Dank Selbsthilfegruppe glücklich - trotz Demenz des Partners

Barbara Josfeld (r.), Gesundheitsamt, Andrea Multmeier (2.v.r) vom Selbsthilfebüro des Paritätischen, Gabi Bergmann, Elke Becker und Inge Gierok sind froh, dass Heike Taut-Franci die Selbsthilfegruppen gegründet hat. | Foto: Michael Kaprol
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  • Barbara Josfeld (r.), Gesundheitsamt, Andrea Multmeier (2.v.r) vom Selbsthilfebüro des Paritätischen, Gabi Bergmann, Elke Becker und Inge Gierok sind froh, dass Heike Taut-Franci die Selbsthilfegruppen gegründet hat.
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Demenz verändert das Leben. Nicht nur des Patientens. Heike Taut-Franci macht es mit ihrer Selbsthilfegruppe Angehörigen möglich, mit der Diagnose umzugehen und trotzdem ein zwar anderes, aber dennoch glückliches Leben zu führen.

„Ich habe am Telefon laut um Hilfe gerufen“, blickt Gabi Bergmann auf die Zeit nach dem Jahr zurück, in dem sie die Demenzdiagnose für ihren Mann bekam. „Heute kann ich mit Ärzten auf Augenhöhe sprechen - und dafür bin ich Heike Taut-Franci dankbar.“

Heike Taut-Franci ist jemand, der Probleme angeht: „Als ich mit meinem Mann Paolo beim Arzt war und der die Demenz-Diagnose aussprechen wollte, fragte ich ihn nur, wie seine Patienten damit umgehen würden. Er sagte mir, dass 98 Prozent der Angehörigen so weiter leben würden wie bisher.“
Den Kopf in den zu Sand stecken war für die Ausbilderin beim Essener Landgericht aber nie eine Alternative. Die heute 59-Jährige hat sich sofort auf den Weg gemacht zu Andrea Multmeier, Selbsthilfebüro des Paritätischen Wohlfahrtverbandes. Als sie dort erfuhr, dass es noch keine Selbsthilfegruppe für Angehörige Demenzerkrankter gibt, war ihr klar: „Dann muss ich eine gründen.“

Andere Dynamik

Andrea Multmeier und Barbara Josfeld, Gesundheitsamt, sind froh, dass Heike Taut-Franci diese Energie hatte: „Wir ermutigen die Angehörigen, diese Selbsthilfegruppen aufzusuchen, sie bieten ihnen eine große Hilfe, dadurch entsteht eine andere Dynamik.“
„Obwohl über Demenz medial wie nie zuvor aufgeklärt wird, steckt es immer noch in der Tabu-Zone“, ist Taut-Franci überzeugt. Ihr Leitsatz: „Demenz ist nicht heilbar, aber lebbar und ver-rückt denken lernen fördert die Kreativität!“

Hochsicherheitstrakt

Die Wohnung vieler Demenzerkrankter verwandelt sich in einen „Hochsicherheitstrakt“: „Man geht noch genauer vor als bei kleinen Kindern - der Fernseher wurde festgeschraubt, Putzmittel stehen in verschlossenen Schränken - man muss lernen, was zu tun ist, und dafür ist eine SHG das Richtige“, sagt Gabi Bergmann. Die Kirchhellenerin ist mit Inge Gierok und Elke Becker stellvertretende Sprecherin der SHG. Ein Jahr lang hat sie versucht, alleine mit der Krankheit ihres Mannes klar zu kommen: „Ich war mir sicher, dass alles gar nicht so schlimm wird, wie es die Ärzte sagten.“ Aber die Mediziner hatten sich nicht geirrt und sie stand kurz vor dem Zusammenbruch: „Ich war überrascht, wie schnell ich durch die SHG praktische Hilfe bekam.“
Heike Taut-Franci ist da, wenn jemand Hilfe braucht: „Da würde ich sogar eine Verabredung mit dem Papst fallen lassen“, sagt sie.

Patientenverfügung

Alzheimer-Demenz führt zum Tod. In der letzten Phase der Erkrankung wollen die Patienten weder essen noch trinken: „Ärzte wollen dann eine Magensonde legen und sagen einem, man darf den Patienten nicht verhungern lassen“, weiß Taut-Franci. Sie hat eine Patientenverfügung und wird das anders regeln: „Ich werde Paolo in seiner letzten Phase nicht zum Essen zwingen. Er bekommt alles angeboten, ständige Streicheleinheiten und schöne Musik - viele Angehörige ertragen die finale Phase nicht“, weiß sie. Auch darüber informiert sie bei der Selbsthilfegruppe.
„Viele Angehörige haben das Vorurteil, dass sie sich in einer Selbsthilfegruppe nicht auch noch die Probleme anderer Leute anhören wollen, nach der ersten Kontaktaufnahme sind aber alle erleichtert, diesen Schritt unternommen zu haben. Schon bei dem Verdacht auf eine dementielle Erkrankung können Angehörige diese Hilfe suchen.“

Soziale Kontakte

Viele soziale Kontakte gehen Angehörigen durch die Demenzerkrankung des Partners verloren. Gabi Bergmann ging das auch nicht anders, aber sie hat gelernt, damit umzugehen: „Die Verbindung von Familie, Freunden, Selbsthilfegruppe und Pflege ist für mich überlebenswichtig und gibt mir Sicherheit. Mein Leben hat sich durch die Krankheit komplett verändert. Es ist anstrengend, aber auch spannend. Und ich bin dennoch glücklich!“

Hintergrund

Die Selbsthilfegruppe (SGH) Angehöriger Demenzerkrankter, Stadtmitte, trifft sich jeden 1. Dienstag im Monat und jeden 4. Dienstag in ungeraden Monaten von 16 bis 18 Uhr im 2. Obergeschoss in der Gerichtsstraße 3.

Jeden 2. Dienstag im Monat trifft sich die SHG Eigen von 17.30 Uhr bis 19.30 Uhr im Café des AWO-Seniorenheims, Rheinbabenstraße 38a.

Bei beiden Gruppen ist nach Absprache eine Betreuung im selben Haus möglich.

Die SHG ist mit dem Gesundheitsamt, Kliniken, Fachärzten oder Pflegediensten vernetzt.

Die SHG bietet umfangreiches Info-Material zur Vorsorgevollmacht, Krankenkassen- und Pflegedienstleistungen und klärt über weitere Hilfsangebote auf.

Weitere Fragen werden im Selbsthilfebüro unter Tel. 23019 beantwortet.

Autor:

Bettina Meirose aus Bottrop

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