Zur Karriere eines Gewaltunternehmers
Von Loewenfeld zu Hitler

Die von der Marinebrigade Loewenfeld ermordeten Arbeiter sind auf dem Westfriedhof bestattet.
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Von Dr. Thomas Herrmann

Gewaltanwendung war Wilfried von Loewenfelds Geschäftsmodell. Nicht nur mit seinen Gewalttaten gegen Bottroper Arbeiter, die sich im Frühjahr 1920 gegen den rechtsradikalen Kapp-Putsch erhoben hatten. Loewenfeld hat als Gründer und Kommandant seines Kieler Freikorps bis zur Beteiligung am Hitler-Putsch im November 1923 (und darüber hinaus) eine beachtliche Karriere hingelegt.

Die Lizenz für seine „Firma“ erteilte im Februar 1919 SPD-Reichswehrminister Noske, der Loewenfeld die Aufstellung der „3. Marinebrigade“ genehmigte. Nach einem blutigen Auftakt mit „Einsätzen“ 1919 in Berlin und Oberschlesien ist die Marinebrigade Loewenfeld im März 1920 in Breslau und Kiel wichtiger Träger des Kapp-Putsches. Die Reichsmarine hält danach – trotzdem oder deswegen – ihre „schützende Hand“ über ihn und seine „Getreuen“. Offiziell ist Loewenfeld laut Abschlussbericht „zu den Märzvorgängen“ vom Reichswehrministerium im August 1920 entlassen. Aber nicht putschenden Offiziere wie er werden zur Rechenschaft gezogen, sondern es kommt zu einer umfassenden Säuberungsaktion gegen republikanisch eingestellte Soldaten.

Loewenfeld fühlt sich als Sieger und jubiliert schon am 18. März 1920 trotz Rücktritt von Kapp und Lüttwitz: „Der Unbeteiligte bekommt hieraus den Eindruck, als ... hätten Kapp und Lüttwitz der alten Regierung gegenüber kapitulieren müssen. Es ist aber in keiner Weise der Fall. Im Gegenteil. Die alte Regierung hat die berechtigten Forderungen der nationaldenkenden Truppen anerkannt (...) So ist durch unsere Tat ... tatsächlich eine Einheitsfront aller nationalen Parteien, von den Deutschnationalen bis zu den Mehrheitssozialisten, gegen den Kommunismus geschaffen worden. Kapp und Lüttwitz ... haben hierdurch ihr Verdienst in der Geschichte für ewig gesichert...“
Die von den Rechtsparteien im Nachgang des Kapp-Putsches erzwungenen Neuwahlen im Juni 1920 bringen eine massive Verschiebung zugunsten nationalistischer Parteien. Das motiviert die antidemokratische Rechte zu neuen Umsturzversuchen. Im November 1923 folgt der Hitler-Putsch.

Schwer bewaffnete Bürgerkriegsarme

Loewenfelds Gewaltunternehmen geht allerdings erstmal offiziell in Liquidation. Am 31. Mai 1920 wird die Auflösung der 3. Marinebrigade angeordnet, was sich aber bis 1922 hinzieht. Loewenfeld nutzt diese Zeit, um Ressourcen beiseite zu schaffen, auch indem man Reichsvermögen auf eigene Rechnung verscherbelt. In Kiel erhält Loewenfeld während der Abwicklung noch Geld von der Marine-Intendantur. Die immensen Waffen- und Munitionsvorräte der 3. Marinebridgade – einer mit schwerstem Kriegsgerät vom Panzer bis zum Flugzeug ausgerüsteten Bürgerkriegsarmee – werden in Kiel gehortet. Dort trifft Loewenfeld Wilhelm Canaris wieder, mit dem er bereits Ende 1918 einen republikfeindlichen Offiziers-Geheimbund organisiert hatte, der Grundlage seines Freikorps wurde. Canaris kümmert sich um die reichsweite Vernetzung mit Gleichgesinnten. Und er organisiert die Finanzen und den illegalen Verkauf von Waffen und Gerätschaften aus Reichseigentum nach Dänemark.

Die 2. Marinebrigade Ehrhardt hatte den Kapp-Putsch durch ihren Einmarsch in Berlin ausgelöst. Loewenfeld gratulierte der „Schwestereinheit“ per Telegramm. Nach dem Kapp-Putsch trennen sich die Wege. Ehrhardt taucht ab, Loewenfeld macht Karriere in der Reichsmarine. Er geht 1921 mit 2.100 Loewenfeldern in die neue Seestreitmacht und bildet dort ein mächtiges Netzwerk. Das wollen Ehrhardts Anhänger nicht. Ihr neues Betätigungsfeld werden „vaterländische“ Verbände, deren Aufbau und Führungspersonal vom Dunstkreis Loewenfelds und Canaris bezahlt wird. Zu diesen paramilitärischen Gruppierungen gehört unter anderen die rechte Terrorgruppe „Organisation Consul“, die teils eigenständig, teils mit Wissen des Kieler Netzwerkes um Loewenfeld unter anderem die Minister Erzberger und Rathenau ermordet.

Beim Putsch an Hitlers Seite

Wie erst 1926 publik wird, sind Loewenfeld und die Marinestation Kiel auch am Hitler-Putsch beteiligt. Nach einem damaligem Zeitungsbericht der „Schleswig-Holsteiner Volkszeitung“ plaudert Loewenfeld betrunken aus, dass er selbst das Kommando über Putschtruppen für den Norden führen wollte. Der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann macht die Beweise gegen die Kieler Marinestation im Dezember 1926 auch im Reichstag öffentlich. Danach hat die Marinestation, in der Loewenfeld 1923 zum Chef des Stabes aufgestiegen ist, Vorbereitungen getroffen worden, um die rechtsterroristische „Organisation Consul“, die aus der 2. Marinebrigade entstanden war, mit Waffen für den Putsch auszustatten. Diese sollte den Hitler-Putsch in München von Kiel aus unterstützen. Ferner wurde der illegale Handel mit nautischem Gerät und Waffen durch die Marinestation und die Finanzierung dieser rechtsextremen Gruppe aus diesen Mitteln öffentlich. Auch die Verwicklung der Marinestation in ein Mordkomplott gegen den Chef der Heeresleitung der Reichswehr v. Seeckt kommt ans Licht.
Nach einer vertraglichen Vereinbarung zwischen der Marinestation der Ostsee und der „Organisation Consul“ sollte diese „im Falle eines gemeinsamen Vorgehens das selbstständige Kommando über die von ihr geführten Formationen“ behalten, von der Marine mit Waffen und Munition sowie Geldmitteln ausgestattet werden. Vom ersten Punkt, der Selbstständigkeit der „Organisation Consul“ wollte Loewenfeld dann nichts mehr wissen, sondern das Kommando selbst übernehmen.
Solche Vereinbarungen waren nicht außergewöhnlich, denn die „rechtsdrehende“ Reichswehr folgte dem politischen Impetus der „Wehrhaftmachung des Deutschen Volkes“.

Das hieß, die eigenen, infolge des Versailler Vertrages, kleinen Ausbildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten durch trickreiche, wenn auch illegale Kooperationen zu erweitern. So werden Reichswehroffiziere in rechtsextreme Verbände geschickt, um deren Mitglieder militärisch auszubilden und umgekehrt diese, als Zeitfreiwillige in die Reichswehr aufgenommen. Neu war eigentlich, dass in Kiel Agenten bezahlt wurden, um solche rechtsextremen Verbände überhaupt erst zu gründen und zu betreiben.

„Loewenfelder“ Karrieren in der NSDAP

Das Stationskommando des Marinestützpunktes zieht sich mit dem Hinweis aus der Affäre, die Reichswehr sei alleine nicht stark genug gewesen, um gegen innere Unruhen vorzugehen. Dieses abenteuerliche Argument reichte, um in der damaligen Presselandschaft eine gute Figur abzugeben. Das Mordkomplott gegen Seeckt wird abgestritten. Das Ganze bleibt folgenlos. Der Staatsanwalt sieht keine Beweise, also keine Anklage. Loewenfelds Karriere geht ungebrochen weiter, bis er 1928 als Vizeadmiral in den Ruhestand verabschiedet wird.

Während viele „Loewenfelder“ später in der NSDAP weiter Karriere machen, bleibt Loewenfeld auf Distanz zur Partei. Dennoch war er eine zentrale Figur in den Strukturen, die die Destabilisierung der Republik betrieben und die Machtergreifung Hitlers letztlich möglich gemacht haben. Diesmal ganz ohne offenen Putsch.

Thomas Herrmann berichtet über weitere Details bei einer Vortrags- und Diskussionsveranstaltung am Freitag, 29. März ab 18.30 Uhr in der Rathausschänke.

Die von der Marinebrigade Loewenfeld ermordeten Arbeiter sind auf dem Westfriedhof bestattet.
Dr. Thomas Herrmann
Autor:

Niels Schmidt aus Bottrop

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