Nachlese 1. Judo Bundesliga Männer - Judo in Holle gegen JC 66 Bottrop 4:10
Trainerwechsel? - Judo ist nicht Fußball
Als Männer-Bundesligacoach Sven Helbing am Montag die Trainingshalle des Judodojo in der Dieter Renz Sporthalle betrat, wartete Präsident Detlef Kaziur bereits mit ernstem Blick im an die Judohalle angeschlossenem Kraftraum. Der Nachwuchs und einige Bundesligakämpfer schwitzten bereits wieder bei ihren Übungen und Detlef Kaziur meinte zu Helbing: „Das Ergebnis schreit ja regelrecht nach einem Trainerwechsel…“. Mit einem Lächeln fügte er jedoch sofort hinzu: „…wenn wir beim Fußball wären!“ Dazu muss man verstehen, dass Judo nicht Fußball ist und auch, dass sich der JC 66 Bottrop und seine Arbeit nicht ausschließlich auf sein Männerbundesligateam reduzieren lässt. „In allen Vereinsbereichen läuft es momentan hervorragend. Der Nachwuchs wird in allen Altersbereichen immer stärker, die Frauen sind auf Finalkurs und haben bereits wieder die historische Chance, die erste Bundesligamedaille aller olympischen Sportarten nach Bottrop zu holen. Auch im Einzel haben sich schon jetzt wieder zahlreiche Bottroper für die Deutschen Meisterschaften 2018 qualifiziert. Lediglich die Männermannschaft muss sich noch gedulden, bis dort wieder Erfolge gefeiert werden können.“, so Teammanager und Sportkoordinator Volker Tapper. All das hat seine Gründe. Die seit Jahren geleistete Arbeit und Umstrukturierung im Nachwuchsbereich zeigt erste Früchte, die in der Vergangenheit gemachten Fehler im Anschlussbereich haben jedoch auch ihre Folgen. So verpasste es der JC organisatorisch langfristig, die Strukturen für einen breiten Anschlusskader zu schaffen. Mit Hamsat Isaev wurde zwar ein Nationalmannschaftkämpfer ausgebildet und mit Jan Tefett und Stefan Urselmann zwei weitere Eigengewächse ins Bundesligateam integriert, doch in der Breite fehlten lange Zeit Judoka, die den Anschluss an die Spitze schaffen konnten. Das Training war lange Zeit auf die Landesstützpunktzeiten ausgerichtet und das individuelle Vereinstraining wurde vernachlässigt. „So geht zwar Spitze, jedoch nicht Breite. All das haben wir analysiert, korrigiert und umstrukturiert. Jedoch war die Lücke im Männerbereich etwas zu groß, um sie kurzfristig zu schließen. Nun benötigen die Anpassungen wieder eine gewisse Zeit, um ihre Wirkung zu entfalten. Erste Lichtblicke gibt es bereits, doch müssen wir noch Geduld aufbringen.“, so Trainer Sven Helbing. Mit Erfolgen meint Helbing sowohl die erkämpften Bundesligapunkte der Eigengewächse, so hat zum Beispiel Jan Tefett -73kg bereits seinen dritten Bundesligakampf gewinnen können, als auch die Ergebnisse der Nachwuchspiraten und erwachsenen Kämpfer im Einzel. „Am vergangenen Wochenende waren JC 66 Sportler neben der Männerbundesliga bei sieben(!) Veranstaltungen erfolgreich unterwegs. Die Bundesligafrauen erkämpften ein starkes 11:3 gegen Stella Bevergern, es waren die u16 Nachwuchsteams weiblich und männlich in der neu geschaffenen u16-Liga am Start, es wurde in der Frauenregionalliga gekämpft, Internationale Turniere in Antwerpen und Europacups im spanischen La Coruna wurden besucht und die kleinsten feierten beim Kreisturnier in Oer Erkenschwick 13 Goldmedaillen.“, konnte Sportchef Tapper mit der Quantität und Qualität der Einsätze mehr als zufrieden sein.
„Ganz bitterer Kampftag“
Also Erfolge und Freude in allen Bereichen. Lediglich die Männer erlebten so Helbing: „…einen ganz bitteren Kampftag. Wir müssen uns jeden Punkt hart erkämpfen und können es uns nicht leisten, auch nur einen Fehler zu machen. Leider lief mal wieder alles so, wie wir uns das nicht vorgestellt hatten.“ Bereits in der Vorbereitungswoche fielen neben dem langzeitverletzten Hamsat Isaev auch noch die holländischen Punktegaranten Tornike Tsjakadoea -60kg und Michael Korell -100kg verletzungsbedingt aus, die beiden Italiener Giuliano Loportio und Vincenzo D´Arco bekamen vom Arbeitgeber keine Freistellung und JC Spanier Alberto Gaitero Martin durfte beim Internationalen Grand Slam in Russland seine Landesfarben vertreten. Und als ob das alles noch nicht genügte, steckten die drei Kämpfer Lawrence Reysin, Kallala Ngoy und Hanns-David Claren nach einer Autopanne auf der Autobahn fest. Alle drei kamen dann genau eine (!) Minute nach Wiegeschluss in der Wettkampfhalle an und durften somit nicht mehr in den Teamkader aufgenommen werden. „Die Regeln sind klar und es ist richtig, diese umzusetzen. Man kann sich natürlich vorstellen, wie die Stimmung im Team dann war.“, erläuterte Teammanager Volker Tapper die Gemütslage vor Kampfbeginn. Das hatte zur Folge, dass die Piraten die Gewichtsklasse -66kg unbesetzt lassen mussten und, dass sie für ihre drei Pflichtwechsel zur Halbzeit auch nur drei weitere Optionen hatten und noch dazu einen der beiden ausländischen Kämpfer, Antonio Ciano -90kg oder Danny Meeuwsen -100kg aus dem Team nehmen mussten. Das wusste auch der Gegner und ging bereits mit einer 2:0 Führung ins Match. Insgesamt schafften es die JC Kämpfer trotzdem, eine Art Jetzt-erst-recht-Stimmung aufkommen zu lassen und stürzten sich mutig in die Kämpfe.
Dreimal zwangen die Piraten ihre Gegenüber in die Verlängerung, mussten dort aber dreimal Punkte lassen. „Jeder kann rechnen. Wir haben vier Punkte erkämpft. Können wir die drei Punkte in der Overtime für uns entscheiden, steht es hier trotz aller unglaublichen Vorkommnisse 7:7 unentschieden. Das lief mal wieder überhaupt nicht nach unseren Vorstellungen.“, war Trainer Helbing einerseits bitter enttäuscht und andererseits trotzdem stolz auf die Jungs. Letztendlich holten zweimal Niklas Luckai -60kg, Jan Tefett -73kg und Martin Garic -100kg die Punkte für die Piraten. Kopf hoch und weiterkämpfen heißt es nun für die Piraten, die am 17.06. zu Gast in Witten sind und dort das Derby gegen die SUA Witten-Annen auskämpfen. Danach kommt zum Abschluss der Vorrunde der Bundesliga am 01.07. Asahi Spremberg in den Heimathafen der JC 66 Piraten. Vielleicht müssen die Judofans der Bottroper doch keinen ganz so langen Atem haben und viel Geduld mitbringen, vielleicht klappt es ja dieses Jahr doch noch mit einem Sieg in der 1. Judo Bundesliga der Männer. Und schließlich gibt es neben den Männern noch viele Erfolge zu feiern. Die Frauen können Historisches schaffen und der Nachwuchs wird die entstandene Lücke hoffentlich bald füllen können.
Informationen zu Verein, Ergebnissen und Ligen finden Sie unter: www.jc66.de, Infos zum Bottroper Schulprojekt finden Sie unter: www.judokinderwelt.de
Autor:Jürgen Ehlert aus Bottrop |
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