Alkoholismus schleicht sich langsam in das Leben ein
Er ist dem Tod in letzter Sekunde von der Schippe gesprungen: "Man merkt es selbst ja nicht", erzählt Harald N.* "Ich wusste gar nicht, dass ich ein Problem mit Alkohol hatte."
Alles fängt ganz harmlos an. Über Jahre reist er als Außendienstler in der Republik herum. Häufig Übernachtungen in Hotels gehören zum Alltag, der Weg zur Hotelbar ist nach dem Essen nicht weit. Finanziell deckt das Spesenkonto die Kosten ab. "Ich hatte nach dem Trinken nie ein Problem mit Kopfschmerzen, war morgens auf Messen immer der Erste. Auch zitternde Hände waren mir fremd."
Irgendwann kennt er auf seinen Strecken jedes Geschäft und weiß, wo welche Biersorte gerade im Angebot ist. "Und natürlich gab es auf Firmentreffen immer etwas zu trinken." Harald N. bemerkt nicht, dass die Mengen langsam zunehmen. Sein Leben beginnt, sich zunehmend um den Alkohol zu drehen: Wo bekomme ich was, wie bleibt das Bier im Auto kühl und wie schmuggele ich die Getränke ins Hotelzimmer.
Weder Arbeitgeber noch Kollegen bemerken etwas oder schweigen. Und für Arztbesuche bleibt im Alltag kaum Zeit - warum auch, wenn man sich nicht krank fühlt. "Und selbst bei einem Check Jahre später hieß es nur, dass die Werte etwas zu hoch sind." Nach den Gründen fragt der Arzt zunächst nicht.
Erst bei einer späteren Untersuchung schlägt der Mediziner Alarm - Harald N. steht auf der Kippe, denn die Leber ist kaputt. "Es war kurz vor Zwölf", weiß er heute. Lange Aufenthalte im Krankenhaus folgen und die Erkenntnis, dass er trocken werden muss. Das ist eine der Voraussetzungen, um auf die Liste für eine Lebertransplantation zu kommen.
Hilfe findet er bei einer der Selbsthilfegruppen des Bottroper Kreuzbundes und bei seiner Familie, die immer für ihn da war "die hat sehr sehr viel auf sich genommen, damit ich stark bleibe." Drei Jahre wartet er auf ein neues Organ. "Keine schöne Zeit, aber die Mitglieder in meiner Gruppe haben mich unterstützt."
An den Tag, an dem das passende Spenderorgan für ihn bereit liegt, erinnert er sich genau. "Der Anruf kam und noch am gleichen Tag ging es in die Klinik." Für ihn ist es bis heute ein zweiter Geburtstag.
Doch eine Transplantation ist kein Zuckerschlecken. "Ich nehme täglich über 20 Tabletten, damit der Körper die Leber nicht abstößt." Wegen der Nebenwirkungen der Tabletten, fährt er kein Auto mehr. Das Risiko schätzt er als zu groß ein. Auch das ist eine der Spätfolgen des jahrelangen Alkoholkonsums - "aber ich lebe noch und dafür bin ich dankbar. Wer denkt, nur die Leber wird geschädigt, der irrt gewaltig", weiß er heute. Und noch etwas weiß er: "Man kann auch ohne Alkohol ein zufriedenes Leben führen und viel unternehmen."
*der Name wurde geändert und ist der Redaktion bekannt
Autor:Lokalkompass Bottrop aus Bottrop |
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