Zentrale NRW-Mai Kundgebung in Bottrop / Abschied vom Bergbau / Die Kohle geht - der Kumpel bleibt
Der Wind pfeift eiskalt über den Gleiwitzer Platz, doch das stört die Gewerkschafter nicht. Immer mehr Menschen strömen auf den Platz. Die Kapelle spielt "Der Mai ist gekommen".
Und besonders fröhliche Gesichter gibt es bei den Beschäftigten der Homannwerke: Am Freitag erhielten sie die frohe Kunde, dass das Werk in Bottrop bleibt.
Wenige Meter weiter warten Oberbürgermeister Bernd Tischler und die NRW-Landesvorsitzende des DGB, Anja Weber, auf Ministerpräsident (MP) Armin Laschet und den IG BCE-Bundesvorsitzenden Michael Vassiliadis. Der begeisterte Kradfahrer ist bereits seit 8 Uhr mit dem traditionellen Motorradkorso zum 1. Mai durch das Ruhrgebiet unterwegs.
Nach einer herzlichen Begrüßung des MP durch Oberbügermeister Bernd Tischler und Reinhard Thater, Vorsitzender des DGB Bottrop, geht es noch zu einem schnellen Kaffee ins RAG-Foyer - kurz danach trifft auch ein leicht durchgefrorener, aber gut gelaunter Vassiliadis ein. Ein erster Fototermin der Gewerkschafts- und Politikprominenz und dann reihen sie sich in den Demonstrationszug in Richtung Berliner Platz ein. Rund 400 Teilnehmer schätzt die Polizei die Anzahl der Teilnehmer - ohne die, die bereits auf dem Berliner Platz warten.
Dort erhalten Suzann Dräther, die am vergangenen Freitag wiedergewählte Betriebsratsvorsitzende der Homannwerke, und ihre Kolleginnen und Kollegen immer wieder Glückwünsche zum Erhalt des Werkes vor Ort - "So sehen Sieger aus", stimmen sie glücklich an.
"Der heutig 1.Mai ist schon etwas anders"
"Der heutige 1. Mai ist schon etwas anders", sagt Thater in seiner Begrüßungsrede und das Bedauern in seiner Stimme ist unüberhörbar. "Denn es ist das letzte Mal, dass wir nach 162 Jahren Steinkohlebergbau in Bottrop noch aktiven Bergbau haben." Deswegen "empfinden wir es als Wertschätzung, dass die 1. Mai DGB Zentralveranstaltung für Nordrhein-Westfalen in diesem Jahr in Bottrop stattfindet", fährt er unter dem Beifall der Gewerkschafter fort. Die Kollegen werden den Bergbau mit Würde und Stolz zu Ende bringen, kündigt er an.
Auch Tischler erinnert noch einmal an die lange Tradition des Bergbaues im Ruhrgebiet. Der Bergbau habe entscheidend zum Erfolg der deutschen Industriegeschichte beigetragen.Tischler fordert den Ministerpräsidenten auf, die Region zu unterstützen, denn "unsere Stadt und das Ruhrgebiet können die Veränderungen nicht ohne das Land, den Bund und die EU stemmen." Bei der Suche nach neuen Verwaltungs- und Forschungsstandorten möge das Land das Revier mit berücksichtigen. Eine klare Absage erteilt der Oberbürgermeister allen Rechtspopulisten: "Wir sind stolz auf die Vielfalt, die wir in Bottrop leben." Es gab und gebe in Bottrop keinen Platz für Rassisten, fährt der OB unter Beifall fort.
Weber: "Wir sind stark"
"Der 1. Mai ist unser Feiertag und wir sind stark", ruft eine kämpferische Anja Weber den Menschen entgegen. Allein im Ruhrgebiet unterstützen 700.000 Mitglieder die Kollegen in den Betrieben. "Auch wenn die Wirtschaft boomt und Arbeitslosigkeit gering ist, geht die positive Entwicklung an vielen vorüber. Die Schere zwischen arm und reich geht immer weiter auseinander", bedauert die DGB-Landesvorsitzende. Inzwischen sei jeder Fünfte von Armut bedroht, kritisiert sie die Entwicklung.
In den vergangenen Jahrzehnten sei zu wenig in Bildung und Infrastruktur investiert worden. Es werde Zeit, Geld in die Hand zu nehmen, um mehr Personal in der Verwaltung zu beschäftigen und in die Infrastruktur zu investieren. "Die schwarze Null darf nicht wichtiger sein als die Bildung für eure Kinder und Enkelkinder", ruft sie in die Menge. Mit Blick auf das Ende der Steinkohle erinnert sie daran, dass "der Strukturwandel noch nicht beendet ist." Mit den finanziellen Folgen dürften die Bürgermeister der Kommunen nicht allein gelassen werden.
Eine klare Absage erteilt auch sie den rechten Parteien. "Bei den Betriebsratswahlen sind die Rechten als Tiger gestartet und als Bettvorleger geendet", sagt sie unter Beifall. Von den 180.000 Betriebsräten gebe es nur 12 Rechtspopulisten. Zum Abschluss überreicht sie noch ein T-Shirt, das die Forderung nach dem Azubi-Ticket unterstreicht.
(Die ganze Rede ist unter https://www.google.de/search?q=dgb+nrw+1.+mai+bottrop&rlz=1C1GGRV_enDE772DE772&oq=dgb+nrw+1.+mai+bottrop&aqs=chrome..69i57.7521j0j8&sourceid=chrome&ie=UTF-8 zu finden)
Laschet: Klare Absage an Rechtspopulismus
"Ich kann mir vorstellen, was das Ende des Steinkohlebergbaus an Wehmut bedeutet", versichert Ministerpräsident Armin Laschet. Auch sein Vater war einst im Aachener Raum davon betroffen. Er fordert die Menschen auf, die zahlreichen Tugenden des Bergbaus zu erhalten. "Rechtspopulisten Hetzer und AFDler brauchen wir in NRW nicht", sagt der MP. Auch wenn der Bergbau gehe, bleibe als wichtige Errungenschaft die Solidarität, die Verlässlichkeit und die Montanmitbestimmung.
Laschet spricht sich klar für den Erhalt der Stahl-, Chemie- und Aluminiumproduktionen in NRW aus. "Und auch die Braunkohlmitarbeiter leisten einen Dienst für eine verlässliche und finanzierbare Energieversorgung für die Menschen im Land und für die Arbeitsplätze. "Und wir wollen mehr Industriearbeitsplätze schaffen", betont der MP. "Es gibt dafür ausreichend Perspektiven", fährt er fort. Und er werde alles dafür tun, dass ein landesweites Azubi-Ticket kommt - "Wir wollen das einführen, denn das gibt es bislang noch nicht", klärt der MP auf.
Vassiliadis: "Das Revier braucht eine verlässliche Perspektive"
"Wir haben das Ende des Steinkohle-Bergbaus aus rein wirtschaftlichen Erwägungen immer für falsch gehalten", ruft Michael Vassiliadis den Gewerkschaftern zu. Gute Arbeitsplätze mit hohen Standards seien verloren gegangen. Er warnte davor, sich aus der Tarifbindung zu verabschieden. "Wir werden nicht akzeptieren, dass nur noch ein Teil der Arbeitsgesellschaft durch Ordnung und Sicherheit, durch Tarif und Mitbestimmung geprägt ist. Dagegen werden wir uns mit aller Kraft wehren", sagt der IG BCE-Vorsitzende. Die soziale Spaltung der Gesellschaft beginne da, "wo der Tarifvertrag endet." Die Gewerkschaften erwarten von den Arbeitgebern ein klares Bekenntnis zur Tarifbindung. Das werde die IG BCE auch der Regierungskoalition noch einmal verdeutlichen."Wer Vollbeschäftigung will, darf die Industrie nicht aus unserem Land treiben."
Er forderte auch einen Neustart in der Energiewende: "Wir brauchen mehr Vernunft und Augenmaß statt Ideologie, die keine Rücksicht auf gute Arbeitsplätze nimmt." Deutschland müsse weiter ein starker Stahl- und Chemiestandort bleiben. Das Revier benötige eine "verlässliche Perspektive für den Strukturwandel.
Autor:Lokalkompass Bottrop aus Bottrop |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.