist es schwierig, den Jugendlichen den Alkohol zu verbieten.“
Auf dem Gleiwitzer Platz ist ein bunter Wohnwagen aufgestellt. Hier können junge Leute entspannen, bekommen Laugenbrezeln, etwas zu trinken und auch Kondome. „Wir wollen auch Krankheiten verhindern“, so Golembiewski zum letzteren Angebot. Sie sitzt zwar mit ihrem Wohnwagen nicht mittendrin, der Kontakt ist aber da: „Ich habe zahlreiche Helfer, Jugendliche und junge Erwachsene, die gemeinsam los ziehen, Tetrapacks und Flyer an die Jugendlichen verteilen und sie auch ansprechen. Da immer ein Jugendlicher und ein Erwachsener zusammen auftreten, wirkt das nicht oberlehrerhaft, sondern locker, auf Augenhöhe.“
Bei dieser Aktion handelt es sich um aufsuchende Jugendsozialarbeit, die Jugendlichen entscheiden selbst, ob sie zum Wohnmobil kommen wollen. Ein Negativbeispiel erlebte sie nur in ihrem ersten Jahr: „Ein stark alkoholisierter Jugendlicher wurde von meinen Ehrenamtlern entdeckt. Ich habe das Rote Kreuz gerufen.“
Die Duisburger Idee, auch auf den Wagen keinen Alkohol zu trinken, würde Doris Golembiewski begrüßen: „Wer auf dem Wagen steht, hat Vorbildcharakter.“
Autor:Bettina Meirose aus Bottrop |
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