Der Blutdruck steigt, die Hände sind nass, aber mir geht es wieder gut.

Der 13. Juni hatte es in sich. Den ganzen Tag hatte ich schon ein komisches Gefühl in mir. In meinem Kopf dröhnte es, heute ist der Tag der Tag, das Spiel der Spiele. Holland gegen Deutschland. Die ganze Fußballwelt schrieb, die hauen wir weg. Es wurde eigentlich nur noch über die Anzahl der Tore diskutiert. Also in mir war aber so ein ganz anderes Gefühl. Hoffentlich schießen die nicht sofort ein Tor, hoffentlich geht es gut, oh hoffentlich müssen wir nicht am Schluss alle weinen. Der Tag verstrich. Ich bemerkte und ich bemerke es immer noch, dass in diesem Jahr so kein echtes Europameisterschaftsgefühl aufkommt. Früher, da gab es überhaupt keine Frage, an welchem Ort man die Spiele anschaut alles war beflaggt, ein jeder sprach von nichts anderem mehr, in diesem Jahr ist das irgendwie anders, aber was sollst. Ich fand an diesem Abend einen Ort, denn ein Freund lud mich ein. Nach dem Portugalspiel wurde in der alten Kiste nach Deutschlandutensilien gesucht. Schal, Mütze, Fahnen, Tröte, alles lag irgendwo griffbereit und wurde sofort kunstvoll um den Körper gehängt. Am Ende wurde das Trikot von 1954 übergezogen und zum Schluß wurde das Gesicht noch durch die drei wichtigsten Farben Schwarz - Rot - Gold- verschönert. Das Fahrrad gesattelt und mit einer Fahne in der Hand, ging es los.
Beim Freund angekommen herrschte dicke Luft. Die Frau des Hauses hatte die Fernbedienung des Fernsehgerätes in die Hand genommen und den Fernsehen durch zwei gezielte Daumendrucke lahmgelegt. Die Stimmung schien irgendwie zu kippen. Tat sie dann zum Glück nicht. Der Sohn der Familie mit technischem Verstand rettete die Lage und stellte den Frieden wieder her. Immer mehr Zuschauer erschienen und schließlich waren die Sitzstellen belegt. Alles wartete fierberhaft auf das Spiel. Endlich ging es lost. Der Blutdruck in mir stieg wohl auf die Höchstmarke. Was für ein Spiel, die Holländer stürmten wie die Wölfe und die Deutschen.. die liefem dem Ball hinterher. In den ersten zwei Minuten bekamen die Deutschen keinen Ball. Das Gefühl in mir wurde immer elender. Dann endlich in der 24. Minute. Gomez, wer sonst, 1 zu 0 für Deutschland und der Körper ließ seine Freude raus. Die Stimmung wurde prächtiger nach dem 2 zu 0 noch prächtiger. Dann die zweite Halbzeit. Hat Deutschland keine Lust mehr, jetzt könnten sie die Holländer doch so richtig in die Knie zwingen, machen sie aber nicht. Wir sind ja freundlich. Wir wollen nicht, schießt ihr doch mal ein Tor. Danke sagt Holland und macht das dann auch. Die Hände werden nass. Die gute Stimmung sinkt in sich zusammen. Die Deutschen machen immer noch nichts. Wollt ihr vielleicht noch ein Tor schießen. Die Holländer wollen schon, können es aber nicht. Irgendwann merken die Deutschen, dass die Holländer nicht wollen und dann wollen die Deutschen auch nicht mehr, dass die Holländer noch ein Tor schießen.
Endlich der ersehnte Abpfiff. Alles schreit vor Glück auf. Jeder ballt die Faust und streckt sie Robben und Co. entgegen. Noch ein paar Reaktionen abwarten und dann besteige ich das Rad. Ich schwenke die Fahne und von überall her wird aus den Autos gewunken, es wird gehupt. Immer wieder ertönt Deutschland, Deutschland. Mein Blutdruck ist längst wieder normal geworden, die Hände sind trocken. Ich spüre den Fahrtwind, sehe die Fahne im Wind wehen und bin einfach nur glücklich. In diesem Moment kommt das Gefühl von Verbundenheit wieder durch. Ich wette, dass zum nächsten Spiel gegen Dänemark deutlich mehr Fahnen an den Häusern und Autos angebracht werden.

Bei mir übrigens nicht, denn meine Fahnen hängen bereits seit dem ersten Tage an allen besagten Stellen und werden erst dann abgenommen, wenn unsere Jungs nicht mehr am Turnier teilnehmen, also dann wohl erst am 2. Juli 2012.

Autor:

Christoph Lammerding aus Bottrop

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