Scheinbarer Rockmusiker will CDs aufschwatzen
Abzocke in der Innenstadt?

Symbolbild CD | Foto: Stefanie Vollenberg

„Do you speak English? Do you like Rockmusic?“, mit diesen Worten gingen am Freitagnachmittag junge Männer auf Passanten in der Bottroper Innenstadt zu und drückten ihnen ihre CDs in die Hand.

Ein zunächst sympathisch und engagiert auftretender Mann mit Sonnenbrille stellte sich als Mitglied der estnischen Band California Condor vor und entschuldigte sich zunächst für sein schlechtes Deutsch.
Sein Denglisch konnte man jedoch ziemlich gut verstehen. Er erklärte, dass die Band ihre Hits promoten möchte, noch kein Label hätte und sie daher ihre CDs in der Fußgängerzone verteilen.
Das Genre der Band wird als eine Mischung aus Alternative Metal und Hiphop beschrieben. Der junge Mann verglich den Musikstil selbst mit Linkin Park: „... nur nicht so depressiv“.

Zuerst sah es danach aus, als wollte der scheinbare Rockmusiker die CDs als Werbegeschenk verteilen, um seine Band bekannter zu machen.
Dann jedoch erklärte er, dass ein Album normalerweise 20 € kosten würde, man für die CDs aber bezahlen könne, was man wolle. Eine Passantin, gab dem vermeintlichen Musiker daraufhin seine CD wieder zurück und erklärte, dass sie auf der Straße generell nichts kaufe.
Dieser bekräftigte nochmals, dass sie für die CD zahlen könne, was sie mag.

Die Frau machte sich Gedanken und fragte auf Deutsch, warum die Bandmitglieder nicht in der City als Straßenmusiker auf sich aufmerksam machen, so bekäme man schon mal einen Einblick in ihren Stil. Der Mann verstand den Satz sofort und antwortete, wieder mit Akzent und einer Mischung aus Deutsch und Englisch, dass sie die CDs lieber so an die Leute verteilen.

Da die Frau die junge Band gerne unterstützen wollte, bat sie an, doch 2 CDs zu nehmen und dafür 10 Euro zu bezahlen. Sofort schlug das freundliche Gesicht des Mannes um und er begann damit, der Bottroperin ein schlechtes Gewissen zu machen. Er erklärte ihr unter anderem, dass die Band dafür gezahlt hatte, die Songs zu produzieren, das Cover zu designen, etc. und 10 Euro für 2 CDs viel zu wenig seien. Daraufhin erklärte die Passantin dem jungen Mann, dass sie selber nicht viel Geld habe und ihm nicht mehr geben könne. Angeblich verstand der Mann das nicht, aufgrund seiner schlechten Deutschkenntnisse und wich aus.
Die Frau machte sich die Mühe und übersetzte ihm den Satz ins Englische. Trotz seiner großen Sonnenbrille sah man dem Mann seinen genervten Blick deutlich an. Er antwortete unfreundlich „That's not what I'm asking for.“ Also grob gesagt, es interessiert ihn nicht.

Die Bottroperin antwortete dennoch freundlich, dass sie sich seine Musik dann online anhören würde. Der Mann drängte, sie solle lieber jetzt seine CD kaufen, um die Band zu unterstützen. Die Frau wünschte ihm einen schönen Tag und verabschiedete sich. Der vermeintliche Musiker drehte sich um, sagte leise noch etwas vor sich hin und verschwand sichtlich genervt.

Auch mir hat er seine CDs angeboten, doch mir kam das Ganze sehr seltsam vor. Ob es die Band wirklich gibt? Ob in den dünnen Papphüllen überhaupt CDs enthalten sind? Es roch förmlich nach Abzocke.
Im Internet fand ich zunächst die Informationen, dass es eine Band mit diesem Namen tatsächlich gibt und sie als California Condor seit 2021 besteht.
Die scheinbare Homepage der Band ist verfügbar auf Estnisch und auf Deutsch, wobei die deutsche Variante viele grammatische Fehler aufweist. Zu sehen sind dort: die CD-Cover, welche der junge Mann den Bottropern heute unter die Nase gehalten hat.

Außerdem online zu finden: mehrere Erfahrungsberichte darüber, dass California Condor bereits seit einigen Jahren durch ganz Europa ziehen, um mit der bekannten Masche Passanten in Fußgängerzonen ihre CDs aufzuschwatzen und die Musik „das Geld nicht wert“ sein soll.
In verschiedenen Berichten wird sogar erwähnt, dass die Band zuvor unter verschiedenen Namen auf die gleiche Weise versuchte, ihre CDs unter die Leute zu bringen. Auch von Aggressivität beim CD-Verkauf und auf Konzerten ist in den Berichten die Rede.

Auf ihrem „offiziellem“ Youtube-Account, welcher seit 2021 besteht, habe ich 3 Musikvideos der Band gefunden, welche alle mehr als 24000 Aufrufe haben. Der Stil, Metal mit HipHop-Elementen, erinnert tatsächlich (ganz weit) entfernt an Linkin Park. Die Musik klingt düster und wenig interessant. Aber über Geschmack lässt sich ja bekanntlich streiten.
Neben den 3 Musikvideos verfügt das Profil über weitere kurze Videos, welche die Band unter anderem mit Alkoholflaschen tanzend in der Bahn und in der City zeigen.

Der junge Mann in der Innenstadt hatte am Freitag 5 verschiedene Alben in der Hand.
Sollte die Band tatsächlich 5 Alben seit 2021, also in 2 Jahren, veröffentlicht haben?
Ich habe die Trackliste gesehen: mehr als 5 Songs sollen auf einer CD sein. Warum haben sie auf Youtube insgesamt nur 3 veröffentlicht?

Außerdem habe ich einen weiteren Youtube-Account entdeckt, welcher diesen Bandnamen enthält und ebenfalls seit 2021 besteht. Hier wurden 9 Songs in je einer eigenen Playliste veröffentlicht. Statt eines Videos zu sehen: die Coverbilder der Alben, welche der scheinbare Musiker in der Bottroper Innenstadt unter die Leute bringen wollte.

Das Ganze wirkt ziemlich unseriös, hier ist also Vorsicht geboten!

Autor:

Stefanie Vollenberg aus Bottrop

Webseite von Stefanie Vollenberg
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